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Als Königin Beatrix verkleidet fuhr Hape Kerkeling 1991 in Schloss Bellevue vor.
© dpa

Hape Kerkeling wird 50: Großer Künstler der kleinen Form

Als Königin Beatrix fuhr er am Schloss Bellevue vor, als sympathischer Schmuddel-Reporter Horst Schlämmer "hat er Rücken": Entertainer Hape Kerkeling wird 50. Eine Hommage.

Wie es allmählich üblich wird, fand die Geburtstagsgala für Hape Kerkeling im Fernsehen längst statt – mehr als eine Woche vor dem tatsächlichen Datum. „Keine Geburtstagsgala“ nannte das ZDF die Sendung. Sie war in Teilen die Parodie einer Gala, was natürlich erst recht die Größe des Gefeierten zeigen sollte. So ganz ging die Idee nicht auf – die Show blieb mittelgroß. In mehreren Rollen spielte der Geehrte selbst mit, es gab Ausschnitte früherer Auftritte und Hans-Peter Kerkeling besuchte die Orte seiner Jugend, an denen er erzählte, was er auch schon anderswo über sich erzählt hatte.

Eine Figur aber spielte Hape Kerkeling mit Inbrunst: eine sehr patriciariekelhafte Boulevardjournalistin mit stämmigem Selbstbewusstsein. Jedes Stichwort nahm sie gierig auf, um den gefragten ,Promi’ Kerkeling flugs einzupassen in das ihr bekannte Schema der Vorurteile: Aha, ein trauriger Clown oder doch ein Gehetzter im Hamsterrad des Humors? So will und so darf Kerkeling nicht interpretiert werden.

Kerkelings Parade-Faxen: Königin Beatrix, Hurz!, Horst Schlämmer

Würde man es sich einfach machen, so wäre Hape Kerkeling nur der Junge geblieben, der gerne Faxen macht. Aber was für Faxen sind das? An der Gala-Sendung, die keine sein wollte, war besonders interessant, was nicht vorkam. Natürlich war da Beatrix, nicht aber der Auftritt Kerkelings, in dem er mit einfachen Verständnisfragen die Bundespressekonferenz aufmischte. Es mögen rechtliche Gründe gewesen sein, aber nichts kam vor von dem, was einst auf Sat 1 unter dem irreführenden Namen „Darüber lacht die Welt“ lief. Damals sahen wir, wie Profi-Fußballer aus Graz, kopfschüttelnd zwar, aber brav den völlig abstrusen Anweisungen ihres angeblich neuen litauischen Trainers Folge leisteten. Als hochdekorierter Polizeipräsident aus einem südamerikanischen Land hielt Kerkeling in einer Polizeischule eine diktaturfreundliche Rede und verführte die aufmerksam lauschenden Mitschüler danach zu einer krachenden Polonaise.

Was wir hier erlebten, waren immer Köpenickiaden, Spiele mit der Autorität. Damals war auch der Auftritt Kerkelings als Königin Beatrix viel stärker, als es heutige Rückblicke zeigen. Nicht anders funktioniert „Hurz!“. Diese Parodie kann in simpler Lesart rezipiert werden: Was für eine blöde Scharlatanerie ist doch die moderne Kunst. Tatsächlich aber macht sich „Hurz!“ auch über die Kunstehrfurcht des durchschnittlichen Spießers lustig. Hätten wir vielleicht auch andächtig die „neue Formensprache“ zu verstehen versucht, wären wir zufällig in diesem Konzert gewesen? Mit dieser Frage werden wir konfrontiert. Kerkeling war nie ein fanatischer Enthüller, der anderen die Maske vom Gesicht reißt – aber er ist ein Aufklärer, der zur Auseinandersetzung zwingt.

In seiner ersten Frankfurter Poetikvorlesung hat der Schriftsteller Daniel Kehlmann dem Publikum ein seltsam quer zueinander stehendes Pärchen vorgeführt, das typisch sei für die Bundesrepublik im Jahre 1959: Peter Alexander und Ingeborg Bachmann. „Unter Mördern und Irren“ ringt sie um Worte, während er – ebenfalls Österreicher und nur fünf Tage jünger – irre lustig ist und „in panischer Verkrampfung Harmlosigkeit einfordert“. Mit seinen dummen Späßen, sagt Kehlmann, ist Peter Alexander allzu hektisch bemüht, die aufbrechenden „Gespenster und Echos“ der Vergangenheit schnell zu überspielen.

