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Nachruf auf Dieter Trautmann (Geb. 1937): Ein Mann, drei Frauen, viel Geld

Ein Menschenfeind erbt ein Haus und wird Spekulant. Als sein Gedächtnis nachlässt, beginnt der Kampf um sein Vermögen, gnadenlos, erfolglos - fast wie in einem Film der Coen-Brüder. Nachruf auf einen, der all das nicht verdient hat.

Im Oktober 2003 erschien eine Notiz in der „Berliner Zeitung“, Dieter Trautmann, einer der Gründer der Berliner Alternativen Liste, habe sich beschwert, dass er nebst einer Freundin bei einer Jubiläumsfeier der Grünen nicht eingeladen war. 2014 noch ein Pressetext, in dem Dieter Trautmann eine Rolle spielt, diesmal bei „Stern Online“ unter der Überschrift: „Ein dementer Millionär, zwei Frauen und Ströbele“. Er erzählt die skurrile Geschichte des Immobilienbesitzers Trautmann, einer älteren ehemaligen Fassbinder-Schauspielerin und einer jüngeren Museumschefin, die sich gegenseitig vorwerfen, mit üblen Mitteln an Trautmanns Besitz kommen zu wollen. Die eine habe den verwirrten Mann nach Marokko verschleppt. Die andere habe ihn mit Hilfe von Hans-Christian Ströbele dort rausgeboxt, um ihn allein unter ihre Fittiche zu bringen.

Im Februar 2018 schließlich ein Artikel in der „taz“, Überschrift: „Von Betreuern und Betrügern“. Da ist von dubiosen Immobiliendeals die Rede, von denen der demente Besitzer aber nichts mehr mitbekommen habe. Am 12. Januar schließlich sei er gestorben.

Wer wissen will, wer Dieter Trautmann war und warum ihm das passieren konnte, der begibt sich in eine Geschichte wie aus einem Film der Coen-Brüder: ein superkluger Menschenfeind, der seinen Verstand verliert, eine unglückliche Liebe, Entführungen, viel Gier und Missgeschick und wenig Skrupel. Die Moral, wenn es denn eine gibt, ist simpel: Der Mensch ist schwach, das Geld regiert.

Hans-Christian Ströbele weiß von nichts

Fangen wir bei den Grünen an, Anruf bei Hans-Christian Ströbele. Der war bei der Berliner Parteigründung zugegen, und er spielte 2014 eine Rolle, als Dieter Trautmann aus Marokko zurück nach Berlin gebracht wurde. Nein, es tue ihm leid, den Trautmann habe er überhaupt nicht gekannt. Bei der Rückführung aus Marokko habe er geholfen, weil er darum gebeten wurde. Die Sache sei ganz undurchschaubar gewesen, die beiden Damen, Elga Sorbas, die Schauspielerin, und Marianne Wagner, die Frau mit dem „Freien Museum“, bezichtigten einander schlimmster Dinge, und er, Ströbele, wusste nie, wer recht hatte und wer nicht.

Auch andere, die bei der Gründung der Berliner Alternativen Liste dabei waren, wissen nichts von einem Dieter Trautmann. Auf den ersten Mitgliederlisten fehlt sein Name.

In der Zeitungsmeldung von 2003 ist die Rede von der Trautmann-Freundin Eva Reichelt, die ebenfalls die Grünen mitgegründet habe. Sie ist inzwischen 80, gut gelaunt, mit rot gefärbten kurzen Haaren und gern bereit, Auskunft zu geben. Sie war, wie es aussieht, die einzige Frau, mit der Dieter Trautmann eine längere Beziehung hatte.

Und er war der Mann, mit dem sie am längsten ihr Leben teilte. Ungefähr zehn Jahre waren es, Mitte der 70er bis Mitte der 80er Jahre, dann hat sie ihn vor die Tür gesetzt. Sie erzählt davon ganz ohne Reue, eher mit einer Art Verwunderung: Erstaunlich, was man so gemacht hat und mit sich hat machen lassen. Sie war so jung damals und er so klug.

