Letzter "Tatort" für Sibel Kekilli: „Es haben sich neue Türen geöffnet“
Sibel Kekilli war heute Abend zum letzten Mal im "Tatort" zu sehen. Ein Gespräch über Kompromisse, Glück mit Rollen und Bond-Girls.
Frau Kekilli, waren Sie kürzlich mal wieder in Finnland?
Nein, warum fragen Sie?
Weil wir gehört haben, dass Finnland ein gutes Pflaster für Sie sein soll. Haben Sie da nicht Ihren zukünftigen Kollegen Axel Milberg kennengelernt?
Das stimmt. Wir haben uns wirklich ganz zufällig bei Dreharbeiten an der finnisch-russischen Grenze kennengelernt. Monate später kam dann der Anruf vom NDR, ob ich Lust hätte, beim Kieler „Tatort“ mitzumachen.
Und seitdem sind Sie Finnland-Fan.
Ich mag die Finnen und die finnische Kultur. Im Herbst werde ich in Finnland für ein deutsch-finnisches Projekt vor der Kamera stehen und im August auf Einladung von George R. R. Martin, dem Autor von „Das Lied von Eis und Feuer“, in Helsinki sein.
Warum verlassen Sie den "Tatort"
Die Frage muss sein: Warum hören Sie beim Kieler „Tatort“ auf? War es so schlimm?
Ich mochte meine Rolle der Sarah Brandt zwar sehr. Aber es war für mich einfach an der Zeit aufzuhören. Ich habe gemerkt, dass ich mich weiterentwickeln muss. Die finanzielle Sicherheit, die eine solche Rolle mit sich bringt, ist vielleicht etwas Schönes und hat etwas Beruhigendes. Aber ich hatte das Gefühl, etwas Neues wagen zu müssen. Ich wollte nicht auf ewig die Sarah Brandt aus Kiel sein.
Hatten Sie gar keine Angst davor, plötzlich mit leeren Händen dazustehen?
Damit muss man als Schauspielerin auch ein Stück weit leben können. Das Komische in meinem Falle aber war, dass, nachdem ich öffentlich gemacht hatte beim „Tatort“ aufhören zu wollen, mir jede Menge Drehbücher ins Haus flatterten. Ich drehe gerade einen Film, für den ich wahrscheinlich nie engagiert worden wäre, wenn ich noch „Tatort“-Kommissarin wäre. Es haben sich also neue Türen für mich geöffnet.
Der „Tatort“ als Karrierehindernis?
Das kann man so nicht sagen. Aber es erinnern sich offenbar vermehrt Leute an dich, wenn Sie wissen, dass du wieder frei bist. Ich bin dankbar dafür, dass ich beim „Tatort“ dabei sein durfte. Aber es war nicht immer ganz einfach. Beim „Tatort“ arbeiten in der Regel immer wieder verschiedene Autoren und Regisseure an den Stoffen, so dass es manchmal schwierig war, die Rolle von Sarah Brandt kontinuierlich weiterzuentwickeln.
In welchem „Tatort“ waren Sie die Sarah Brandt, die Sie immer sein wollten?
Es gibt ein, zwei Folgen, von denen ich sagen würde, das war absolut meine Sarah Brandt. Etwa in „Der stille Gast (Teil 1), „Der coole Hund“, vielleicht auch in „Das dunkle Netz oder das „Fest des Nordens“. Letztere wird ja nun als mein letzter Fall ausgestrahlt werden, obwohl die Folge schon 2015 gedreht wurde. Auch mein allererster Tatort „Die Frau am Fenster“ war ein gelungener Einstieg für Sarah Brandt.
Haben Sie schon 2015 gewusst, dass Sie 2017 aufhören würden?
Nein. Ich habe mich ja erst Ende des letzten Jahres entschieden aufzuhören. Ich wollte auch bewusst keinen Abschieds-„Tatort“. So, wie es jetzt gekommen ist, passt alles perfekt zusammen.
