Interview mit Guido Hammesfahr: „Ich würde gegen ein Segelboot tauschen“
Guido Hammesfahr über Leben im Bauwagen, die Paraderolle Fritz Fuchs, 40 Jahre „Löwenzahn“, Corona-Drehs und Autogrammjäger.
Er ist das Gesicht einer der beliebtesten Kindersendungen im Fernsehen. Ein Bauwagen mit viel Krimskrams drin, der Hund Keks, ein stets freundlicher Mann, der fast alles weiß und wenn nicht, macht er Experimente: Das ist „Löwenzahn“ mit Fritz Fuchs alias Guido Hammesfahr, der am Freitag 52 Jahre alt wird. Nach der Ausbildung an der Schauspielschule Mainz spielte Hammesfahr auch in Berlin Theater. Ab 1997 war er im Fernsehen zu sehen, zunächst in kleineren Rollen in Kriminalserien, dann verstärkt in Comedy-Formaten. Er übernahm 2006 die Rolle von Peter Lustig (Foto links, der Mann mit der Latzhose, der 2016 verstarb). Am Wochenende zeigt das Zweite zum Jubiläum vier „Löwenzahn“-Premieren mit Tieren und Natur in Südafrika (Samstag, ab 8 Uhr 20). Etwas Besonderes, auch für Schauspieler Hammesfahr: Fast alle Folgen werden am Bauwagen in Hennigsdorf gedreht.
Herr Hammesfahr, Sie haben geradezu einen idealen Job.
Wieso?
Viele Schauspieler klagen über Einschränkungen oder Stopps bei Dreharbeiten, wegen der Corona-Beschränkungen. Draußen in dem Bauwagen und Garten von Fritz Fuchs ist Social Distancing meistens kein Problem. Da sind Sie mit dem Hund Keks alleine. Werden derzeit „Löwenzahn“-Folgen gedreht?
Es ist schön zu sehen, dass unsere Illusion perfekt scheint. Wir haben für unsere Aufnahmen natürlich in der Regel einen Regisseur, einen Regieassistenten, Kamerafrau, Kameramann und Kameraassistenten, Tonmeister, Tonangler, Continuity, Innenausstatter, Tiertrainer, Beleuchter. Hups, schon wäre der Bauwagen voll, obwohl ich nur mit Keks im Bild bin. Wir haben also coronabedingt genauso Pause wie alle anderen. Da wir aber im Vergleich zu vielen Produktionen ein kleines Team beschäftigen, besteht die Hoffnung, dass wir dieses Jahr noch drehen können.
Es geht in der Kindersendung um Themen wie Glück, Toleranz, Sprache oder auch Architektur und Bakterien. Aber bei allem Unterschiedlichen und Lehrreichen in „Löwenzahn“ – Sie machen das jetzt 14 Jahre, immer am gleichen Ort, gleichen Set.
Das Hauptmotiv haben wir ja bereits schon einmal verlegt und drehen jetzt in Hennigsdorf, vor den Toren Berlins. Das war schon mal ein gelungener Wechsel, denn wir sind sehr nett von allen Nachbarn aufgenommen worden. Aber wir drehen ja nicht nur am Bauwagen, sondern sind immer themenorientiert unterwegs. In der Natur, da sich viele unserer Folgen um Tiere oder Biotope ranken. Da gibt es wenig Eintöniges.
Würden Sie auch privat in so einem Bauwagen wohnen können? Steckt in Ihnen auch ein „Sachensucher“, eine „erwachsene Pippi Langstrumpf“, wie es Herr Kluthe vom Ordnungsamt in der schönen Folge „Toleranz“ über Fritz Fuchs sagt?
Ich kann mir ein Leben im Bauwagen gut vorstellen. Aber würde ihn wohl gegen ein Segelboot tauschen und den Anker lichten, wann immer ich will.
Was noch wenige wissen: Sie waren ja vor Ihrem „Löwenzahn“-Start 2006 im „Ladykracher“-Team von Anke Engelke. Haben Sie die Entscheidung jemals bereut, die Rolle des Fritz Fuchs anzunehmen? Es hat Sie ja doch sehr auf die Rolle des lieben TV-Onkels oder großen Bruders für Kinder festgelegt. In anderen TV-Rollen habe ich Sie nicht gesehen.
Ich habe mich etwas an meinem Vorgänger orientiert und hatte nicht das Gefühl, das ihm was fehlt. Ich spiele ja auch noch Theater. Da kann ich mich ausleben und Rollen spielen, die nichts mit der Figur Fritz Fuchs zu tun haben. Ich freue mich aber immer wieder darauf, für Löwenzahn zu drehen.
Wie viel Wochen im Jahr drehen Sie denn am Bauwagen?
Zwischen zwölf und 16 Wochen plus Vor- und Nachbereitung.