Als sie ihn kennenlernte, saß er schon seit einer ganzen Weile an seiner Doktorarbeit; als sie sich trennten, immer noch. Da hatte er allerdings schon ein paar Doktorväter verschlissen.

Ein freundlicher Mann mit schönen dunklen Locken und einem riesengroßen, etwas einschüchternden Wissen. Einziges Manko: Er ging nicht raus. Hatte keine Freunde, und wenn sie Freunde einlud, ging er ins andere Zimmer, um zu lesen. Er lebte wie ein Mönch, kein Alkohol, kein Fleisch, keine Ausschweifungen. Etwas Geld verdiente er mit Nachhilfe, Dozentenjobs und ein paar Statistenrollen beim Film. Brauchte ja nicht viel, die Miete zahlte sie von ihrem Sekretärinnengehalt.

Als wären ihm die Tiere weitaus lieber als die Menschen

Sie erzählt von der einzigen größeren Urlaubsreise mit ihm nach Italien in ihrem nagelneuen Golf. Wenn er ihn fuhr, hatte sie Angst um den frischen Lack. Derlei Äußerlichkeiten interessierten ihn kein bisschen. Sie wäre ganz gern mal mit ihm essen gegangen oder in ein Museum; sie waren schließlich in Italien. Auch dafür hatte er nichts übrig, also geschah es nicht.

Er hatte seine Arbeitssachen dabei und einen Klapptisch, den konnte er überall aufstellen und dran arbeiten. Auf einem Foto sitzt er an diesem Tisch, vor sich der Stapel Arbeitsblätter, auf einem kriecht eine Schnecke. Mit großer Aufmerksamkeit schaut er ihr beim Kriechen zu. Manchmal kam es ihr vor, als wären ihm die Tiere weitaus lieber als die Menschen.

Dieter Trautmann in Italien
Dieter Trautmann in Italien
© privat

Ein Blick in seine frühen vaterlosen Jahre. Er war das einzige, uneheliche Kind einer Mutter, die arbeiten musste und kaum Zeit für ihn hatte. Dieter lebte lange bei seiner Oma, dann bei einer Tante auf dem Bauernhof. Sein Onkel war traumatisiert aus dem Krieg zurückgekehrt und soff; Dieter musste ihn hin und wieder mit der Schubkarre von der Kneipe nach Hause transportieren.

Am vertrautesten, so erzählte er es später, waren ihm tatsächlich die Tiere. Und die wurden geschlachtet. Wen wundert’s, dass der junge Mann beschloss, kein Fleisch mehr zu essen? Und dass er keine allzu hohe Meinung von den Menschen hatte.

Zurück in seine Zeit mit Eva. Die ging für ihn in den Kopierladen. Sie tippte seine Texte ab. Sie machte den Haushalt. Und auch bei den Grünen erledigte sie die Arbeit. Das kam so: Beide waren frühe Mitglieder der Berliner Alternativen Liste, gegründet haben sie sie aber nicht. Im Januar 1980 fuhren sie zum Gründungsparteitag der Grünen-Bundespartei nach Karlsruhe. Dieter war da überaus engagiert, beim Reden jedenfalls, als es ums Tun ging, weniger. Als Posten verteilt wurden, interessierte ihn das nicht so sehr. Er überredete Eva, Schatzmeisterin zu werden. Sie hatte doch gerade ein BWL-Studium begonnen. Auch ein gewisser Otto Schily war dafür, dass sie das machte, und da sie bei den Grünen alle irgendwie Anfänger waren, tat sie es eben.

Dieter Trautmann versprach, ihr zu helfen. Warum auch nicht, er war Wirtschaftswissenschaftler und Mathematiker. „Nichts hat er getan“, sagt Eva Reichelt. Sie hockte auf den Abrechnungen, rätselhafte Briefe verstopften ihren Briefkasten. „Ich war völlig überfordert.“

Nebenher kümmerte sie sich um den Haushalt und ihr Studium. Und Dieter kümmerte sich um seine Promotion. Worum es darin ging, weiß Eva nicht so recht. Musste jedenfalls eine große Sache sein, eine Art Naturgesetz in den Wirtschaftswissenschaften, dem er auf der Spur war.

Außerdem war er hin und wieder anderen Frauen auf der Spur und hatte wenig Verständnis dafür, dass Eva wenig Verständnis dafür hatte. 1984 war es genug, sie warf ihn raus.

Ein zweifelhafter Gruß der Mutter

Es war auch sonst das Jahr, in dem sich alles bei ihm änderte. Seine Mutter war gestorben und hatte ihm ein Haus in Westdeutschland hinterlassen. Ein letzter, zweifelhafter Gruß an ihren einzigen, nie geliebten Sohn.

Dieter Trautmann verkaufte das Haus und war auf einmal reich. Sein karges Leben führte er weiter. Als hätte er jedoch beweisen müssen, dass das Sein das Bewusstsein prägt, dass das Kapital auch den Bescheidensten zum Kapitalisten macht, verschob der frisch Begüterte sein Interesse total. Statt weiter an der Weltformel zu forschen und bei den Grünen Reden zu schwingen, befasste er sich fortan mit der ganz konkreten Ausweitung seines Besitzstandes.

Mit dem Geld nämlich, 700 000 D-Mark, kaufte er ein Haus in Berlin-Schöneberg und mehrte seinen Besitz mittels einer noch heute gern angewandten Rezeptur: Er teilte das Haus in Eigentumswohnungen, die er verkaufte, und kaufte zwei andere Häuser in Kreuzberg.

Den weiteren Weg des Geldes kennt Peter Zorn. Der führt inzwischen einen kleinen Laden irgendwo in Thailand. Er wollte, sagt er, schon lange weg aus Deutschland. Erfahrungen mit Polizei und Justiz könnten dabei eine Rolle gespielt haben. Per Skype sieht man ihn da sitzen, ein mittelalter Mann, die Lesebrille hochgesteckt im kurzen, frisch ergrauten Haar. Im Hintergrund dröhnen die Mopeds, während er Auskunft gibt über den Auf- und Abstieg des Immobilienspekulanten Dieter Trautmann.

Zorn hat ihn in den frühen 90ern kennengelernt, und zwar als einen, der die besten Beziehungen zu den Banken unterhielt. „Der Trautmann, dem traut man“, habe er immer stolz verkündet. Das mochte so gewesen sein, gut lief’s aber nicht. Denn mit der Wende, dem Versprechen blühender Landschaften und dem Vertrauen der Banken, kaufte Trautmann vier weitere Häuser auf Pump, richtete Bau- und Verwaltungsfirmen ein, wie man das eben macht, wurde von Geschäftspartnern betrogen, wie das eben so geschieht, und dann blühten die Landschaften nicht so schnell wie versprochen.

Er sollte die Kredite zurückzahlen, konnte das nicht und war Anfang der 2000er ziemlich pleite. Er behielt eins seiner Häuser, verlor jedoch die Lust am Immobiliengeschäft. Die Verwaltung des Hauses in der Reichenberger Straße, Kreuzberg, überließ er Peter Zorn, der davor als Handwerker für ihn gearbeitet hatte.

Das war, so kann man sagen, Trautmanns Heimkehr aus dem enttäuschenden Reich der Praxis in das geordnete der Theorie. Dort hatte er es mit lauter Menschen zu tun gehabt, die ihm nichts Gutes wollten, mit Geld und Gier, hier gab es die Bücher, die ihm zur Verfügung standen, die ganze Weisheit auf schweigendem Papier.

Er befasste sich jetzt mit dem Buddhismus, der ungefähr das Gegenteil dessen predigt, was den Fortgang dieser Geschichte prägen wird. Und er forschte weiter an der Kybernetik, jener zwischenzeitlich etwas aus der Mode geratenen Denkschule, die die Welt als steuer- und regelbares System begreift, ein gigantisches Konstrukt aus Gesetzmäßigkeiten, ein Versuch, das Chaos zu verstehen und zu beherrschen.

Dass es da schwer ist, auf einen Punkt zu kommen, ist verständlich. Trautmann las viel und schrieb wohl auch einiges; nichts davon hat er jedoch mit anderen geteilt. Wer ihn damals kannte, sagt, er sei so klug und belesen gewesen, aber es scheint niemanden zu geben, der ihm in seinen tiefsten Interessen folgen konnte.

Dieter Trautmann vor seinem Haus in der Reichenberger Straße.
Dieter Trautmann vor seinem Haus in der Reichenberger Straße.
© privat

Die Bücher gab es. Dieter Trautmann, der sich sonst nichts leistete, investierte Unmengen an Geld in seine Bücher, zeitweise mehrere Tausend Euro im Monat. Als seine Wohnung zu klein wurde, bewahrte er die Neuzugänge in großen Kellern auf, dann kaufte er noch zwei Wohnungen dazu. Womöglich wollte er das alles irgendwann auch lesen, vorerst stapelte er seine Schätze, neben den Büchern unzählige Zeitungen und Zeitschriften.

Das Gerücht vom Balkonmonster

Die letzten Jahre des Trautmann-Lebens wirken wie eine zynische Bestätigung seiner Menschenaversion. Alle, die mit ihm zu tun hatten, gaben immer wieder vor, sein Bestes zu wollen und sonst nichts. Das kann nicht stimmen, denn für Dieter Trautmann lief es so übel, wie es nur irgend laufen konnte.

Hier der Versuch einer Rekonstruktion, versehen mit der Warnung, dass es immer auch ein wenig anders gewesen sein kann, denn Einigkeit herrscht in der Geschichte nur in einem Punkt: Sie ist kompliziert.

Fangen wir mit Peter Zorn an. Der saß für ein paar Jahre im Gefängnis wegen einer Drogen- und Vergewaltigungssache. Irgendjemand brachte später das Gerücht in Umlauf, er sei das „Balkonmonster“ gewesen, ein Serienvergewaltiger, über den 2001 viel in der Presse gestanden hatte. Das war er nicht – aber es gab Gründe, ihn als besonders gefährlich darzustellen.

Und zwar diese: Zorn betrieb in Trautmanns Haus ein Bistro, wo Trautmann oft auch seine Tage verbrachte. Außerdem kümmerte Peter Zorn sich um die Verwaltung des Hauses und der Finanzen. Womit er zu einem Gegenspieler von Elga Sorbas wurde, der Schauspielerin, deren Filmkarriere lange zurücklag und die ein prekäres Leben führte.

Trautmann kannte sie schon lange und hatte ihr eine seiner beiden Aufbewahrungswohnungen für eine kleine Miete überlassen. Seit ein paar Jahren versuchte Elga Sorbas, ihn zu überreden, seinen Besitz einer Stiftung zu überlassen, deren Verwaltung sie gern gegen Bezahlung übernommen hätte. Peter Zorn riet Trautmann davon ab: Bei dem Konstrukt würde er den Zugriff auf sein Haus vollständig abtreten.

Seit ein paar Jahren schon hatte Dieter Trautmanns Gedächtnis nachgelassen. Er schrieb alles auf Zettel, die er hin und wieder verlor, er machte manchmal einen verwirrten Eindruck. Seine Bücher- und Zeitungssammelei lief aus dem Ruder, für die Geschäfte interessierte er sich längst nicht mehr.

2012 war es offensichtlich: Dieter Trautmann wurde dement. Was für eine Chance! Ein Mann ohne Familie und ohne echte Freunde, dafür mit einem großen Haus und ein paar Eigentumswohnungen, driftete davon. Dass sein Erbe nicht an den Staat gehen sollte, das war ihm wichtig, das hat er oft gesagt. War es denn kein Freundschaftsdienst, ihm dabei behilflich zu sein? Und war ein Mann wie Peter Zorn, der das scheinbar verhindern wollte, dazu ein angeblicher Massenvergewaltiger, nicht eine Gefahr für Dieter Trautmann?

So kam es, dass Elga Sorbas sich mit Marianne Wagner zusammentat, einer selbstbewussten Kulturmanagerin mit eher unübersichtlichem Tätigkeitsbereich und ganz eigenen Stiftungsideen. Gemeinsam wollten sie jenen Mann entmachten, der dem wegdämmernden Millionär am nächsten war.

Sie ließen sich von Dieter Trautmann eine Vollmacht über seine Geschäfte ausstellen, Marianne Wagner übernahm die Verwaltung des Hauses. Und Elga Sorbas begab sich im Frühjahr 2013 mit Dieter Trautmann nach Sidi Ifni, Südmarokko, weit weg von Peter Zorn.

Und auch weit weg von Marianne Wagner. In Marokko ließ Elga Sorbas Trautmann ein Schriftstück verfassen, welches zum einen belegt, worum es ihr bei der Sache ging: Es ist eine testamentarische Verfügung ganz und gar zu ihren Gunsten. Zum anderen legt es den Verdacht nah, dass Dieter Trautmann zu diesem Zeitpunkt nicht so ganz bei der Sache war. Das Schriftbild ähnelt dem eines ungeschickten Erstklässlers, Worte wurden durchgestrichen und ein zweites Mal geschrieben, die Zeilen fallen nach rechts hin ab. Ein schwer dementes Auftragswerk.

Trautmann ging es dreckig

2014 wurde es dramatisch. Trautmann hatte sich den Oberschenkelhals gebrochen und wurde in Marokko operiert, sein Zustand war jämmerlich, er durfte nach Meinung der Krankenhausärzte nicht transportiert werden, Marianne Wagner, die inzwischen von dem Testament für Elga Sorbas erfahren hatte, eilte herbei, gemeinsam mit drei Männern, versuchte ein Testament zugunsten einer Stiftung ausstellen zu lassen, der sie vorstand, was ihr nicht gelang, überredete den ahnungslosen Hans-Christian Ströbele, alles in Bewegung zu setzen, um Trautmann einen neuen Pass zu verschaffen, was gelang, sie holte Trautmann aus dem Krankenhaus und ließ ihn 500 Kilometer durchs Land fahren, gemeinsam flogen sie nach Berlin, die Hüfte war, mutmaßlich durch den Transport, frisch ausgekugelt, Trautmann ging es dreckig, weitere Operationen standen an.

Es gibt schlimme Handyfilme aus Marokko, die Marianne Wagner und ihre Freunde gemacht haben. Trautmann sitzt da abgemagert und halbnackt in seinem Bett, während sie lange und vielstimmig auf ihn einreden. Er soll verschiedene Dokumente unterschreiben, unter anderem den Widerruf der Vollmachten für Elga Sorbas. Er kann offensichtlich dem ganzen Treiben überhaupt nicht folgen – und unterschreibt. Wagner wollte mit den Aufnahmen wohl dokumentieren, dass die Unterschriften echt waren und dass sie und ihre Freunde dem Hilflosen halfen. Aber das, was man da sieht, erzählt eine ganz andere Geschichte.

An Trautmanns Berliner Krankenbett kam es zu absurden Begegnungen zwischen Elga Sorbas nebst Freundin und Vertrauten von Marianne Wagner. Die Polizei wurde gerufen, Anzeigen wurden erstattet.

Eine Operation geschah, eine weitere sollte folgen, da verschwand Dieter Trautmann plötzlich. Jetzt war es Marianne Wagner, die sich mit ihm auf große Tour machte, in die Schweiz, nach Österreich und Slowenien.

Es ist nicht so leicht, an Marianne Wagner zu gelangen, sie ist viel unterwegs. Schließlich ruft sie zurück und spricht mit mädchenhafter, freundlicher Stimme. Man muss schon ziemlich tief in der Materie stecken, um ihr angemessen zu begegnen: mit dem größten Misstrauen.

Warum also ist sie mit dem schwerkranken Mann so weit gereist? „Zur Erholung“, sagt sie, und: Sie wollte ihn „in Sicherheit“ bringen. Sie sei bedroht worden, arabische Mafiatypen, Hells Angels hätten sie eingeschüchtert, auch Trautmann sei in Gefahr gewesen. Aber wer soll denn die geschickt haben? Das wisse sie nun auch nicht, Peter Zorn vielleicht? Es sei doch allgemein bekannt, wie gefährlich der Mann sei.

Hätte sie da nicht besser die Polizei geholt, statt mit dem schwer dementen, hüftkranken Dieter Trautmann zu verschwinden? Schwer dement? Es habe einen Verdacht auf Demenz gegeben, sagt sie, aber sie habe jederzeit jeden Schritt mit ihm abstimmen können.

Da lügt nun entweder sie oder es logen damals die Fachleute vom Krankenhaus und von der Krankenkasse, deren Gutachten Dieter Trautmann als wenig zurechnungsfähig beschreiben.

Was bleibt? Das Übelste: viel Geld

Marianne Wagner mietete für Dieter Trautmann ein Haus in einem slowenischen Dorf, engagierte Pfleger – und reiste ohne ihn weiter durch die Welt. Im Sommer 2016 verkaufte sie kraft ihrer Vollmacht Trautmanns Haus in Kreuzberg. Es sei, wie sie sagt, nicht mehr genug Geld für die Betreuung in Slowenien auf Trautmanns Konto gewesen. Denn die Mieteinnahmen habe in der Zwischenzeit nicht mehr sie eingezogen, sondern Elga Sorbas und dann ein Rechtsanwalt, der von einem Gericht eingesetzt worden war, um die Dinge in gerade Bahnen zu lenken.

Spätestens 2015 war es aktenkundig, dass hier etwas gründlich schiefging. 2016 gelangte die Nachricht nach Berlin, dass Dieter Trautmann sich wieder in einem schlimmen Zustand befand. Die Pfleger in Slowenien waren vollkommen überfordert. Der Anwalt schaffte es, ihn von dort in ein Berliner Heim zu bringen. Da ist er im Januar gestorben.

Es heißt, sowohl das Haus von Dieter Trautmann als auch die Wohnungen seien von Marianne Wagner und dem Betreuungsanwalt zu viel zu niedrigen Preisen verkauft worden. Das Guthaben auf dem Erbkonto dürfte gut eineinhalb Millionen Euro betragen. Als er noch bei Trost war, hatte Dieter Trautmann sich gewünscht, dass es eine Stiftung geben sollte, irgendetwas Wohltätiges mit seinem Namen drauf. Das sollte bleiben von seinem Leben.

Und was bleibt? Die Erinnerung an das unwürdige Gezerre um einen immer weniger Beteiligten. Und die Erinnerung an einen hochgebildeten Mann, der sich in der Theorie verzettelte und in der Praxis scheiterte. Da hatte ihn das Erbe seiner Mutter zum unglücklichen Immobilienspekulanten gemacht sowie zum Ziel unglücklicher Erbspekulanten.

Seine Bücher sind weg, entsorgt. Die Keller seien nass gewesen, heißt es. Es bleibt das Übelste von allem, das Geld. Sowie zwei Testamente, eins aus den frühen 80ern, in dem Dieter Trautmann seine damalige, einzige langjährige Lebensgefährtin als Erbin eingesetzt hat. Und jenes spätere, ungelenke, das Elga Sorbas sich in Marokko ausstellen ließ. Sie ist im April gestorben. Der Streit um ihre Hinterlassenschaft hat längst begonnen.

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