zum Hauptinhalt
Die NSA-Zentrale in Maryland.
© The Intercept

Online-Journalismus: Glenn Greenwald und "Das Abhören"

Glenn Greenwald, seines Zeichens Enthüllungsjournalist Nr.1, will mit seinem Portal „The Intercept“ zur führenden Seite des investigativen Journalismus werden. Ein Konzept mit Zukunft?

Wer hier der Star ist, zeigt sich auf den ersten Blick: Glenn Greenwald, der US-Enthüllungsjournalist, hat seine eigene Rubrik auf dem Portal „The Interecpt“, während die anderen elf Autoren in der Kategorie „Mitarbeiter“ aufgelistet sind, selbst Greenwalds engste Mitstreiter Laura Poitras und Jeremy Scahill. Dass Greenwald so prominent platziert ist, hat seinen Grund: Ohne ihn würde es das Portal wohl gar nicht geben.

„The Intercept“, was übersetzt „Das Abfangen“ oder „Das Abhören“ bedeutet, soll eine der führenden Seiten für investigativen Journalismus werden. Greenwald ist bereits einer der weltweit führenden Investigativreporter, seit er die Dokumente des US-Whistleblowers Edward Snowden zum NSA-Abhörskandal veröffentlicht hat. Ebay-Gründer Pierre Omidyar hat ihn deshalb für sein neuestes Medienprojekt verpflichtet. Seit Montag ist „The Intercept“ online – doch die erste Bilanz nach knapp einer Woche zeigt: Das Konzept ist noch ausbaufähig.

Gestartet ist das Portal – wie zu erwarten – mit einer weiteren Enthüllung über den NSA-Skandal. US-Geheimdienste würden sich bei der Auswahl ihrer Angriffe mit Drohnen stark auf die Ergebnisse elektronischer Überwachung verlassen, heißt es in dem ersten Artikel. Diese Praxis führe dazu, dass immer wieder unschuldige Menschen sterben würden. US-Regierungsvertreter bezeichneten den Bericht als irreführend. Zahlreiche Medien berichteten, der Auftakt von „The Intercept“ ist damit gelungen.

Seither tut sich auf der Seite allerdings recht wenig. In einem weiteren Text wurden beispielsweise Bilder des Fotografen Trevor Paglen von Überwachungsstationen wie der NSA-Zentrale in Maryland veröffentlicht, die bereits bekannt waren. Greenwald schrieb über US-Geheimdienstdirektor James Clapper und dessen Vorwurf, dass die Snowden-Veröffentlichungen Terroristen unterstützten, worüber bereits „Wired“ berichtet hatte.

Recherche braucht Zeit

Sicher, nicht jeden Tag kann und muss „The Intercept“ einen großen Scoop bieten. Investigative Recherche braucht Zeit, Zeit, die viele Journalisten im digitalen Zeitalter oft nicht mehr gegeben wird. Und Geld. Finanzier Omidyar will durch seine Investitionen von 250 Millionen US-Dollar „furchtlosen“ Investigativjournalismus möglich machen, Greenwald hat für diese neue Aufgabe seine Zusammenarbeit mit der britischen Zeitung „The Guardian“ aufgegeben.

Um allerdings dauerhaft relevant zu bleiben, kann sich „The Intercept“ nicht allein auf die Snowden-Enthüllungen verlassen. Um eine breitere Zielgruppe anzusprechen, muss das zwölfköpfige Team auch in anderen Bereichen wühlen. Das wissen die Macher, die auch Themen wie Korruption, Justizmissbrauch und soziale Ungleichheit auf der Agenda haben. Auch Omidyar hat bereits angekündigt, im Laufe des Jahres mit seinem Verlag First Look Media weitere Online-Magazine zu allen gesellschaftlichen Bereichen von Unterhaltung bis Sport zu realisieren.

Mit seinem Anliegen, den für eine Demokratie überlebenswichtigen Journalismus privat zu fördern, findet Omidyar weitere Nachahmer. Erst diese Woche kündigte der frühere Chefredakteur der „New York Times“, Bill Keller, an, zum 1. März selbst ein Investigativportal zu starten. „The Marshall Project“ ist bereits online und will sich auf das amerikanische Justizwesen konzentrieren. Dafür soll „das Beste aus dem alten und neuen Journalismus“ kombiniert werden, wie es in einer ersten Ankündigung auf der Seite heißt. Finanziert wird „The Marshall Project“ von Neil Barsky, einem früheren Hedge-Fonds-Manager und „Wall Street Journal“-Reporter.

Die bereits zweimal mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete, ebenfalls Non-Profit-Stiftung ProPublica hat bereits vorgemacht, wie erfolgreich solche neuen journalistischen Organisationsformen arbeiten können.

Doch so innovativ das Konzept eines unabhängigen Investigativportals ist, so unspektakulär ist bisher die Optik von „The Intercept“. Die Seite ist auf eine einfache Blog-Anmutung reduziert, als ob nichts von den Texten ablenken soll. Dabei bietet das Netz so viel mehr Wege für digitales Storytelling, wie sie auch „The Marshall Project“ nutzen will. Hier können Glenn Greenwald und sein Team noch mehr wagen, ohne dass ihre Recherchen an Relevanz verlieren.

Zur Startseite