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Wie uns die Zeiten ändern: die "Brigitte"
© dpa

Frauen-Magazin: Eine ziemliche Zickerei: Die „Brigitte“ wird 60

Hausfrauen, Motorradbienen und ein feiernder Bürgermeister: Die Frauenzeitschrift aus dem Hause Gruner & Jahr wendet sich gegen den Perfektionismus-Terror.

Das korrekte Geburtstagsständchen für die Frauenzeitschrift „Brigitte“ könnte zum Beispiel so lauten: „Du kannst nicht immer 60 sein.“ Gesungen zur Melodie des alten Chris-Roberts-Schlagers „Du kannst nicht immer 17 sein“. Die Chefredakteurin Brigitte Huber war süße 17, als ihr eine Party dermaßen über den Kopf wuchs, dass sie seitdem kuriert ist von Feten-Ehrgeiz und eigentlich den 60. Geburtstag der Zeitschrift gar nicht an die große Glocke hängen wollte. Das verrät sie im Editorial des „Jubiläumshefts“. Dummerweise ließ sie sich von den Kolleginnen überreden, doch zu feiern. So muss nun einmal mehr zur Sprache kommen, dass „Brigitte“ auch nicht anders ist als andere Frauen, die Zeitschrift mit ihrem Alter kräftig schummelt.

Dank der Zeitungshistorikerin Sylvia Lott, die bereits 1986 im Auftrag des Verlages die höchst unterhaltsame und sehr faktenreiche Chronik der Frauenzeitschrift vorlegte („Die ersten hundert Jahre. Brigitte“), war das wahre Alter längst bekannt. Bereits 1886 wurde eine Zeitschrift gegründet, die zunächst den Titel „Dies Blatt gehört der Hausfrau“ trug. In den 1920er Jahren wurde es mit dem Werbeslogan populär: „Sei sparsam Brigitte, nimm Ullstein-Schnitte.“

Bald kamen die Brigitten-Nachmittage hinzu, erzählt Sylvia Lott. Bei Kaffee und Kuchen tauschte man Tipps aus. Die Leserinnen hießen fortan „Brigitten“, und der Slogan wurde zur Steilvorlage für Kabarettisten und Chanson-Dichter. Zum 700. Brigittentag, der auch der letzte sein sollte, drängten sich 8000 Menschen vor dem Berliner Sportpalast in der Potsdamer Straße. Das war 1957. Im Mai jenes Jahres zog Brigitte von Berlin nach Hamburg um. Das Konzept wechselte grundlegend. Aus der sparsamen Hausfrau wurde eine junge, flotte Motorradbiene. Wenn schon Verjüngungskur, würde Sylvia Lott 1957 als Geburtsjahr für die heutige „Brigitte“ empfehlen, dann wäre sie erst schlappe 57 Jahre alt. Allerdings liest die Chronistin selbst das Blatt nicht mehr. Und der große Brigitten-Hype datiert nun mal auf die Goldenen Zwanziger zurück.

Feier im Café Moskau

Zunächst wussten aber nur Insider davon, dass die Geschichte der „Brigitte“ weit zurückreicht. Vor zehn Jahren ließ es der damalige Chefredakteur Andreas Lebert im Café Moskau richtig krachen, offiziell zu Ehren des 50. Geburtstags der Frauenzeitschrift aus dem Hause Gruner&Jahr. Viel Prominenz, darunter der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und etliche Fernsehmoderatoren merkten auf, als Elke Heidenreich ans Mikrofon trat und an die Jubilarin selber mahnende Worte richtete: „Du veranstaltest mit deinem Alter eine ziemliche Zickerei“, sagte die Schriftstellerin, die ganz offensichtlich Lotts Chronik kannte. „Du weißt selbst nicht so genau, wie alt du eigentlich bist.“ Ist ja tatsächlich eigentlich auch egal. Man kann sich zu allem bekennen und in jedem Alter attraktiv sein. In diesem Jahr wurde das zweiwöchentlich erscheinende Heft stabil über eine halbe Million mal verkauft

Unter dem Motto „Schön genug“ hat die „Brigitte“ ausgerechnet jetzt eine Aktion gestartet gegen den Perfektionismus-Terror und für mehr Selbstbewusstsein und Individualität in jedem Alter. Da möchte man doch glatt ein ganz anderes Geburtstagsständchen starten, frei nach Udo Jürgens, „Mit 128, da fängt das Leben an...“. Da hat man Spaß daran. Egal, ob Frisuren, Diäten, Männer oder Erdbeerkuchen: Die „Brigitte“ ist heute eine Frau ohne Alter, die mit garantiert zeitlosen Themen immer aufs Neue Auflage und Schlagzeilen macht.

Elisabeth Binder

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