Über Kerkelings Witze dürfen auch stirnrunzelnde Intellektuelle lachen

Was wäre nach einem solchen Ansatz Kerkeling, wenn wir annehmen, dass sich auch in ihm die Bundesrepublik selbst begegnet? Anders als in der Generation Peter Alexanders ist seine „Witzischkeit“ geläutert. Er und sein Publikum wissen um die Abgründe, die Verführbarkeit durch Autoritäten, wollen aber dennoch oder jetzt erst recht die Versöhnung. Über Kerkelings Klamauk, der die „kleinen Leute“ immer in Schutz nimmt, darf auch der stirnrunzelnde Intellektuelle guten Gewissens lachen.

Nach dem allzeit freundlichen und sanft esoterischen ersten Bestseller „Ich bin dann mal weg“ erzielt Hape Kerkeling auch mit seinem zweiten Buch („Der Junge muss an die frische Luft“)große Resonanz. Es ist gespickt mit verdaulichen, konsensstiftenden Lebensweisheiten. Den Kern aber bildet die anrührende Geschichte vom kleinen Hans-Peter, der in größter Nähe hilflos den Tod seiner Mutter miterleben musste. Jetzt hat der Drang zur Unterhaltung eine auch biografisch beglaubigte Tiefe bekommen. Vielleicht verzeiht man Kerkeling deswegen auch, wenn ihm manches abkippt ins allzu Idyllische. Gerne greife er richtig in den „Kitschtopf“, bekannte Kerkeling in der ZDF-Sendung und grundierte auch seine Affinität zum Schlager mit der Erinnerung an seine Mutter, die gerne Sängerin geworden wäre. Mit viel Aufwand arbeitete Kerkeling an der Schlager-Diva Uschi Blum, einer Art aufgepumpter Andrea Berg, die er sogar bei „Wetten, dass..?“ liebevoll in Szene setzte.

Populär aber wurde vor allem Horst Schlämmer. Das ist die Karikatur eines immerzu Scheiternden, der sich mit Größenwahn und Selbstüberschätzung wappnet, um einigermaßen unbeschadet durch das ihn überfordernde Leben zu stolpern. Genau besehen ist Horst Schlämmer natürlich eine Knallcharge. In der kleinen Form der Sketche und Szenen, in Auftritten bei „Wer wird Millionär?“ und selbst noch in der VW-Werbung geht er uns als zuwendungsbedürftiger Kleinbürger „mit Rücken“ dennoch nahe.

Kerkelings Humor: Melancholisch, liebevoll, genau

Zu seinem Geburtstag wurden auf ZDFneo erneut Kerkelings Langfilme ausgestrahlt. „Horst Schlämmer – Isch kandidiere“ bestätigt den Eindruck, den schon „Samba in Mettmann“ (2004) hinterließ. Kerkeling ist ein vielseitiger Entertainer und eleganter Gastgeber, mit nun 50 Jahren auch ein gelassen wirkender Interpret seiner selbst. Ein deutscher Woody Allen aber ist Hape nicht geworden. Die große Erzählung, den überzeugenden Kinofilm hat er nicht hervorgebracht. Kerkeling kann beides – Bosheit und Biedermeier. „Horst Schlämmer – Isch kandidiere“ bleibt dazwischen hängen. Gags werden langatmig vorbereitet, Klamauk überdeckt Kritik, weder greift der Film die saturierte Politik an, noch forderte er uns heraus, weil doch eigentlich jeder ein Politiker sein sollte. Dieser Film passt zu einem Land, das zwar durch und durch aufgeklärt und liberal, aber auch desillusioniert und pragmatisch geworden ist; das keine Kontroversen liebt und keinen Aktivismus.

Kerkelings Humor ist zu melancholisch, um ausschließlich Klamauk zu sein; zu genau, um Abgründe zu übertünchen; zu liebevoll für Arroganz. Obwohl er inzwischen als Bestseller-Autor reüssiert, ist und bleibt Hape Kerkeling aber ein großer Künstler der kleinen Form.

Bernd Gäbler

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