Neue Arte-Doku über Pasolini: Im Duz-Modus
Immer mehr Dokus bedienen sich einer persönlichen Ansprache. Das tut auch dem neuen Arte-Film über den Regisseur Pier Paolo Pasolini nicht gut.
Der Dokumentarfilm wird als Form begriffen, die die Realität zeigt und reflektiert. Regie-Genius Werner Herzog widersetzt sich dem jedoch seit Jahren schon, seit er begonnen hat, weniger Spielfilme zu inszenieren und mehr Dokus zu realisieren. Für Herzog gilt, dass der Regisseur im Dokumentarischen erfinden, fiktionalisieren, subjektiv sein darf. Seine Kino-Dokus („Mein liebster Feind - Klaus Kinski“, „Grizzly Man“, „Die Höhle der vergessenen Träume“) zeugen davon.
Der Autor bespiegelt sich wie die Bardot
Seit einiger Zeit ist nun allerdings im Fernsehen eine Entwicklung zu beobachten, die durchaus kein Herzog-Niveau hat und sehr befremdend wirkt: Im November 2013 etwa lief auf Arte der Dokumentar-Langfilm „BB, Eine Liebeserklärung“, dessen Autor David Teboul sich selbst mit in Szene setzt und in seiner neuen Doku über Brigitte Bardot dem Missverständnis unterliegt, sich mindestens ebenso zu bespiegeln wie die von ihm adorierte lebende Legende. In dem Dokumentarfilm „Grace - Filmstar und Fürstin“ (2011) von Patrick Jeudy wird Grace Kelly gleich direkt und unmittelbar angesprochen, im persönlichen, intimen „Du“. So, als ob der Autor Grace Kelly persönlich gekannt habe, was nicht der Fall war. Das ist beinahe anmaßend.
Auch Pasolini wird mit "Du" angeredet
In genau diesem Duktus ist nun leider auch die neue französische Doku „Pasolini - Passion Roma“ gehalten, in welcher der Autor Alain Bergala den vor 38 Jahren am 2. November 1975 in Ostia unter nie ganz geklärten Umständen ermordeten Regisseur und Schriftsteller unentwegt mit „Du“ anredet. Der Film, den Arte am Mittwoch zeigt, beginnt so: „Rom, die Stadt, wo Du den größten Teil Deines Erwachsenenlebens verbracht hast, war nicht Deine Stadt. Woher stammt Deine Leidenschaft für diesen Ort, in den Du als 28-Jähriger ins Exil gezwungen wurdest? “
Dieses fiktionalisierte „Du“, das sich durch den gesamten Film hindurchzieht, wird sogar historischen Aufnahmen Pier Paolo Pasolinis unterlegt, was die Auflösung von Genre-Grenzen mit sich zieht.
Das Subjektive unterläuft das (Film-)Historische
Dem Zuschauer wird mit der direkten Anrede etwas suggeriert, was mit dem Dokumentarischen überhaupt nicht einhergeht: Das Subjektive unterläuft das (Film-)Historische. Umso bedauerlicher, da Bergala durchaus einige filmhistorische Materialien zeigt, Pasolinis damalige Wohnorte im heutigen Rom aufsucht, Menschen befragt, die ihn kannten wie Pasolinis Cousine Graziella oder Regie-Kollege Bernardo Bertolucci –, und mittels konkreter Filmausschnitte, etwa aus „Accattone“, oder aus „Das erste Evangelium - Matthäus“, die (Dreh-)Orte mit dem Heute kontrastiert. Über allem schwebt Pasolini, der nur 53 wurde. Doch Filmautor Bergala tut seiner eigenen Doku mit dem „Du“ gehörig Abbruch: Die Chance, eine wirklich gute neue Pasolini-Doku mit neuen Erkenntnissen und sehenswertem Archivmaterial zu besichtigen, biographisch seriös grundiert, ist somit verpasst. Thilo Wydra
„Pasolini - Passion Roma“, Arte, Mittwoch, 21 Uhr 50
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