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Die Fassung verliert „Tatort“-Kommissar Faber (Jörg Hartmann, r.), als er Markus Graf (Florian Bartholomäi) befragt. Der junge Mann ist ihm bereits gut bekannt.
© WDR/Thomas Kost

"Tatort" mit Jörg Hartmann: Durchgeknallt in Dortmund

Jörg Hartmanns vierter Fall als "Tatort"-Kommissar ist sein bisher spannendster: Mädchen werden ermordet, die Vergangenheit holt Faber ein - ein Psychoduell beginnt.

Erinnern wir uns: Der leicht durchgeknallte Kommissar Jörg Faber hat alles Mögliche, aber keine Höhenangst. Schon in der ersten Szene beim „Alter Ego“-Debüt des Dortmunder „Tatorts“ im September 2012 stand er seelenruhig auf einem Dach, dem Dach seiner alten Schule. Nur ein Schritt trennte ihn vom freien Fall. Dem besorgten Hausmeister erklärte er, er wolle nur „ein bisschen in der Vergangenheit stöbern“. Seitdem hat Faber fleißig weitergestöbert und ist mit seinem Team bei Folge vier angelangt, – und wieder wird sich der Kommissar gefährlich nahe an die Kante eines Dachs begeben. Erneut ist Fabers Vergangenheit Thema, diesmal sogar persönlich anwesend: Ein junger Mann, der Sohn eines Mörders und Vergewaltigers, den Faber in seiner Zeit als Polizist in Lübeck überführt hatte.

Die zwölfjährige Miriam wird tot und missbraucht aufgefunden

In „Auf ewig Dein“, der bisher spannendsten Folge aus Dortmund, scheint sich die Lübecker Mordserie an jungen Mädchen fortzusetzen. In einem Wald verscharrt, wird die zwölfjährige Miriam tot und missbraucht aufgefunden. Außerdem wird die 13-jährige Lisa vermisst. In Verdacht gerät Miriams Stiefvater (Hans-Jochen Wagner), auf dessen Computer pornografische Kinderfotos gefunden werden. Ins Visier gerät außerdem die Reinigungsfirma von Lisas Vater (Martin Reik). Dort arbeitet auch Markus Graf (Florian Bartholomäi), der Sohn des Lübecker Täters. Damit bekommt die klassische Tätersuche eine Wendung hin zu einem Duell mit allerlei Psychospielchen, vorangetrieben durch die Suche nach Lisa.

Gleich vier Ermittler müssen zu ihrem Recht kommen

Es hat etwas gedauert, bis der WDR mit seinem dritten „Tatort“-Team (neben Köln und Münster) in die Gänge gekommen ist. Das mag daran liegen, dass hier nicht nur abgeschlossene Fälle erzählt, sondern Handlungslinien über die einzelnen Folgen hinaus gezogen werden – ähnlich wie im Rostocker „Polizeiruf“ mit Charly Hübner und Anneke Kim Sarnau. Aber zugleich müssen vier Ermittler (und Hauptrollen) zu ihrem Recht kommen, was die Sache unübersichtlicher macht. Faber wurde durch den Unfalltod seiner Frau und seiner Tochter beinahe in den Wahnsinn getrieben. Seine erfahrene Kollegin Martina Bönisch plagen Beziehungsprobleme und Einsamkeit, die sie zwischenzeitlich Zuflucht bei einem Escort-Service suchen ließ. Und die beiden Youngster Nora Dalay und Daniel Kossik bemühten sich vergeblich, ihre Liebe am Arbeitsplatz zu verbergen.

Die privaten Sorgen sind kein schmückendes Beiwerk

Was für Dortmund spricht: Die privaten Sorgen sind hier kein schmückendes Beiwerk. Vielmehr haben die Figuren ihre eigenständigen Geschichten, die sich wie im echten Leben auf das Berufsleben auswirken. Mit einigen Kunstgriffen, versteht sich. So begegnet die von Anna Schudt gespielte Bönisch ihrem Callboy auf dem Präsidium; der Mann hat nebenbei offenbar auch Drogen verkauft. Unangenehm für Bönisch, die ihr privates Vergnügen natürlich nicht gerne offenbaren möchte und deshalb erpressbar wird. Außerdem steht das junge Kommissar-Paar vor einer wichtigen Entscheidung, denn Nora Dalay (Aylin Tezel) ist schwanger.

In Dortmund wird behutsam mit diesen verschiedenen Fäden weitergesponnen, ohne dass sich das Ganze zu einem unentwirrbaren Knäuel verheddert. Autor Jürgen Werner, der alle vier Drehbücher geschrieben hat, liefert den Beweis, dass sich eine an komplexere Serien angelehnte Erzählweise durchaus auch in einer aus losen Einzelfolgen bestehenden Krimireihe verwirklichen lässt. Mit dem Nachteil allerdings, dass die Fortsetzung einige Monate auf sich warten lassen wird. Die Dreharbeiten zum fünften Fall („Dorstfeld“), wieder aus Werners Feder, beginnen im März, die Ausstrahlung soll noch 2014 erfolgen. Aber der „erste Entwicklungsbogen“ sei nun erst einmal zu Ende gebracht worden, sagt Werner. „Es werden die letzten offenen Fragen beantwortet und eine Basis geschaffen, die neue Entwicklungen möglich macht.“

Faber führt sich wie ein Besessener auf

Die Figuren jedenfalls sind reifer geworden. Auch der selbstzerstörerische Faber, der in seiner Wut schon mal Schreibtische und Waschbecken zertrümmert und sich bei den Ermittlungen wie ein Besessener aufführt. Jörg Hartmanns Darstellung ist pure Energie, wird in „Auf ewig Dein“ aber differenzierter. Regisseur Dror Zahavi, der mit Autor Werner auch beim WDR-„Tatort: Franziska“ zusammenarbeitete, sieht Faber „nicht so extrovertiert“. Der Kommissar handelt bisweilen sogar rational und bleibt gerade in den Szenen beherrscht, in denen er perfide provoziert wird. Absturzgefahr besteht dennoch, auch im buchstäblichen Sinne.

„Tatort: Auf ewig Dein“; ARD,

Sonntag, 20 Uhr 15

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