Wenn Sie wünschen könnten: Was wäre eine Lieblingsrolle, abseits des Kinder-TV: Ein Schuft, ein Liebhaber, ein Abenteurer?
Jede Rolle, die ich gerade spiele, ist meine Lieblingsrolle. Insofern fehlt mir nichts. Diese Haltung habe ich schon, seitdem ich den Beruf ausübe.
Sie scheint wirklich nichts aus der Ruhe zu bringen. Sie wohnen in Köln. Werden Sie als „Fritz Fuchs“ oft auf der Straße von Kindern angesprochen? Wie reagieren Sie da?
Ich werde seltener angesprochen, als man denkt. Kinder sind selten Autogrammjäger. Zu einem Autogramm oder einem Selfie bin ich fast immer bereit, freue mich aber sehr, wenn man mich nicht gerade beim Essen anspricht.
Noch mal zu Pippi Langstrumpf. Die sagt: „Faul sein ist wunderschön! Dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hin zu schauen.“ Wenn das jetzt alle Kinder machen ... Für meinen Sohn hat Fritz Fuchs Vorbildfunktion.
Das hoffe ich doch sehr. Die Gelassenheit von Fritz ist mir persönlich auch ein Vorbild und hilft mir in diesen schweren Zeiten, entspannter zu bleiben.
Sie können natürlich nicht auf die andere Seite des Bildschirms gucken, aber die Welt Ihrer jungen Zuschauer hat sich in den vergangenen 15 Jahren rasant geändert. Stichwort Smartphone, Social-Media-Nutzung. Haben Sie das Gefühl, das Format müsste die Kinder anders abholen, anders ansprechen als 2006? Gibt es so was wie „Löwenzahn 2.0“?
Das ist wohl schon passiert. Jedenfalls gehen die Zahlen im Bereich des Streamens durch die Decke. Aber das klassische Fernsehen hat in den vergangenen Wochen doch auch wieder an Bedeutung gewonnen. Fritz hat mittlerweile ein Smartphone, Tablet und Laptop. Da sind wir mit der Zeit gegangen.
Kennen Sie das Durchschnittsalter der „Löwenzahn“-Fans? Ich habe gehört, dass da viel mehr Erwachsene zuschauen als bei der „Sendung mit der Maus“.
Wir orientieren uns schon am Grundschulalter. Das ist auch unsere Hauptzuschauer und -user-Gruppe, aber jede andere Altersgruppe bleibt herzlich willkommen. Ich sehe uns als Familienprogramm.
Man merkt das an den Themen. Diversity ist ja immer mehr eines, auch im Kinderfernsehen. Stereotypen von Jungen und Mädchen werden hinterfragt. Yasemin, engste Vertraute von Fritz Fuchs’ Freundin, wird von der iranisch-stämmigen Schauspielerin Sanam Afrashteh gespielt. Mir scheint, „Löwenzahn“ sind Multikulturalität und Diversity ein Herzensanliegen.
Na, die Themen sind uns natürlich sehr wichtig. Rund um den Bauwagen bleibt die Welt bunt. Auch das macht Bärstadt so sympathisch. Das zeigt sich in vielen divers besetzten Rollen, nicht nur bei dem Hauptcast.
Jetzt, zum 40-jährigen Jubiläum, durften Sie mit „Löwenzahn“ raus aus „Bärstadt“, nach Südafrika. Aber danach geht es zurück zum Bauwagen, draußen in „Bärstadt“, sprich Hennigsdorf. Wie ist das dort mit den Fans? Ich stelle mir das schwierig vor, Rufe in den Dreh: „He, Fritz!!“
Mittlerweile haben wir immer wieder Besucher am Set. Die gehen aber sehr respektvoll mit der Situation um. Wir sind ja dann alle in einem konzentrierten Arbeitsmodus. Aber wie gesagt, für ein Selfie oder ein Autogramm findet sich fast immer eine Lücke.
Wenn jemand regelmäßig vorbeikam oder am Zaun stand, war das Herr Paschulke, der Nachbar; gespielt von dem 2019 verstorbenen Helmut Krauss. Wie sehr vermissen Sie Herrn Paschulke? Eigentlich kann es da doch keinen Nachfolger geben.
In der wunderbaren, rührseligen letzten Folge, die wir im vergangenen Jahr gedreht haben, hat sich Helmut Krauss ja schon verabschiedet. Aber es hat natürlich keiner damit gerechnet, dass dieser Abschied so endgültig sein sollte. Sein Neffe David Paschulke übernimmt, der tauchte auch schon bereits mal auf. Zu viel will ich aber noch nicht verraten. No spoiling.
Zum Schluss, Herr Hammesfahr: 50 Jahre „Löwenzahn“. Darf ich Sie da in zehn Jahren wieder einplanen?
Diese Frage ist für mich schwer zu beantworten. Ich weiß ja nicht, ob Sie dann noch in Ihrem Beruf arbeiten.