"Die Simpsons" feiern Geburtstag: Gelb sei die Welt
Durchschnittlich, trivial, typisch amerikanisch: „Die Simpsons“ bevölkern seit 30 Jahren den globalen Fernsehschirm.
Wenn der Satz stimmt, dass jede kritische Fernsehserie nur so gut ist, wie die Kritik daran laut ist, dann sind „Die Simpsons“ sehr gut. US-Präsident George Bush mahnte 1992, die Amerikaner sollten „mehr wie die Waltons und weniger wie die Simpsons“ sein. Lehrer attackierten die Figur des Bart Simpson wegen seiner Haltung, gerne leistungsschwach und trotzdem stolz darauf zu sein; überhaupt – so eine Generalkritik – tauge die Familie nicht als Vorbild; der Republikaner Joseph R. Pitts machte Homer Simpson für den Niedergang der amerikanischen Vaterrolle verantwortlich.
Die Kritik an der böse-lustigen Zeichentrickserie, kreiert von Matt Groening, kommt vornehmlich aus der konservativen Ecke, umso bemerkenswerter, dass „Die Simpsons“ seit ihrem Start am 17. Dezember 1989 vom Fernsehsender Fox produziert und dort ausgestrahlt werden. Fox ist der televisionäre Vordenker, wenn nicht Vorbeter für das (rechts-)konservative Amerika. „Die Simpsons“ bleiben Programm bei Fox, auch wenn das Produktionsunternehmen des ausgesprochenen Donald-Trump-Unterstützers Rupert Murdoch an den Entertainment-Riesen Walt Disney verkauft wurde.
Durchbrechen der Erwartungshaltungen
Was aber der Chaos-Vater Homer Simpson (faul, vergnügungssüchtig und sicher nicht die hellste Leuchte am Christbaum), Mutter Marjorie „Marge“ (die moralfeste Seele der Familie), der Flegel Bart, die Streberin Lisa und Margaret „Maggie“ (erst ein Jahr alt, spricht das Wort „Ja“ mit norwegischem Akzent) zu bieten, respektive in den mehr als 700 Folgen aufs Korn genommen haben, das funktioniert nicht nach dem Links-/Rechts-Schema. Fitnessgurus, Waffennarren, Radikalfeministinnen, Fast-Food-Junkies – was immer auch den Alltag des American Way of Life beeinflussen, bestimmen mag, wird in den 22 Minuten einer Episode satirisch geschreddert. Nicht grobkörnig, sondern subversiv in in Gags und Meta-Gags, weder in glasklarem Kinder- noch im ausschließlichen Erwachsenen-Humor. „Die Simpsons“ positionieren sich zwischen den Polen und eindeutig nicht in der Mitte. Im Durchbrechen der Erwartungshaltungen liegen Anziehung und Attraktivität. Und weil die Prominenz aus Politik und Wissenschaft – der britische Premier Tony Blair oder Physiker Stephen Hawking – sowie Showbiz – Beatle Paul McCartney oder Schauspielerin Kim Basinger – als Cartoon-Alter-Egos auftauchte, es zahlreiche popkulturelle Bezüge wie die Dschungelszene aus „Apocalypse Now“ gab, ist auch das Publikum der Figuren divers.
Wieso tragen die Figuren gelb? Gelb sei ein bisschen wie ein Hautton und ein bisschen wie eine Hautfarbe, schrieb Autor Mike Reiss in seinem Buch „Springfield Confidential“. Warum nur vier Finger an jeder Hand? Figuren mit vier Finger sind einfacher und schneller zu zeichnen, damit auch kostengünstiger. Neun Monate arbeiten die Macher an einer Folge, steht der Plot, wird sie in Südkorea gezeichnet. Gott fällt da als Einziger raus, Gott hat fünf Finger.
Durchschnittlich, trivial, typisch
In den sonstigen Merkmalen ist alles auf Durchschnitt, Trivialität und einer für die gesamten USA geeigneten Typologie angelegt. Die Simpsons sind eine Durchschnittsfamilie, sie leben in der fiktiven Stadt Springfield, dem häufigsten Ortsnamen in den Vereinigten Staaten. Der Ort wird genannt, nicht der Bundesstaat, was eine weitere Lokalisierung der Eigenheiten und Besonderheiten unmöglich macht. Springfield inklusive Simpsons ist überall und nirgends. Und weil das so (gewollt) ist, ist die Serie einer der größten TV-Erfolge der Welt und ein Export-Hit. Das beginnt mit der globalen Ausstrahlung, in Deutschland 1991 erst beim ZDF, seit 1994 bei Pro Sieben im Programm, 2005 in die arabische Welt als „Al Shamsoon“ ohne die Szenen mit Duff-Bier und Schweinefleisch lizensiert; das 2012 verhängte Verbot im Iran reflektiert das angespannte Verhältnis zwischen der Islamischen Republik und den USA.
Auch Macher und Sender reagieren auf Umstände. Als Missbrauchsvorwürfe gegen die verstorbene Popikone Michael Jackson laut wurden, verschwand die Folge mit dessen Auftritt im Giftschrank. Umso vehementer wird auf „Barts Blick in die Zukunft“ hingewiesen, in der Lisa Simpson US-Präsidentin und den Schuldenberg wegräumen muss, den ihr Vorgänger hinterlassen hat – Donald Trump.
Um die „Simpsons“ herum ist ein gewaltiges Merchandising-Tableau entstanden – Stoffpuppen, Videogames, Flipperautomaten, Freizeitpark. Der popkulturelle Erfolg ist auch ein kommerzieller geworden. Aber wie lange noch geht das zusammen? „Die Simpsons“ sind bei Fox weiterhin Primetime-Material, gleichwohl die Quoten auf durchschnittlich vier Millionen Zuschauer gesunken sind. Die Rekordmarke mit 33,6 Millionen liegt Jahre zurück. Schicht im „Treehouse of Horror“?
Homer Simpson: „Nein!“
„Die Simpsons“, Pro Sieben, Dienstag, 18 Uhr 10