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Nicht nur Blogger und Investigativjournalisten, auch ehemalige Mitarbeiter von Wirecard erzählen die Geschichte vom gestürzten Fintech-Darling made in Germany.
© Sky

Doku über Wirecard: Geld, Gier und Gespenster

„Wirecard“: Eine tiefgehende Dokumentation bei Sky über eine Milliarden-Lüge, an die (fast) jeder glauben wollte..

Wer wollte, der konnte sich über den Wirecard-Skandal schon breit informieren. Wie auch anders, Aufstieg und Fall des Fintech-Darlings aus Aschheim bei München, des Höher-weiter-schneller-DaxMitglieds, der endlich deutschen Antwort auf US-amerikanische Tech-Giganten – ein sagenhafter medialer Stoff.

[„Wirecard – Die Milliarden-Lüge“, im Stream bei Sky Ticket, on demand bei Sky Q, linear bei Sky Crime ab Donnerstag]

Und doch ist längst nicht alles bekannt, da Gründer Markus Braun in Haft sitzt und sich unverdrossen als Opfer sieht, seine rechte Hand Jan Marsalek irgendwo im Nirgendwo untergetaucht ist, die Aufsichts- und Kontrollbehörden von der Bafin bis zur Münchner Staatsanwaltschaft mehr zum Beschweigen als zur Aufklärung beitragen. Dieser Wirtschaftskrimi ist nicht auserzählt.

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Aber um ein gewichtiges Kapitel reicher: die Dokumentation „Wirecard – Die Milliarden-Lüge“, hergestellt von der Sperl Film und Fernsehproduktion in Zusammenarbeit mit Babka, im Auftrag von Sky und der ARD in Kooperation mit Arte. Das Pay-TV Sky hat die Dokumentation vom 20. Mai zum Abruf bereit, das Erste plant die Erstausstrahlung im Free-TV für November.

Kraft des Dokumentarischen

Benji und Jono Bergmann haben für die 136 Minuten die Bücher geschrieben und sie inszeniert. Ihre Leuchtspur ist die Kraft des Dokumentarischen, des Langsamen, des Analytischen, aus den Wirkkräften, Faktoren und Personen, die diesen gigantischen Betrug möglich gemacht haben. Ihre Perspektive ist die der zahlreichen Davids, die den Goliath gegen zahlreiche Widerstände zu Fall gebracht haben: Da ist der Wirecard-süchtige Blogger JihaJig, das Duo aus Mutter Evelyn und Sohn Pav Gill, ehemals Senior Legal Counsel bei WC und dann mit seiner Mutter die wichtigsten Whistleblower für die Journalisten von „Zeit“, „Wirtschaftswoche“ und „Financial Times“; nicht alle, die sich vor die Kamera setzen, sind reine Helden, die früheren Manager wie Jörn Leogrande oder Michael Schütt haben Millionen verdient, es wird deutlich, dass sie von Geld und Gier mindestens so getrieben waren, wie sie Lug und Trug akzeptiert hatten. Der Erfolg, der sich an der Entwicklung des Aktienkurses wie ein roter Faden durch die Produktion zieht, hatte viele Profiteure, auf der anderen Seite Menschen, die bedroht, verfolgt, von staatlichen Stellen angeklagt, mit Hetze und Häme überzogen wurden.

Obskures Finanzsystem

Die Protagonisten von „Wirecard – Die Milliarden-Lüge“ sind durchgängig die Gegenspieler zu den Brauns und Marsaleks dieses obskuren, undurchsichtigen Finanzsystems. Ihnen, den Aufrechten, den Journalisten, den Mutigen, den Zivilcouragierten, denen, die aus der Mitmach- in die Verräter- und damit in die Aufklärerrolle wechselten, setzt die Dokumentation kleine Denkmäler. Die anderen, die Masterminds und Narzissten, die Wegschauer in Bafin, Staatsanwaltschaft und Wirtschaftsprüfungsunternehmen werden nicht vergessen, nur bleiben sie Schemen, keiner aus diesen Kreisen konnte/wollte/durfte vor die Kamera.

Statt „die Geschichte der Verantwortlichen“ zu erzählen, habe man sich ganz bewusst für „eine Heldengeschichte“ entschieden, sagte Marcus Ammon von Sky. Protagonisten sind demnach vor allem Blogger, Whistleblower und Journalisten, „die sich in den Wind gestellt haben“ und „sich gegen viel Spott und Häme zur Wehr setzen mussten“.

Einsamer Misserfolg

Wie das eben so ist: Der Erfolg kennt viele Väter und Mütter, der Misserfolg ist sehr einsam. Der Traum Wirecard, der durchaus real war und zugleich auf der bloßen Erzählung und Erfindung von Geld basierte, war zu großartig, da durften sich rauschhafter Höhenflug und ökonomische Realität auf irrationale Weise entkoppeln. Zuweilen beschleicht den Zuschauer das Gefühl, die Manager seien von ihrer eigenen Wahrheit gefangen gewesen, es sollte sein, was nicht sein konnte. Die Geschichte von Wirecard ist auch die Geschichte vom unersättlichen Streben nach Mehr, unterlegt von Korruption, Gier und krimineller Energie.

Das alles suchen die mehr als 130 Minuten plastisch, begreifbar zu erzählen. Betroffene, Involvierte berichten, möglichst an den Schauplätzen ihres Tuns, wenige Akten, wenig Papier, wenig Digitales wird bewegt, Schaubilder gibt es nur, wenn sie das Geflecht des Geschäfts erhellen sollen. Die Machart der Dokumentation ist nicht algorithmisch, sie ist menschlich, will zeigen, dass Wirecard, Aufstieg und Fall, von Menschen gemacht worden ist. Da liegt, bei allem Entsetzen, auch ein Gran Trost drin: Die Bösewichter sind nicht allein auf der Welt, wo ein Joker, da ein Batman.

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