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Angeblich setzen die Lottogesellschaften jährlich über sieben Milliarden Euro um. Sind die Gewinnzahlen gesellschaftlich aber so relevant, dass sie von Judith Rakers in der „Tagesschau“ angesagt werden müssen?
© dpa
Update

Lottozahlen: Gehören die Lottozahlen überhaupt noch ins Fernsehen?

Das ZDF hat am Samstagabend die Bekanntgabe der Lottozahlen verbaselt. Grund genug, unser Pro und Contra, ob Lottozahlen überhaupt noch ins Fernsehen gehören, noch einmal anzubieten.

Als ob das ZDF die Debatte um die Lottozahlen im Fernsehen befeuern wollte, hat sich das Zweite am Samstagabend im "heute-journal" einen herben Schnitzer erlaubt. Moderatorin Gundula Gause wollte gerade die Zahlen der Ziehung vorlesen, da bemerkte sie, dass der Sender eine Grafik mit den Zahlen der Mittwochsziehung eingeblendet hatte. „Die Gewinnzahlen vom Lotto lauten diesmal: 4, 7... Nein, also die, die da stehen, das ist ein Ding“, begann Gause, um doch mit den eingeblendeten Zahlen fortzufahren. Dann bemerkte sie den Fehler. „Das ist alles, ich hab es doch geahnt, das waren die Zahlen vom Lotto am Mittwoch“, sagte Gause an die Zuschauer gewandt. „Sie müssen das nachlesen auf lotto.zdf.de und im ZDF-Text auf Seite 556. Da stehen die richtigen (Zahlen).“ Auch „heute journal“-Moderator Claus Kleber erwies sich als schlagfertig. Am Ende der Sendung verabschiedete er die Zuschauer mit den Worten: „Heute waren ganz besonders die Wetterzahlen und die Lottozahlen ohne Gewähr. Wir bitten um Entschuldigung.“ Die Panne war am Sonntag aus der „heute journal“-Sendung in der ZDF-Mediathek herausgeschnitten.

PRO:

Zwei Faktoren nagen mächtig an der Anziehungskraft der Fernsehnachrichten. Mehrere Studien aus diesem Jahr zeigen an, dass die Mehrheit der Deutschen mittlerweile der politischen Berichterstattung in den Medien misstraut. Dieser Befund trifft und kommt aus der „Tagesschau“, in der die politische Agenda des Tages abgearbeitet wird. Nicht die Mehrheit, wohl aber eine grassierende Minderheit findet die Nachrichten immer schlimmer, schockierend geradezu. Flüchtlingsdramen, Griechen-Poker, Ukraine-Krise, Ebola – das wahre Leben ist sich für nichts zu schade. Die Realität hat nie ein Glaubwürdigkeitsproblem, die glaubwürdige Vermittlung von Realität schon.

Diese Ungerechtigkeit wird von den Lottozahlen in der „Tagesschau“ gemildert. Sie sind ein stets positives Element. Sie zeugen von der Bereitschaft der Zuschauer, fest daran zu glauben, dass sie Glück in ihrem Leben haben werden. Geld macht glücklich? Ja, Geld macht glücklich. Selbst wenn die falschen Zahlen kommen, werden immer genug Einrichtungen und Organisationen von diesem Glücksspiel profitieren. Die Lottogesellschaften sind staatlich organisiert, 50 Prozent der Einsätze werden ausgeschüttet, ein bedeutender Teil der Einnahmen fließt gemeinnützigen Zwecken zu. Die Bekanntgabe der sechs Richtigen plus Superzahl in der „Tagesschau“ ist mit einem sehr guten (Werbe-)Zweck verbunden.

Die Millionen Lottospieler können sich darauf verlassen, dass sie in den Nachrichten von ihrem Glück oder ihrem Pech erfahren. Manche, nicht alle Zuschauer haben deswegen einen sehr guten Grund, um 20 Uhr einzuschalten. Auch die Lottozahlen sichern die Attraktivität der „Tagesschau“, und sie sichern den guten wie den schlechten Nachrichten Aufmerksamkeit und Quote.

Die Welt ist, wie sie ist, die seriöse „Tagesschau“ kann sie nicht besser und nicht schlechter machen. Die Lottozahlen sind eine relevante Nachricht unter anderen. Mit direktem Zuschauerbezug. Und eine Stärkung der Glaubwürdigkeit. Schlimm, gar schockierend sind sie auch nicht. Besser Pech im Spiel als Pech in der Realität. Joachim Huber

CONTRA:

Wenn es darum geht, welches Thema in die großen Nachrichtensendungen darf, geben sich die Redaktionen von „Tagesschau“ und „heute“ gerne den öffentlich-rechtlichen Anstrich: Gesellschaftlich relevant sollte es schon sein. Die Lottozahlen sind für 15 Minuten „Tagesschau“ gesellschaftlich in etwa so relevant wie das Altstadtfest in Salzgitter-Bad oder die Auflage des Tagesspiegel. Selbst in den Hauptnachrichten des griechischen Staatsfernsehens ERT kommen die Gewinnzahlen nicht vor. ARD und ZDF sehen das anders. Quasi Berichterstattungspflicht. Okay, angeblich setzen die Lottogesellschaften jährlich über sieben Milliarden Euro um. Nur, wie viele Lotto-Millionäre, liebe Leser, wohnen in Ihrer Straße? (Die Chance auf einen Jackpot liegt bei eins zu 140 Millionen.) Die Autoindustrie setzt auch zig Milliarden Euro um, weswegen die Präsentation des neuen VW noch lange nicht ans Ende der „Tagesschau“ gerät.

Außerdem: Wer fragt eigentlich danach, ob Lottospielen wirklich so sinnvoll ist? Bei jeder Lottowerbung ist im Kleingedruckten davon die Rede, dass Glücksspiel süchtig machen kann. Bei der Nennung der Lottozahlen durch Judith Rakers erfahre ich davon nichts. Da hilft es wenig, wenn mit den Lottogeldern auch Gutes getan wird. Schöne Reklame für die Lottogesellschaften. Die Gewinnzahlen seien seit Jahrzehnten von gesellschaftlicher Relevanz, somit nachrichtlicher Bestandteil der „heute“- und „heute-journal“-Sendungen, erklärt ein ZDF-Sprecher. Diese zum Ende der Nachrichtensendung oder im Nachrichtenblock zu vermelden, sei ein Serviceangebot, das die Zuschauer weiterhin nachfragen. „Dass die Lottozahlen samstags und mittwochs in der ,Tagesschau’ und in weiteren Sendungen von ARD-aktuell genannt werden, gehört zum Zuschauerservice“, sagt eine ARD-Sprecherin. Hier unterscheide man sich nicht von anderen TV-Nachrichtensendungen – auch nicht von den Tageszeitungen.

Das mag ja sein. Da gibt es nur einen klitzekleinen, wichtigen Unterschied. Tageszeitungen werden nicht von Gebührengeldern finanziert. Markus Ehrenberg

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