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Schweigen und genießen. Wladimir Putin ist in seiner Macht nicht angreifbar.
© ZDF und David Lemarchand

Unzulängliche ZDF-Doku über Wladimir Putin: Gib und nimm

„Putin und die Mafia“ oder warum es sinnlos ist, über den Reichtum des Kremlchefs zu spekulieren.

Es wurde schon oft versucht, die Kriminalgeschichte vom Aufstieg des Geheimdienstoffiziers Wladimir Putin zu erzählen. Die Dokumentation „Putin und die Mafia“, derzeit in der Mediathek des ZDF und vom Sender selbst als die erste gründliche Untersuchung angepriesen, ist einer der hilflosesten Versuche. Zugleich zeigt die französische Produktion exemplarisch, warum und woran Dokumentationen über Putins kriminelle Machenschaften zwangsläufig scheitern müssen.

Indizien führen bis an den russischen Präsidenten heran, doch dann kommen die Konjunktive: könnte, offenbar, mutmaßlich, vielleicht, angeblich, haben soll, zu sein scheinen. Plausibel ist vieles, immer aber fehlt der schlagende Beweis. Umso sorgfältiger und detaillierter müssten die Recherchen der Autoren bis zu diesem Punkt geführt werden. Doch die ZDF-Doku ist von einer erschreckend fahrlässigen Oberflächlichkeit.

Die Autoren Nicolas Tonnev und Anastasia Kirilenko präsentieren alte Geschichten. Putin hat sie längst ohne Kratzer überstanden. In den 90er Jahren, als Putin in St. Petersburg für dubiose Tauschgeschäfte mit dem Ausland und die Erteilung von Gewerbegenehmigungen im wilden Kapitalismus jener Jahre zuständig war, wurde es noch eng. Da wurde sogar ein Untersuchungsausschuss eingerichtet. Der ZDF-Film präsentiert einen Abgeordneten, der damals dabei war. Er darf ein paar Faksimiles in die Kamera halten, ein paar Eindrücke schildern. Schnell ist die Episode vorbei. Es gibt keine Trennung der Spekulationen von den wasserdichten Fakten.

Putin selbst hat, als er dann Präsident war, alle weiteren Untersuchungen verhindern lassen. Wladimir Milov, ehemals Vize-Energieminister, wäre ein guter Zeuge gewesen. Doch er muss Suggestivfragen beantworten: „Würden Sie das als Kleptokratie bezeichnen?“ – „Für mich ist es das.“ Auch der Milliardär-Cellist aus den Panama-Papers hat seinen Auftritt. Dubios der Mann, plausibel die Annahme, er sei einer von Putins Vermögensverwaltern. Plausibel, mehr aber auch nicht.

Wem gehört die Sotschi-Residenz?

Gar nicht gut tut es dem Film, dass er die Sotschi-Residenz Putins mit hineinmischt. Es wird der Eindruck erweckt, sie sei sein persönliches Eigentum („wie kann er sich das leisten, von 150 000 Euro Jahresgehalt?“). Das aber führt in die Irre. Dieser Palast ist aus einem ganz anderen Grund ein Skandal. Die eine Milliarde Euro, die er gekostet hat, wurden aus dem Etat für das durch und durch marode russische Gesundheitssystem herausgezogen, was russische Journalisten schon vor Jahren aufgedeckt haben.

Am Ende belegt der Film nicht den kriminellen Charakter des Systems Putin. Er bedient wegen seiner Angreifbarkeit vielmehr den Verdacht, Anschuldigungen gegen den Präsidenten seien mehr oder weniger aus der Luft gegriffen und beruhten auf Behauptungen von Zeugen, denen man glauben kann – oder auch nicht.

Putin führt Russland durch das 21. Jahrhundert nach einem altrömischen Grundsatz: „Do ut des“. Seine Getreuen lässt der Präsident gewähren, er hat sie zu Milliardären gemacht – was sie ihm mit Loyalität zurückzahlen. Natürlich ist Putin nicht zu kurz gekommen – wahrscheinlich, mutmaßlich, mit einiger Sicherheit. Die Dokumentation behauptet als Fazit, Putin müsse an der Macht bleiben, weil sonst alles ans Licht käme. Warum? Bei der Ablösung von Boris Jelzin haben die russischen Eliten den Übergang von einer kleptokratischen Kaste zur nächsten doch auch vertraglich lösen können. Jelzins Schwiegersohn Valentin Jumaschow ist noch heute Putin-Berater und hat ein Büro im Kreml, um über die Interessen der Jelzin-Erben zu wachen. Eine solche Rolle traut man auch der geschäftstüchtigen Putin-Tochter Katarina zu. Frank Herold

„Putin und die Mafia“, ZDF-Mediathek

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