Nach Preisverleihung an Kollegah: Echo-Veranstalter wollen Musikpreis nach viel Kritik überarbeiten
Die Echo-Verleihung an die Rapper Kollegah und Farid Bang hat Empörung ausgelöst. Auch der Preis selbst gerät in die Kritik. Der Bundesverband Musikindustrie will Konsequenzen ziehen und das Konzept überarbeiten.
Angesichts des Proteststurms nach der Echo-Verleihung an die Rapper Kollegah und Farid Bang will der Veranstalter das Konzept erneuern. „Als Konsequenz daraus wird der Preis auf Entscheidung des Vorstandes vom heutigen Tag nun überarbeitet werden“, erklärte Florian Drücke, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Musikindustrie (BVMI), am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur.
Der ARD-Koordinator für Unterhaltung stellte den Musikpreis insgesamt in Frage. Es gebe nur eine sinnvolle Reaktion der Musikindustrie, schrieb Thomas Schreiber in einem Gastbeitrag für „Die Welt“: „Eine Entschuldigung und die Erkenntnis, dass dieser Echo keine Berechtigung mehr hat: weder inhaltlich noch moralisch.“
Wenn man einen Preis konzipiert, dessen einziges Kriterium der wirtschaftliche Erfolg ist, kommt eben sowas bei raus. Genauso wie die Dauernominierung von Helene Fischer.
schreibt NutzerIn dinsdale
Das Notos-Quartett aus Berlin protestierte gegen die Ehrung der Rapper, indem es bei Facebook ankündigte, den im vergangenen Herbst gewonnen Preis Echo Klassik zurückgeben zu wollen: „Die Echo-Trophäe, die bis zuletzt noch in unserem Probenstudio in Berlin stand, ist für uns nun nichts mehr als ein Symbol der Schande.“
Ehrung der Rapper am 12. April verursacht Empörung
Die Rapper waren am Donnerstag für ihr als antisemitisch kritisiertes Album „Jung, Brutal, Gutaussehend 3“ mit dem wichtigsten deutschen Musikpreis ausgezeichnet worden. Es enthält die Textzeilen „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“ und „Mache wieder mal 'nen Holocaust, komm' an mit dem Molotow“. Empörung gab es auch, weil die Rapper am 12. April geehrt wurden: dem Tag, an dem besonders in Israel an die sechs Millionen ermordeten Juden erinnert wird.
Der BVMI-Vorstandsvorsitzende Drücke kündigte eine „umfassende Analyse und die Erneuerung der mit der Nominierung und Preisvergabe zusammenhängenden Mechanismen“ an. Details nannte er nicht. „Im Zuge der aktuellen Debatte mussten wir erkennen, dass wir uns in einem Umfeld wiederfinden, das den Preis in ein falsches Licht rückt“, betonte er. „Das darf nicht ohne Konsequenzen bleiben.“
Der Verband lehne jede Art von Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit, Homophobie und Gewaltverherrlichung ab, erklärte er. „Die Art und Weise der öffentlichen Befassung mit der Auszeichnung des Albums führte zu einer Welle der Betroffenheit, die uns sehr bestürzt und die den Preis überhöht und zugleich überfordert.“
Die Verleihung der Echo-Trophäen richtet sich in den meisten Kategorien nach dem Ergebnis der Verkäufe und einer darauf folgenden Juryabstimmung. In strittigen Fällen wird ein Beirat angerufen. Im Fall des Rap-Albums hieß es vor der Verleihung, die künstlerische Freiheit sei in dem Text „nicht so wesentlich übertreten“, dass ein Ausschluss gerechtfertigt wäre.
"An Zynismus und Rohheit nicht zu übertreffen"
ARD-Koordinator Schreiber nannte es beschämend und schamlos, dass sich die deutsche Musikindustrie in einer Live-Übertragung im deutschen Fernsehen (beim Privatsender Vox) am Gedenktag der Opfer des Holocaust auf diese Weise feiere. Es habe gleich ein dreifaches Versagen beim Echo Pop 2018 gegeben - „die Nominierung der beiden Ekelrapper Kollegah und Farid Bang, der sinn- und geschmacksfreie Auftritt dieser beiden am Ende der Show, die Sprachlosigkeit der Verantwortlichen“.
Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) erklärte, das Album der Rapper stehe bei dem Sender auf dem Index. Demnach wird in den WDR-Radioprogrammen - auch im Jugendradio 1Live - keine Musik daraus gespielt. Dies habe schon vor der Echo-Verleihung gegolten, sagte eine WDR-Sprecherin am Sonntag und bestätigte damit einen Bericht des „Handelsblatt“.
Beim Südwestrundfunk (SWR) hält man es genauso. Beim Jugendsender Dasding, der von der Musikrichtung her infrage gekommen wäre, laufe das Album generell nicht, sagte ein Sprecher. „Weil es von den inhaltlichen Aussagen nicht tragbar ist.“
Der jüdische Comedian Oliver Polak schrieb in der „Welt“: „Dass der Echo diese beiden „Künstler“ am Holocaustgedenktag auftreten lässt, ist an Zynismus und Rohheit nicht zu übertreffen.“ Es sei eine makabre Doppelmoral, sich von den Inhalten zu distanzieren und diese dennoch zur Primetime auszustrahlen. Polak schrieb auch, Menschen wie Kollegah seien der Grund, dass jüdische Jugendliche auf Schulhöfen gejagt werden.
Der Sender Vox, der die Preisverleihung ausgestrahlt hatte, verwies erneut auf die Einschätzung des Echo-Beirats, ein Ausschluss der Rapper sei nicht gerechtfertigt gewesen. „Diese Entscheidung akzeptieren wir“, erklärte der Sender auf Anfrage. „Und da es aufgrund der Entscheidung des Beirats keine Grundlage dafür gab, die beiden nicht auftreten zu lassen, haben wir den Auftritt auch ausgestrahlt.“ Ob Vox nächstes Jahr wieder die Show übertragen wird, ist noch offen. Die Entscheidung werde noch eine Weile dauern. (dpa)
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