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Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff soll in Verbindung mit dem Korruptionsskandal rund um die Erdölgesellschaft Petrobras gebracht werden.
© dpa

"Globo"-Mediengruppe: Halbwahrheiten und Lügen in Brasilien

Brasiliens Medien machen Präsidentin Dilma Rousseff den Prozess. Expräsident Lula springt ihr zur Seite.

Der brasilianische Ex-Präsident Lula da Silva spricht im Zentrum Rio de Janeiros zu rund 10000 Menschen. Sie protestieren gegen das Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Dilma Rousseff. Lula greift in seiner Rede die brasilianischen Medien an, allen voran die Globo-Gruppe.

Mit 122 Fernsehstationen, mehr als 80 Radiosendern, 15 Zeitschriften und vier Tageszeitungen ist Globo der größte Medienkonzern Brasiliens. Sein Netz aus Fernsehsendern ist das zweitgrößte der Welt. Jeden Tag wird Globo TV von 91 Millionen Menschen eingeschaltet – die Hälfte der brasilianischen Bevölkerung. Seit ihrer Gründung 1925 wird die Globo-Gruppe von der Industriellenfamilie Marinho kontrolliert.

In seiner Rede beschuldigt Lula die Marinhos, das Impeachment gegen Präsidentin Rousseff aktiv voranzutreiben. „Globo ist jede Lüge recht“, ruft er mit heiserer Stimme, „sie stecken mit den alten Eliten unter einer Decke“. Die Menge skandiert „Das Volk ist nicht dumm – Globo muss fort!“ Neben der Bühne hängt ein großes Plakat: „Globo raus!“ In der Berichterstattung der Globo-Medien taucht davon nichts auf.

Die Demonstration für Rousseff wird unter ferner liefen behandelt. Ganz im Gegensatz zu den Protesten gegen sie. Diese begleitet Globo stets ausführlich. Auch unter neutralen Beobachtern herrscht mittlerweile Konsens, dass die Massenmedien in Brasilien das Impeachment gegen Dilma Rousseff nicht nur befürworten, sondern antreiben.

kommunikationsunfähig, ja - verbrecherisch, nein

Tatsächlich haben Globo und andere Medien zuletzt alles darangesetzt, die Präsidentin in Verbindung mit dem Korruptionsskandal rund um die Erdölgesellschaft Petrobras zu bringen. Doch Dutzende Ermittler und Journalisten haben ihr in monatelanger Arbeit kein kriminelles Verhalten nachweisen können. Rousseff mag eine miserable, weil kommunikationsunfähige Präsidentin sein. Doch ein Verbrechen kann man ihr nicht anlasten. So müssen nun Haushaltstricks als Begründung herhalten.

In dem Wissen, dass dies ein denkbar schwaches Motiv für einen so gravierenden Eingriff in die junge brasilianische Demokratie ist, überhäufen die Medien sie mit Gerüchten, Halbwahrheiten und Lügen. Es ist nichts Schlimmes dabei, dass die Globo-Kommentatoren ununterbrochen erklären, dass es nur eine Verantwortliche für die aktuelle Misere Brasiliens gebe: Rousseff. Dazu sind Meinungsbeiträge schließlich da. Erschreckend ist vielmehr die Manipulation des restlichen Programms.

Da werden in den Abendnachrichten 14 Minuten darauf verwandt, über ein abgehörtes Telefonat zwischen Rousseff und Lula da Silva zu spekulieren. Doch einer Liste des Baukonzerns Odebrecht widmet man nicht einmal zweieinhalb Minuten. Auf der Liste stehen die Namen von 200 Politikern aller Parteien, die möglicherweise Schmiergelder erhalten haben. Dilma Rousseff ist nicht darunter. Stattdessen aber Oppositionsführer Aecio Neves.

Die Liste verschwand ebenso schnell in der medialen Versenkung, wie sie aufgetaucht war. Auffällig ist, dass den vielen Korruptionsvorwürfen gegen Aecio Neves in den brasilianischen Medien nie nachgegangen wird. Auch Vizepräsident Michel Temer wird mit Samthandschuhen angefasst.

Schlechte Noten von Reporter ohne Grenzen

Sollte Rousseff abgesetzt werden, würde er der nächste Präsident. Globo berichtet ausführlich über das Wirtschaftsprogramm des vermeintlichen Retters der Nation. Zur Medienfront gegen Rousseff gehören auch die größte Zeitung des Landes, „Folha de S. Paulo“, sowie die größte Zeitschrift „Veja“. Woche für Woche agitiert das Blatt gegen Rousseff und Lula da Silva.

Die parteiische Berichterstattung hat die Polarisierung der brasilianischen Gesellschaft extrem beschleunigt. Auch von links wird mit unlauteren Mitteln gearbeitet, insbesondere in Internetportalen, die mit der Arbeiterpartei verbunden sind. Dort werden die Teilnehmerzahlen von Pro-Dilma-Demos verzehnfacht und jeder Befürworter des Impeachments als „Putschist“ diffamiert. Die Polarisierung hat dazu geführt, dass viele Brasilianer nur noch ausländischen Medien vertrauen, die differenzierter und ausgewogener berichten.

Wie schlecht es um die brasilianischen Medien steht, zeigt der Pressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen. Brasilien landet auf Rang 104. Ein Grund für das schlechte Abschneiden: „Der Medienbesitz ist stark konzentriert, speziell in den Händen großer Industriellenfamilien, die oft mit der politischen Klasse verbandelt sind.“

Dilma Rousseff hat vor langer Zeit eine Reform zur Demokratisierung der brasilianischen Medienlandschaft vorgeschlagen. Globo bekämpfte sie mit aller Macht. Und mit Erfolg. Das Hauptargument des Monopolisten: Die Pressefreiheit werde bedroht.

Philipp Lichterbeck

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