Wechsel im ZDF-Fernsehrat: Ende der Parteikratie?
Alles anders macht der ZDF-Staatsvertrag: Der Fernsehrat wird neu besetzt. Die Parteien dürfen überhaupt keine Vertreter mehr entsenden, nur noch ein Drittel „Staatsnähe“ ist erlaubt.
Andreas Scheuer muss es einfach eilig haben. Der CSU-Generalsekretär möchte im ZDF-Fernsehrat über die Leistungen der ZDF-Informationsabteilung reden. Scheuer war mit der Berichterstattung des Zweiten zu den Überfällen und Übergriffen in der Silvesternacht in Köln höchst unzufrieden. Das darf er sein, als Mitglied des ZDF-Fernsehrats kann er seine Kritik auf die Agenda setzen lassen. Die Zeit drängt, Scheuers Mitgliedschaft im ZDF-Aufsichtsgremium endlich. Noch zwei Sitzungen, dann ist der Fernsehrat in jetziger Formation Geschichte.
Als Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März 2014 mussten die 16 Bundesländer den ZDF-Staatsvertrag ändern, insbesondere die Gremienzusammensetzung der Gremien war Karlsruhe ein Dorn im Auge, nachdem die Union per Verwaltungsrat den Chefredakteur Nikolaus Brender 2009 aus dem Amt gebracht hatte.
Das Verfassungsgericht hat mit seinem Spruch dem Gesetzgeber Leitsätze mitgegeben: „Gebot der Vielfaltssicherung. Einbeziehung von Personen mit möglichst unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungshorizonten aus allen Bereichen des Gemeinwesens. Konsequentere Beachtung des Gebots der Staatsferne für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.“
Die Gremien sollten, mussten aus dem Zangengriff von Parteien und Politik befreit werden. Denn die hatten das Gremium fest im Griff, darauf hatten sich CDU/CSU und SPD verständigt. Natürlich war und ist der ZDF-Fernsehrat eine Versammlung der gesellschaftlich relevanten Gruppen – mit deutlichen Einschränkungen. Die Verfassungsrichter waren beispielsweise erstaunt, als sie bei der Verhandlung erfahren mussten, dass fünf der 77 Mitglieder gar keiner Organisation zuzurechnen sind. Deren Ernennung erfolgte höchst intransparent, die Parteien hatten sich die Mitgliedschaften als Mauschelwirtschaft gesichert.
Damit ist Schluss, seit der novellierte ZDF-Staatsvertrag seit dem 1. Januar gültig ist. Danach muss der Fernsehrat bis Mitte 2016 neu zusammengesetzt sein und der Verwaltungsrat bis Anfang 2017. Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten rühren daher, dass der Fernsehrat sich erst konstituieren muss, um dann acht Mitglieder des künftigen Verwaltungsrates zu bestimmen.
Dieses Gremium wird künftig aus zwölf statt bisher 14 Mitgliedern bestehen, der Fernsehrat aus 60 statt bisher 77. Beiden Gremien ist die Maxime eingeschrieben, dass nur noch ein Drittel der Mitglieder aus „staatsnahen“ Institutionen und Organisationen kommen dürfen. Die Parteien dürfen überhaupt keine Vertreter mehr entsenden, nur noch ein Drittel „Staatsnähe“ ist erlaubt.
Interessant wird insbesondere die Bestellung der 16 neuen Vertreter aus den Bereichen sein, die den Ländern zugeordnet sind: So bestimmt das Land Berlin einen Vertreter aus dem Bereich „Internet“, Brandenburg einen Vertreter aus dem Bereich „Verbraucherschutz“, Niedersachsen aus dem Bereich „Muslime“, Thüringen aus dem Bereich „Lesbische, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender, Intersexuelle und Queere Menschen“. Der neue ZDF-Fernsehrat wird bunter und vielfältiger.
Der Transformationsprozess erfasst zunächst dieses Gremium. Der noch amtierende Gremienchef Ruprecht Polenz – er wird als CDU-Mann das Gremium verlassen müssen – hat dieser Tage die entsendenden Organisationen aufgefordert, ihre Vertreter zu benennen.
Die sogenannten Freundeskreise
Jan Holub, er ist Leiter der Gremiensekretariate, erwartet, dass von den bislang 77 Mitgliedern etwa 30 bis 35 auch im neuen Fernsehrat sitzen werden. Im Umkehrschluss könnte die Hälfte der künftigen Vertreter gesellschaftlich relevanter Gruppen aus „Frischlingen“ bestehen. Für ein Gremium, das sich im Vergleich mit den ARD-Rundfunkräten als „Bundesliga“ verstand, ein Momentum der Verunsicherung, was die Agenda, die Themen, die Kultur der Verständigung und der Verabredung im Gremium angeht.
Das jetzige Gremium hat sich Zeit seines Bestehens in sogenannten Freundeskreisen organisiert, nach politisch Rot und nach politisch Schwarz. Unschwer, wo die Verdi-Vertreter Orientierung, unschwer, wo der „Arbeitgeber“ Gewissheit suchte. Ob diese „Freundeskreise“ unverändert fortbestehen werden, mag keiner so recht vorhersagen. Natürlich sind die Vertreter der Länder immer auch Parteienvertreter, möglich, dass hier neue alte „Meeting Points“ etabliert werden.
Im ZDF-Verwaltungsrat werden ab 2017 nicht mehr fünf, sondern vier Ländervertreter sitzen. Bislang liegen die Sozialdemokraten mit drei zu zwei vorne. Sollte es am 13. März bei der Landtagswahl zu einem Regierungswechsel von Rot zu Schwarz geben, dann wird es sehr interessant. Kurt Beck, ehemaliger SPD-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, ist unverändert Chef des ZDF-Verwaltungsrates. Das würde bei einem Regierungswechsel keinen Bestand haben. Möglich also, dass sich im Verwaltungsrat die Mehrheiten verschieben.
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