Brigitte Huber macht "Brigitte": Frau fürs Leben
Die „Brigitte“ ist - trotz sinkender Auflage - nach wie vor Deutschlands Frauenzeitschrift Nummer eins. Sie will die ganze Realität ihrer Leserinnen abbilden. Das kann gelingen – Chefredakteurin Brigitte Huber ist eine von ihnen.
Zweieinhalb Jahre lang zeigte die Frauenzeitschrift „Brigitte“ nur noch Amateurmodels. Auf dem Cover und in den Modestrecken: nur noch ganz normale Frauen. Es war eine gelungene Idee, jedenfalls brachte sie Aufmerksamkeit. Seit Sommer vergangenen Jahres werden wieder professionelle Models engagiert, denn echte Models, die perfekt aussehen, erträgt die Leserin besser als ganz normale Frauen, die fast perfekt aussehen. Einige der Leserinnen hätten über Minderwertigkeitskomplexe geklagt, begründete die Redaktion das Ende der Normalo-Aktion.
In der Chefredaktion der „Brigitte“ hat man die „Ganz normale Frauen“-Linie dagegen durchgehalten. Im April übernahm Brigitte Huber die Führung, eine Frau, die zwar Karriere machte, aber eigentlich keine Karrierefrau ist. Zugegeben, der Vergleich mit den Amateurmodels hinkt, weil Huber keine Amateurin ist. Sie ist 49 und arbeitet seit mehr als zehn Jahren für die „Brigitte“ und mindestens noch einmal so lange für andere Frauenzeitschriften.
Was man aber sagen kann, ist, dass sie eine von ihnen ist, eine ganz normale Leserin. Dem Branchenmagazin „Journalist“ sagte sie kürzlich: „Wenn man ein Heft macht, dessen Zielgruppe so nah am eigenen Leben dran ist, ist es das Schlaueste, sich einfach zu fragen: Würde ich das jetzt lesen oder nicht?“
Privates und professionelles Interesse fallen bei ihr zusammen: „Bei einem Abendessen mit guten Freunden geht es um ähnliche Dinge wie hier in der Redaktionskonferenz.“
Wie eine Chefin benimmt sie sich nicht
Seit 2009 ist Brigitte Huber Co-Chefredakteurin, erst an der Seite von Andreas Lebert, der das Magazin zuvor jahrelang allein geführt hatte. Danach teilte sie sich den Posten mit Stephan Schäfer, bis der im April in den Verlagsvorstand berufen wurde. Jetzt macht sie den Job das erste Mal ganz allein. Huber sagt: „Wenn man zu zweit einen wichtigen Titel verabschiedet, geht das einfacher als allein. Trotzdem finde ich es jetzt schön, Dinge ganz alleine entscheiden zu können – zumal ich mich mit vielen klugen Kolleginnen beraten kann.“
Brigitte Huber hat jetzt ein Eckbüro, sie schaut, wie der Gruner+Jahr-Vorstand, jetzt auf die Elbe, die die Farbe von Blei annimmt, wenn man ihr von hier oben aus beim Fließen zusieht. Brigitte Huber sitzt auf ihrem schwarzen Lederstuhl und trinkt Kräutertee aus einer großen Tasse mit rotem „Brigitte“-Logo, als wäre sie selbst eine Abonnentin. Auch sonst benimmt sie sich nicht so richtig wie eine Chefin. Sie schwärmt von ihrem Heft, das schon, aber der Rest fehlt, die großen Gesten, das Wichtigtuerische.
Es scheint, als habe sie das Credo der Zeitschrift verinnerlicht, die genauso heißt wie sie: „Brigitte“ bleibt auf dem Teppich, dreht sich mit in der „Realitätsspirale“, wie es im Fachjargon heißt. Was die Themen betrifft, sollen sich die Leserinnen im Heft wiedererkennen – nur nicht auf dem Cover.
Trotz sinkender Auflage ist „Brigitte“ nach wie vor Deutschlands Frauenzeitschrift Nummer eins. Nach IVW-Angaben verkaufte sich das Heft im zweiten Quartal dieses Jahres durchschnittlich rund 563 000 Mal, das sind knapp 100 000 Exemplare weniger als vor zwei Jahren.
Burdas ebenfalls alle zwei Wochen erscheinende „Freundin“ verlor im selben Zeitraum etwas mehr als 100 000, das Heft verkaufte sich im zweiten Quartal durchschnittlich rund 393 500 Mal. Gruner+Jahr reagierte mit einem heftigen Stellenabbau bei „Brigitte“. Die Redaktion soll 19 Redakteure und fünf freie Mitarbeiter verloren haben. Der Verlag kommentiert diese Zahlen nicht.
Pröbchen für Bodylotion und eine Reportage über Frauen in Ghana
Selbst wenn Männer etwas technikaffiner sein sollten, verlieren auch die Frauenzeitschriften Leserinnen ans Internet. Und weil ihre Haltung der „Brigitte“ vorgibt, das gut zu finden, vermiest sie ihren Leserinnen nicht den Spaß, sondern bietet ihr eine iPad-Version an. Seit dem 18. Mai gibt es das Hauptblatt und den Ableger „Brigitte Mom“ als eMagazine zum Download für je 2,69 Euro. Zusätzlich zum Inhalt des Hefts sollen auf dem iPad Audios, Videos und interaktive Grafiken angeboten werden.
„Die ,Brigitte‘ hat per se Respekt für jeden Lebensentwurf“, sagt Huber. „Das ist eine Grundhaltung, die ich schon vor zehn Jahren festgestellt habe, als ich hierher kam. Bei einzelnen Themen ringen wir natürlich immer wieder um Haltung. Wie wir zum Beispiel Schönheitsoperationen finden, das klafft bei uns auch auseinander.“ Genau wie die Themen: Es gibt nicht viele Zeitschriften, in der man das Pröbchen einer Bodylotion findet, die glatte Haut verspricht, umblättert, und in die desillusionierten Gesichter ghanaischer Frauen schaut, die verprügelt und aus ihren Häusern gejagt wurden, weil die Nachbarn sie für Hexen hielten.
Da prallen Lebenswelten aufeinander, was ja so sein soll in einem Magazin. „Für mich war die Frage, ob sich eine Frau für Politik interessieren kann und trotzdem überlegt, was sie abends kocht, immer unverständlich. Ja, das können wir Frauen. Wir interessieren uns für gefährliche Inhaltsstoffe im Nagellack, aber genauso für die Generation unserer Kinder oder dafür, wie es in einem syrischen Flüchtlingslager aussieht.“
Die Zeiten für eine Zeitschrift, die auf Klatsch und Tratsch verzichtet, seien gut. „Die Sehnsucht nach Substanz ist groß“, sagt Huber. Anders als bei „Gala“, „Glamour“ und ähnlichen Titeln, will die „Brigitte“ ihren Leserinnen keine Märchen aus einer anderen Welt erzählen. „Brigitte“ hole die Leserin immer wieder ins Hier und Jetzt, sagt Huber, ob sie es wolle oder nicht. Die Klamotten, die beworben werden, soll sie sich leisten können, die Dossiers sollen Probleme behandeln, die die eigenen sind oder sein könnten: Kind und Karriere zum Beispiel, oder alleinerziehende Mütter. Beides Themen, die immer gehen – und mit denen sich Brigitte Huber auskennt, weil es mal ihre waren.
Für Frauen, die sich selbst bedauern, hat sie nichts übrig
Kurz nach dem Abitur bekam sie ihren ersten Sohn, das heißt, sie war schon Mutter, als sie in München Germanistik studierte. Sie sagt: „Dadurch, dass ich mich nie entscheiden musste: Kind oder Job, haben sich gewisse Ängste bei mir gar nicht erst aufgebaut.“ Nach einer Weile brach Huber das Studium ab und wechselte zur Deutschen Journalistenschule. Anders als auf der Uni hatte sie hier das Gefühl, auf ein klares Ziel hinzuarbeiten. Ihre journalistische Leidenschaft sei auch durch das Kind geprägt worden, sagt sie. Viele ihrer frühen Geschichten brachte sie aus dem Verein Alleinerziehender Mütter und Väter mit. Geblieben ist die Erfahrung, dass es geht, auch als Alleinerziehende. Was sie nicht hören kann, ist die Frau mit Kind und Karriere, die bedauert, keine Zeit für sich selbst zu haben. Ihr würde sie sagen: „Das bist doch du selbst. Du bist die Frau mit dem Kinderwunsch und die Frau, die sich im Job verwirklicht. Es werden wieder Zeiten kommen, wo du für anderes mehr Zeit hast. Ich weiß, wovon ich spreche, mir ist es seit Langem wieder möglich, am Wochenende auszuschlafen.“
Es ist sicher nicht einfach, die Lockerheit zu bewahren, die Dinge zu nehmen, wie sie kommen, wenn man doch als Chefredakteurin alles formen kann, alles entscheiden muss. Es sieht so aus, als habe Brigitte Huber es trotzdem geschafft. Vor langer Zeit wollte sie Chefreporterin bei der „Abendzeitung“ in München werden. Jeden Tag unterwegs sein, jeden Abend mit einer neuen Geschichte reinkommen. Jetzt ist sie Chefredakteurin in Hamburg und quält sich alle zwei Wochen beim Schreiben des Editorials. „Man nimmt, was man kriegen kann“, sagt sie. Vielleicht, nur vielleicht, eine weibliche Einstellung. Die Konferenz an diesem Vormittag verlief sehr harmonisch, weil keine der Redakteurinnen am Tisch überambitioniert daherredete. Schon gar nicht die am Tischende, die mit der Teetasse, die aussah wie eine ganz normale Leserin.
Alexander Krex
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