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Gemeinsames Erinnern. Reporterin Esther Sedlaczek (links) trifft das Stasi-Opfer Edda Schönherz in der Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße
© Getty Images

Doku über Edda Schönherz: Eine Stimme für die Stasi-Opfer

Edda Schönherz war ein Star des DDR-Fernsehens. Bis sie in Hohenschönhausen inhaftiert wurde. Ihr Schicksal ist Teil der Doku "Total Control"

„Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf!“, zitiert Edda Schönherz bei der Führung in der Gedenkstätte Hohenschönhausen den berühmten politischen Aphorismus. Er trifft auf die an spartanischer Kargheit und Tristesse kaum zu überbietenden Räumlichkeiten der ehemaligen zentralen Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit der DDR zu, die von 1951 bis 1989 in Berlin-Hohenschönhausen in Betrieb war. In dem Gebäudekomplex, der auf offiziellen Stadtplänen nicht verzeichnet war, wurden politische Gefangene und Andersdenkende psychisch gefoltert, verhört und inhaftiert.

So auch Edda Schönherz. Die einstige Ansagerin und Moderatorin im DDR-TV, die mit dem dortigen Beginn des Farbfernsehens ab Oktober 1969 mit ihrer sachlichen, sympathischen Art und ausgefallenen Frisuren auch im Westen positiv registriert wurde, gehörte keiner Partei an und stand den Verhältnissen des selbsternannten „Arbeiter- und Bauernstaates“ kritisch gegenüber. Während ihres Urlaubs in Budapest erkundigte sie sich im August 1974 in den Botschaften der Bundesrepublik und der USA nach einer Möglichkeit, mit ihren Kindern Annette und René sowie ihrem damaligen Freund die DDR zu verlassen. Die Gespräche wurden aufgezeichnet, Edda Schönherz festgenommen.

Zur „Klärung des Sachverhalts“ musste sie sich in Berlin Verhören der Stasi unterziehen. Zwei Monate später verurteilte man sie wegen „staatsfeindlicher Verbindungsaufnahme“ und „Vorbereitung eines ungesetzlichen Grenzübertritts in besonders schwerem Fall“ zu drei Jahren Haft im berüchtigten Frauengefängnis Hoheneck bei Stollberg im Erzgebirge. Nach der Entlassung im September 1977 fand der in Ungnade gefallene Fernsehstar eine Anstellung als Fotografin bei der katholischen Kirche in Ost-Berlin, im Dezember 1979 durfte Edda Schönherz mit ihren Kindern in die Bundesrepublik Deutschland ausreisen.

In der Bundesrepublik arbeitete sie für den BR

Von 1980 bis 2000 setzte Edda Schönherz dann nach der Zwangsunterbrechung ihre TV-Karriere als Ansagerin beim Bayerischen Rundfunk in München fort. Ab 2002 wieder wohnhaft in Berlin, ist sie seit 2004 als Zeitzeugenreferentin für politische Bildung im zur Gedenkstätte umgewandelten ehemaligen Stasi-Gefängnis in Höhenschönhausen tätig.

Für die Dokumentation „Total Control – Im Bann der Seelenfänger“, der deutschen Eigenproduktion des US-Bezahlsenders A&E im Rahmen der internationalen Themenwoche „Twisted Faith – Macht und Manipulation“, geht die mittlerweile 74-Jährige durch Vernehmungsräume und Zellen in Hohenschönhausen. Edda Schönherz, die sich trotz der seelisch erniedrigenden Befragungen der Stasi und der daraus resultierenden langen Haftstrafe nicht unterkriegen ließ, weil sie sich immer „im Recht“ sah, weist auf die in ihrer Sicht bis heute anhaltenden Ungerechtigkeiten im Umgang mit den ehemaligen politischen Gefangen hin. „Die Vernehmer der Staatssicherheit sind den Oberen der Bundeswehr in ihren Renten angeglichen worden. Die Bundesrepublik hat den Genossen sogar die Stasi-Zusatzrente angerechnet. Da haben viele eine Nachzahlung von 600 000 Euro bekommen.“

Die Leute, die sie gebrochen hätten, die heute noch unter Verfolgung und Angstzuständen litten und in psychiatrischer Betreuung seien, erhielten dagegen eine Armutsrente. „Sie brauchen eine Stimme, und darum bin ich auch hier“, sagt Edda Schönherz.

A&E Networks und sein Schwesternsender History haben es sich vor allem mithilfe von Emanuel Rotstein („Guardians of Heritage“, „Die Befreier“), Autor, Regisseur und Produzent in Personalunion, zur Aufgabe gesetzt, Ereignisse der Vergangenheit auf ihre heutige soziale Relevanz zu untersuchen. „Mit ‚Total Control – Im Bann der Seelenfänger‘ wollen wir die Muster von Manipulation, Fanatismus, Machtmissbrauch und Unterdrückung darstellen, die – unabhängig von Ideologie und politischer Ausrichtung – immer wieder auftreten und dazu führen, dass Menschen ihr kritisches Denken aufgeben und blind einem Führer folgen“, sagt Rotstein. Deswegen ergänzt er die Episode mit Edda Schönherz in den anderen Teilen des 45-minütigen Beitrags mit Opfern und Überlebenden zerstörerischer Gruppen und Ideologien wie Ex-Neonazi Oliver Riek, Al-Qaida-Aussteiger Eren Recberlik und Iran Peci; dazu kommen internationale Experten wie Philip Zimbardo („Stanford-Prison-Experiment“) oder Ron Jones („Third-Wave-Experiment“).

Sedlaczek bewundert Aufklärungsarbeit

Moderatorin Esther Sedlaczek, die der Öffentlichkeit in erster Linie als Sportberichterstatterin bei Sky bekannt ist, sagt zu der Dokumentation: „Es ist schön, Menschen wie Edda Schönherz kennenzulernen, die eine Geschichte erlebt haben und teilen wollen, die so außergewöhnlich ist und die nur wenige meiner Generation nachempfinden können, da wir im puren Luxus groß geworden sind, was das Thema Freiheit anbelangt.“ Dass Edda Schönherz so viele Jahre nach ihrer Stasi-Haft in Hohenschönhausen weiterhin unermüdlich Aufklärungsarbeit über das DDR-Regime leiste, findet Sedlaczek zugleich spannend und bewundernswert.

Es gibt aber noch etwas, was die 32-jährige, gebürtige Ostberlinerin unbedingt tun will. Mit ihrem Vater, dem Schauspieler Sven Martinek, habe sie noch gar nicht darüber gesprochen, wie es für ihn gewesen sei, in der DDR aufzuwachsen und seine Schauspielerkarriere zu beginnen. „Das muss ich alles mit ihm nachholen.“

„Total Control – Im Bann der Seelenfänger“, A&E, Montag, 21 Uhr

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