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Tagesschau24 nutzt das weit verzweigte Korrespondentennetz der ARD. Aus Moskau analysiert Demian von Osten die Situation.
© Tagesschau24, Tagesspiegel

Der Ukraine-Konflikt im Fernsehen: „Im Krieg gilt, die Wahrheit stirbt zuerst“

„Hart aber fair“ ändert das aktuelle Thema, ntv sendet in der Nacht – und Tagesschau24 und Phoenix gehen beim Ukraine-Konflikt in den Wettbewerbsmodus.

Das ursprünglich geplante Thema „Inflation - Preisschock überall“ bei „hart aber fair“ musste warten. Die Redaktion um Frank Plasberg reagierte am Montagnachmittag auf einen anderen Schock: die Verschärfung des Ukraine-Konflikts.

Sie änderte das Talkthema. „Putin macht ernst: Beginnt jetzt ein Krieg um die Ukraine?“ hieß es, unter anderem mit Norbert Röttgen (CDU), der am Abend zuvor schon bei Anne Will saß, sowie Udo Lielischkies, Ex-Russland-Korrespondent der ARD. Beide machten mit dem Verweis auf Putins Charakter und Russlands Situation wenig Hoffnungen auf eine friedliche Lösung des Konflikts.

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Die Lage spitzt sich stündlich zu. Umso bemerkenswerter, dass ARD und ZDF, nach „Tagesthemen extra“ um 23 Uhr 35 und „heute-journal update“ kurz vor Mitternacht, danach keine weiteren Sendungen zum Konflikt folgen ließen, anders als ntv.

Der private Nachrichtensender hatte das Programm ab circa 19 Uhr 30 im Breaking-News-Modus komplett auf die Putin-PK ausgerichtet. Der Kanal hat dann komplett bis in die frühen Morgenstunden monothematisch zur Ukraine-Krise auf dem Laufenden gehalten, mit aktuellen Einordnungen. Auch am frühen Dienstagmorgen wurden zahlreiche News-Spezials zum Thema gebracht. Ebenso Welt TV mit mehreren Stunden Ukraine-Berichterstattung in der Nacht.

Tagesschau24 und Phoenix: Wer ist der Breaking-News-Sender?

Es ist nicht einmal eine Woche her, dass die ARD-Vorsitzende und RBB-Intendantin Patricia Schlesinger den Ausbau von Tagesschau24 zum zentralen Nachrichtenkanal der ARD verkündete, als es nach der Rede von Russlands Präsident Putin und der Entsendung von „Friedenstruppen“ in die Ost-Ukraine zur ersten Bewährungsprobe kommt. Und damit auch zum ersten Fernduell zwischen Tagesschau24 und dem von ARD und ZDF gemeinsam betriebenen Ereignis- und Dokumentationskanal Phoenix.

Große Zweifel an Putin: Norbert Röttgen zu Gast bei "hart aber fair" am Montagabend.
Große Zweifel an Putin: Norbert Röttgen zu Gast bei "hart aber fair" am Montagabend.
© WDR/Dirk Borm

Der Dienstagmorgen steht bei beiden Sendern komplett im Zeichen der Ukraine-Auseinandersetzung – zum einen mit einem „Tagesschau24 Extra zum Konflikt um Ukraine“, zum anderen mit einem „Phoenix vor Ort: Ukraine-Krise“.

Die ARD greift für Tagesschau24 auf die Kapazitäten ihres weit verzweigen Korrespondentennetzes zurück. In langen Schalten berichten der Moskau-Korrespondent Demian von Osten sowie Birgit Virnich aus Kiew über die aktuelle Entwicklung vor Ort, analysieren Putins Rede und ergründen die Sorgen der ukrainischen Bevölkerung.

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Aus Berlin wird Matthias Deiß aus dem ARD-Hauptstadtstudio zugeschaltet, aus der Redaktion von ARD aktuell Bernd Rasem und aus Brüssel Michael Grytz. Stefan Wolff berichtet von der Frankfurter Börse über die Reaktion der Märkte auf die Krise in der Ukraine. Und als externer Experte gibt Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik seine düstere Einschätzung ab, dass die Diplomatie in diesem Konflikt offenbar am Ende angelangt ist.

Die Live-Pressekonferenz in Kiew des ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj und seines Amtskollegen Alar Karis aus Estland läuft hingegen bei den öffentlich-rechtlichen Sendern nicht etwa beim neuen Breaking-News-Sender Tagesschau24, sondern bei Phoenix. Selenskyj gibt dort der Hoffnung Ausdruck, dass es zu keinem Krieg und keiner breiter Eskalation kommt und versichert, dass die Ukraine zu Gesprächen auf allen Ebenen und allen Orten bereit sei.

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Auch andere Statements aus dem politischen Raum wie vom ukrainischen UN-Botschafter Serhij Kyslzja und Anna Lührmann, der Staatsministerin im Auswärtigen Amt, sind bei Phoenix zu sehen. Die Pressekonferenz von Olaf Scholz am Mittag läuft auf beiden Kanälen.

Für den Zuschauer, der bei den öffentlich-rechtlichen Sendern nach Informationen sucht, zeichnet sich ein Dilemma ab: Wie genau sieht die Arbeitsteilung zwischen Tagesschau24 und Phoenix aus, welche Absprachen werden getroffen? Dazu sollten sich ARD und ZDF möglichst bald in einer gemeinsamen Erklärung äußern.

„Im Krieg gilt: Die Wahrheit stirbt zuerst.“

Der Deutsche Journalisten-Verband regt indes eine Erweiterung des Pressekodex um das Thema Kriegsberichterstattung an.

Aus Sicht von Deutschlands größter Journalistenorganisation sollte der Pressekodex des Deutschen Presserats Journalistinnen und Journalisten dazu verpflichten, auf unzureichende Recherchemöglichkeiten im Konfliktfall hinzuweisen.

„Wenn nur eine von zwei Konfliktparteien die Quelle von Informationen ist, müssen die Leserinnen und Leser das erfahren“, sagt DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall.

„Im Krieg gilt: Die Wahrheit stirbt zuerst.“ Gerade bei bewaffneten Auseinandersetzungen sei das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit besonders groß. „Dieser Verantwortung müssen wir Journalistinnen und Journalisten gerecht werden.“

Der DJV-Vorsitzende erinnert in dem Zusammenhang an den Irak-Krieg, als die US-Truppen mit dem damals neuen Instrument des embedded journalism versucht hätten, die Berichterstattung in ihrem Sinn zu beeinflussen.

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