Amazon-Serie "Good Omens": Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt
Roman wird Streaming-Serie: Amazon Studios verfilmt „Good Omens“ von Neil Gaiman und Terry Pratchett.
Schon die Story der Verfilmung ist eine Story. 1990 hatten zwei Großmeister der Fantasy-Literatur, Terry Pratchett und Neil Gaiman, ihren gemeinsam geschriebenen Roman veröffentlicht: „Good Omens“. Der Bestseller sollte Kinoknüller werden. Diverse Regisseure und Drehbuchautoren wurden herangezogen, umsonst, auch 2002, als Terry Gilliam für die Verfilmung Johnny Depp und Robin Williams gewinnen konnte und doch an der Finanzierung scheiterte. Neun Jahre später wurde eine Fernsehserie angekündigt – dabei blieb es.
2015 starb Terry Pratchett. Seinem Freund Neil Gaiman hatte er hinterlassen, nur er könne sich an eine endlich erfolgreiche Adaption machen. Noch am Tag der Beerdigung von Pratchett setzte sich Gaiman ans Drehbuch. Bei der Verfilmung seines Romans „American Gods“ als Amazon Original hatte er erleben können, dass Fantasy – vertrackt, mit mehreren Ebenen, wilden Sprüngen und einer erratischen Weltsicht – ihre überzeugende Bild-und-Ton-Sprache finden kann. Gaiman nutzte für die sechsteilige Serie „Good Omens“ den kompletten Roman, durchaus in der Überzeugung, dass sie mit Co-Autor Pratchett um „17 Prozent lustiger“ geworden wäre, wie er bei der Premiere in London sagte. Amazon hatte Journalisten aus aller Welt eingeladen.
Neil Gaiman agiert zum ersten Mal auch als Showrunner und Executive Producer der Produktion, die BBC Studios, die von Pratchetts Tochter geführte Firma Narrativa und den Online-Giganten zusammengebracht hat. Amazon hat mit Gaiman einen Overall Deal abgeschlossen. Was immer der Autor in den kommenden Jahren für das (Streaming-)Fernsehen schreiben wird, muss er zuerst Amazon anbieten. Mit solchen Verträgen versucht nicht nur dieses Studio, sich im immer härteren Wettbewerb um attraktiven Content Exklusivität zu sichern, sagte Georgia Brown, Director of European Original Series for Prime Video.
Very british
„Good Omens“ ist eine zutiefst britische Produktion. Alle sechs Folgen inszeniert hat Douglas Mackinnon („Dr. Who“, „Sherlock“), über wesentliche Regiearbeiten mit dem Hauptcast verbunden: David Tennant („Dr. Who“), Michael Sheen („Masters of Sex“), Benedict Cumberbatch („Sherlock“); Adria Arjona, Josie Lawrence, Miranda Richardson, Michael McKean sind wie „Mad Men“ Jon Hamm weitere Größen im Ensemble.
Sheen und Tennant stülpen den Stoff über ihre zentral agierenden Figuren. Michael Sheen spielt den Engel Erziraphael, David Tennant Dämon Crowley. Die Repräsentanten von Himmel und Hölle sind ein ungleiches Duo, seit der Entstehung der Erde haben sie sich nicht aneinander gewöhnt, sie haben sich ans Leben auf der Erde und mit den Erdlingen gewöhnt. Erziraphael ist pingelig, ein Büchernarr, ein Feinzüngler, Crowley liebt es locker, er agiert aus dem Hüftschwung heraus. Aber jetzt geht es für beide um alles. Sie müssen als eine Allianz Armageddon verhindern. Dringend gebraucht wird der Antichrist – aber wo steckt der? Bei der Geburt wurde er vertauscht. Engel und Dämon stürzen sich in die Suche. Die Apokalypse ist eine Party und jeder ist eingeladen.
Die Leser von „Good Omens“ werden schnell Orientierung finden, die Adaption folgt treu den Grundlinien der Vorlage. Für alle anderen gilt: Augen und Ohren auf, „Good Omens“ ist ein wilder, komödiantisch bis satirisch angelegter Ritt durch Zeiten, Sphären, Jahrhunderte, durch Fantasy und Fiktion und Realität. Monty Python per Anhalter durch Himmel und Hölle auf Erden unterwegs? So oder zumindest so ähnlich.
Gaiman erzählte, die Verlagerung der Handlung von 1990 nach 2018 sei unkompliziert gewesen. Die Themen seien in Zeiten jedweder Polarisierung unverändert aktuell: Frieden ist besser als Krieg, Reden besser als Schießen, das Klima bedrohter denn je. So gesehen, hätte der Roman „Good Omens“ auch den Titel „Bad Omens“ bekommen können.
Enorme Schauwerte
Die Produktion ist in sich verknallt. Welches Gewerk auch immer, Kostüm- oder Bühnenbild – „Good Omens“ ist verschwenderisch in seinen Mitteln und Möglichkeiten. Erzengel Gabriel (Jon Hamm) schwebt mit seinem Stab schon mal durch eine Apple-weiße Büro-Epidemie, der Buchshop von Engel Erziraphael wirkt bis auf das letzte Staubkorn echt – die Production Values von „Good Omens“ sind enorm.
Engel und Dämon haben einander, sie brauchen einander, vielleicht ist Erziraphael auf eine platonische Manier auch in Crowley verliebt. Michael Sheen sagte beim Pressegespräch, er habe sich zunächst mit der Frage schwergetan, wie man einen Engel spielt – die Antworten aber im Drehbuch und im Zusammenspiel mit David Tennant gefunden. Dessen Crowley denkt, er sei Mick Jagger. „Denkt er wirklich“, betonte Tennant. Der Dämon präsentiert, weil er seine Katzenaugen verbergen muss, eine respektable Kollektion an Sonnenbrillen. Jon Hamm zeigt seinen Erzengel Gabriel als den „Boss, den jeder hasst“. Immer lächelnd, immer soft, ein Dauerlober, ein Frühstücksdirektor, der jede Verantwortung inklusive Schuldfrage delegiert.
All das fließt unter der pointierten, „Dr. Who“-ischen Regie von Douglas Mackinnon in eine kreative Vision, die der bemerkenswerte Einsatz von Amazon Studios möglich gemacht hat. „Good Omens“ ist ein Sechsstundenfilm und der nächste Beleg dafür, dass sehr gutes Streaming-TV und sehr gutes Kino auf einer Qualitätsebene agieren.
Wann die Apokalypse kommt? Am Samstag, vor dem Abendessen.
„Good Omens“, sechs Folgen, ab Freitag bei Amazon Prime Video.
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität