„GoT“-Finale: Ein Akt der Versöhnung nach acht großartigen Jahren
Die Fans können aufatmen: "Game of Thrones" ist tatsächlich beendet. Zehn Anmerkungen zum Finale der Fantasy-Serie, mit Spoilern.
1. Endlich ist Schluss mit diesen ewigen Spekulationen. Die Welt weiß jetzt, wie „Game of Thrones“ endet. ACHTUNG Spoileralarm! Daenerys Targaryen ist tot, Bran Stark wird über sechs Königreiche herrschen, Sansa Stark Königin des Nordens und Jon Snow geht mit den Wildlingen hinter die Mauer. Und sogleich knallt es wieder in den Foren.
Würdiges oder unwürdiges Ende, die Wahrheit liegt nicht zwischen den Polen, sondern nur an den Enden, weil jeder seine ganz eigene Meinung dazu hat. In der Summe aller Urteile läuft es auf ein Unentschieden hinaus, merkwürdig bei einer Serie, die nichts so sehr wie Unentschieden, sprich Nicht-Entschiedenes gehasst hat.
2. Die finalen 80 Minuten waren ein langer Abschied und eine stille, reflektierte Neuordnung von Macht und Mächten. Und jede Figur hat quasi nicht nur ihr Schicksal bekommen, sondern ihr Schicksal akzeptiert – allen voran der totenbleiche Jon Snow. Und Demokratie soll in den Königreichen ausbrechen. Und, und, und... die Serie hat im Wortsinne Frieden mit sich selbst geschlossen. Ein Finale, das ein angemessenes Ende war.
3. Acht Staffeln und 73 Epsioden: Aus der Adaption der Romane von George R.R. Martin ist, als der Ursprungsstoff aufgebracht war, eine Interpretation durch die Showrunner David Benioff und D.B.Weiss geworden. „GoT“ ging in die Verlängerung – und für nicht wenige Fans in die falsche Richtung. Die Serie hatte sich dermaßen in Hirn und Herz der Afficionades gesetzt, dass tatschlich kein Ende das bessere Ende gewesen wäre. Weil dann die Fantasie eines jeden Zuschauers die Fiktion übernommen hätte.
4. Einspruch: Kein Ende? „GoT“ hat vom ersten Tag seiner acht Jahre, von der ersten Szene seiner acht Staffeln auf sein Finale hin gearbeitet. Da mussten die Fäden zum Knoten geschürzt werden, auf dass im Finale des Finales dieser durchgeschlagen werden kann. Es ist geschafft. Aber weil in Westeros stets die Machtfrage gestellt wurde und das Recht des Stärkeren den Charakter eines Grundrechtes hatte, wäre eine Fortsetzung in der „GoT“-Perspektive möglich.
5. Seien wir uns gegenüber ehrlich: Die Kräfte aber sind erschöpft. Und das Ende ist nur ein Moment unter zahllosen Momenten, an die sich die Wegbegleiter erinnern werden. Der emotionale wie intellektuelle Reichtum wird durch das Finale überhaupt nicht geschmälert.
Und weil die Autoren im Finale, anders als in den finalen Episoden, nicht auf Überwältigung und damit auf Ermattung im unnötigen Höhepunkt gesetzt haben, ist das Ende von „Game of Thrones“ ein Akt der Versöhnung. „GoT“ muss als Gesamtkomplex gewürdigt, erinnert und geliebt. Es waren acht großartige Jahre. Das Ende eines Moments ist nicht das Auslöschen von Momenten.
Selbst Stephen King hat Probleme bei den Romanenden
6. Haben Sie Horrorgeschichten von Stephen King gelesen? Der Autor hat Meisterwerke der Spannung geschrieben, nur Lösung und Ende hatten und haben stets etwas Gewolltes und Verkrampftes, was kaum einen hindert, sich sofort den nächsten King-Thriller reinzuziehen. Die King-Aura entfaltet sich nicht auf den letzten fünf Seiten, sondern auf den 800 Seiten zuvor. Und die „GoT-Macher haben den Fans wenigstens so ein schrecklich verquastes, elaboriertes Ende wie „Lost“ erspart.
7. Nicht wenige Kritiker würdigten die Serie „Game of Thrones“ als Fernsehen gewordener William Shakespeare, dieses unvergleichliche Genie des Königsdramas. Halte ich für falsch. „Game of Thrones“ ist ein Produkt, das sich von Shakespeare weg und auf George Romero hin entwickelt hat.
Der Autor und Regisseur aus New York, gestorben 2017, gilt als Mitbegründer und einer der wichtigsten Vertreter des Horrorfilms. „Die Nacht der lebenden Toten“, „Zombie“, „Stephen Kings Stark“, das sind vordergründige Schocker und hintergründige Kommentare zur Zeit.
„Game of Thrones“, dieses so ferne Mittelalter nimmt ewige Grundwerte und unverrückbare Grundzüge des Menschlichen und des Menschen auf. Beides kann so oder so als Fernsehroman erzählt werden, hier treibt der Horror in und zwischen den Menschen die Handlung.
8. „Game of Thrones“ gehört in eine Linie mit „Breaking Bad“, diese Meisterwerke von moralischer und narrativer Spannung. Beiderlei Fans haben die Serien quasi aufgefressen, wenn sie nicht von diesen aufgefressen wurden.
Es ist diese Grausamkeit, diese Kriegslüsternheit, dieser sexuelle Hunger, dieser brutale Witz, diese überwältigende Emotion, die die Figuren von „GoT“ offensiv und die Walter White sublim kennzeichnen. Ständig dreht sich die Story um die Grundfrage, was der Mensch sein will, was ihn tatsächlich hindert, gut oder wenigstens nicht böse zu sein. Gangsta mit Willen oder wider Willen, so geht diese Geist-und-Körperspannung in den "GoT"-Überlebenden.
9. „Game of Thrones“ ist im April 2011 gestartet. Da war Barack Obama erst zwei Jahre im Amt des US-Präsidenten. Mit ihm war der „Yes we can“-Optimismus ins Weiße Haus eingezogen, geadelt durch die Verleihung des Friedensnobelpreises 2009. Da musste „Game of Thrones“ wie ein pessimistischer, blutiger Gegenentwurf erscheinen. Aber die globale Lage 2019 vermittelt den Eindruck, dass sich die Welt auf „Game of Thrones“ zubewegt hat – und nicht von der Fiktion weg.
10. Und was jetzt, nach dem Ende von „Game of Thrones“, dieses popkulturellen Phänomens, das eben nicht nur Fan-Fernsehen war, sondern genauso eine parallele Fan-Bewegung, so schrill, so amüsant, so emotional wie das Produkt selbst? Winter is coming?