"Polizeiruf" aus München: Es hat nichts genützt, die Welt will es anders
Kampf gegen moderne Windmühlen: Matthias Brandt gibt in seinem vorletzten „Polizeiruf“ einen Kommissarsritter der traurigen Gestalt. Denn nicht immer siegt gut über böse.
Der „Polizeiruf 110: Das Gespenst der Freiheit“ zeigt, wie die Auflösung der Werte auch das Ethos der Polizeiarbeit zerstört. Matthias Brandt als letzter Kommissarsritter Hanns von Meuffels verfängt sich in den modernen Windmühlen moralischer Indifferenz – das Porträt einer wahrhaft traurigen Gestalt.
Ach, wie säuselt es so falsch. Ein blondes Mädchen (Ricarda Seifried) erzählt dem Polizeikommissar ein Märchen, das Rechten nie aus dem Sinn kommt. Wie es auf dem Weg nach Hause so furchtsam vor einer dunklen Unterführung steht, in der ein fremdländischer Mann nichts Gutes verheißt. Wie es dann doch den Durchgang wagt. Wie er es angefallen habe und wie, heiliger Zufall, ihre Kumpel das Mädchen vor Messer und Mord gerettet hätten. Durch Tritte halt, sehr viele Tritte, tödliche Tritte. Deutsche Narrative enden unerbittlich.
Der Kommissar hört formvollendet mit der Attitüde scheinbarer Empathie für den blonden Unschuldsengel mit dem Namen Glupschi zu – #MeToo auf der Rechten, als gäbe es das. Aber dann wird die Märchenstunde dem Kriminalhauptkommissar zu bunt. Die rechten Helden, nach der angeblichen Rettungstat getürmt, werden aufgegriffen. Die polizeilichen Untersuchungen ergeben, dass dem angeblichen Mädchenschänder durch brutale Fußtritte die Nackenwirbel zertreten wurden, so dass Hirnmasse austrat.
Die Glupschi-Kavaliere sind vorbestraft. Jetzt geht es um Mord. Welcher der vor Meuffels gebrachten Spitzbuben war es? Der dickliche Troll? Der strähnige Chefideologe, der Halbiraner und Glupschi-Freund Farim (Jasper Engelhardt)?
Ohne Pathos und Dämonie
Der konventionelle Handlungsabläufe gewohnte Zuschauer freut sich auf psychologisch fundierte Verhöre, stille Szenen, lange Blicke, Orgien der Spitzfindigkeit, den Sieg der Ruhe, die emotionale Sicherheit im System von Gut und Böse. Nichts dergleichen bieten das Buch (nach einer Idee von Günter Schütter) und die Regie von Jan Bonny („Über Barbarossaplatz“, „Nie wieder frei sein“). Dieser „Polizeiruf“ wird gleichsam von denen vergewaltigt, über die er erzählen muss. Auftritt für einen moral- und geschichtslosen, letztlich feigen Mob, zu faul für Politik, zu faul zum Denken und Fühlen. In Stanley Kubricks „Clockwork Orange“ umgab die beethovenberauschten Totschläger ein teuflischer Glanz, Regisseur Bonny verkneift sich jedes Pathos und setzt auf die Abwesenheit jeder Dämonie. In seiner streng sachlichen Perspektive erscheint die Rechte als Bestandteil einer primitiven Spaßgesellschaft, und der Regisseur hält es lange aus beim Gegröle und dem albernen Gelächter, bei den toten Zoten, bei der Sprachlosigkeit einer krampfigen Möchtegern-Boheme.
Der leidenschaftslose Rechtsstaat erodiert widerstandslos mit. Der Staatsanwalt hat sich in beamtenhafter Bequemlichkeit eingerichtet und versteckt sich hinter dem Verfassungsschutz. Beide Institutionen agieren ohne jedes Ziel nach dem Gesetz des geringsten Aufwands. Joachim Król liefert einen lügenhaften Verfassungsschützer ab, auf den hereinzufallen schon beträchtliche Naivität gehört.
Die Justiz ist infiziert von lauter Geheimniszuträgern. Der halbiranische Mitläufer der mörderischen Chaotenbande, Farim, wird zerrissen von deren Aggression gegen Ausländer, von der Falschheit seiner Freundin. Aber auch von dem Kampf, den Meuffels gegen seinen Geheimdienstkollegen führt.
Die reinigende Kraft der Wahrheit
Der adlige Polizist, der sich handgenähte Schuhe in die Amtsstube schicken lässt und in ihnen ein keckes Tänzchen wagt, glaubt an die reinigende Kraft der Wahrheit und an seine Verhörkunst: Farim soll den Mörder der Tat in der Unterführung nennen und dafür mit einem ruhigen Leben im Rahmen einer Kronzeugenregelung leben. Leider ist Farim durch sein entwurzeltes Leben zu zerstört, um der väterlichen Zuwendung Meuffels zu vertrauen. Auch seine Freundin bestärkt ihn in seinem Misstrauen. Król lockt mit ähnlichen Angeboten, meint es aber nicht ernst.
Man soll kein Ende verraten. Aber zum Finale gibt es einen geöffneten Sarg, in den der Polizeikommissar seine edlen Schuhe legt. Der raue Schuhplattler der Schlapphüte war stärker als die Sarabande zur Melodie einer Moral, für die die infantilen Kraftmeier kein Ohr mehr haben. Der stets großartige Matthias Brandt spielt hier zum vorletzten Mal einen Münchner „Polizeiruf“. Der Don Quijote aus alten Krimizeiten hat seine Schuldigkeit getan. Es hat nichts genützt. Die Welt will es anders.
„Polizeiruf 110: Das Gespenst der Freiheit“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15
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