„Weil ich so hohe Ansprüche an mich habe, erwarte ich auch viel von anderen“, Zitat Sibel Kekilli. Sind Sie ein schwieriger Mensch – vor allem für die anderen?
Das müssten jetzt natürlich eigentlich die anderen beantworten, aber „schwierig“ für andere würde ich verneinen, wie kommen Sie denn darauf? Wenn überhaupt, bin ich vor allem für mich selbst anstrengend. Ich will immer das Beste aus mir herausholen. Und es ist dann schon einfacher, wenn alle um dich herum das Gleiche wollen. Vielleicht müsste ich noch mehr lernen, milder und gnädiger mit mir selbst zu sein. (lacht)
Kompromisse fallen schwer
Sie machen nicht gerne Kompromisse.
Ich weiß natürlich, dass es ohne Kompromisse nicht geht. Aber ich gebe zu, Kompromisse zu machen, insbesondere wenn es um die Arbeit geht, fällt mir nicht immer ganz leicht.
Als Solo-Kabarettistin müssten Sie keine Kompromisse mehr machen.
Das ist eine interessante Idee, dafür bin ich aber viel zu sehr ein Team-Player. Mir macht es ungeheuer Spaß, mit anderen zu spielen. Das ist es, was mich an meinem Beruf reizt und begeistert. Wenn Sie kein Team-Spieler sind, dann sind Sie beim Film falsch. Ohne die anderen ist der Einzelne nichts.
Sie haben von sich gesagt, Sie seien sehr pünktlich und sehr diszipliniert und haben das als sehr deutsch charakterisiert. Wenn Sie die Frage erlauben: Ist da noch irgendwo Platz für Ihre türkische Seele?
Auf jeden Fall! Ich bin zum Beispiel sehr emotional, und diese Emotionalität ist sehr türkisch.
Wir wissen übrigens, welche Rolle Sie als Nächstes spielen werden!
Welche denn?
Sie sind das nächste Bond-Girl!
Dann müsste der Drehbuchschreiber aber George R. R. Martin heißen, denn er liebt Frauenrollen, und sie wäre nicht nur Beiwerk zu Bond.
Serie als nächstes Projekt
Was können Sie uns über Ihr nächstes Projekt verraten?
Es wird eine Serie sein, mehr darf ich dazu noch nicht sagen. Ein spannendes, mutiges Projekt.
Es heißt von Ihnen, dass Sie die Welt gern auf Distanz halten.
Wenn du in der Öffentlichkeit stehst, wird eine gewisse Distanz sehr wichtig. Man erlebt nicht nur Schönes. Es gibt ja auch die andere Seite.
Sie meinen Hassmails oder ähnliche Anfeindungen?
Ja. Insbesondere das Internet holt offenbar das Schlechteste aus manchen Menschen hervor.
Sie haben gesagt, man dürfe sich nicht verrückt machen lassen, wenn Anfeindungen kämen. Haben Sie sich daran gewöhnt? Wie schützen Sie sich davor?
Sich daran zu gewöhnen ist nicht möglich, glaube ich. Aber ich versuche, es so gut es geht zu ignorieren.
Offen für konstruktive Kritik
Haben Sie Nerven aus Stahl?
Ganz und gar nicht. Dann könnte ich auch nicht Schauspielerin sein, möchte ich behaupten. Ich bin keine Maschine und will und muss in gewissem Sinne durchlässig bleiben. Sicher, ich bin ein eher direkter Mensch, das macht es nicht immer leicht, aber ich bin offen für konstruktive Kritik.
Gibt es für Sie eine Rolle, von der Sie träumen?
Ehrlich gesagt, hatte ich bis jetzt sehr, sehr viel Glück mit meinen Rollen. Nach dem „Tatort“-Ende bin ich jetzt auf eine Reise gegangen und will noch gar nicht wissen, wohin sie mich führen wird. Mein Horizont ist offen.
Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.