Sigmar Gabriel vs. Marietta Slomka: Duell jenseits des gewohnten Politfernsehtheaters
Es war das einzig wahre TV-Duell: Heftig stritten sich Marietta Slomka und Sigmar Gabriel im „heute-journal“. Das ZDF verteidigt seine Moderatorin gegen den Vorwurf der Parteilichkeit. Auch Gabriel bekommt Unterstützung - von CSU-Chef Horst Seehofer und Parteifreund Peer Steinbrück.
Na bitte, jetzt gab es doch noch ein TV-Duell im laufenden Jahr. Am 1. September war das ausgefallen, als vier Journalisten auf CDU-Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Herausforderer Peer Steinbrück trafen und das Sextett im ritualisierten Spielmodus Fragen und Antworten tauschte. Der SPD-Chef Sigmar Gabriel war nicht geladen, die ZDF-Moderatorin Marietta Slomka nicht gebeten worden.
Schade eigentlich, denn was sich der Politiker und die Journalistin im „heute-journal“ am Donnerstagabend gegenseitig an den Kopf warfen, das war jenseits des gewohnten Politfernsehtheaters. Verabredet war ein Live-Interview: Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel war zu Marietta Slomka ins Studio geschaltet, um sich zum anstehenden Mitgliederentscheid der Parteimitglieder über den schwarz-roten Koalitionsvertrag zu äußern.
Es ging vergleichsweise ruhig los
Bevor das Gespräch verbissen wurde, ging es vergleichsweise ruhig los. Slomka zweifelte an, dass die Urabstimmung „ein Selbstläufer“ werde, worauf Gabriel erwiderte: „Also dann müssen Sie hier eben nicht zugehört haben, wenn Sie diese Meinung haben. Hier gibt es eine große Zustimmung, aber das werden Sie dann in Mainz wohl nicht gehört haben.“ Die Moderatorin insistierte, dass es auch verfassungsrechtliche Bedenken gebe, fragte, ob sich Gabriel Gedanken darüber gemacht habe. „Nö, weil das ja auch Blödsinn ist“, erwiderte er. „Den Verfassungsrechtler, der das behauptet, den möchte ich mal sehen.“ Gabriel griff Slomkas Kompetenz an: „Das ist völlig falsch, was Sie sagen.“ Kurz darauf: „Seien Sie mir nicht böse, Frau Slomka, aber ich kann die Argumente nicht wirklich ernst nehmen“. Dann bat er: „Tun Sie mir einen Gefallen, und lassen Sie uns diesen Quatsch beenden. Das hat doch mit der Wirklichkeit nichts zu tun.“
Gabriel wurde schier persönlich, als er Marietta Slomka quasi nicht nur die Qualifikation für ein sachlich-fachliches Gespräch absprach, sondern auch ihre journalistische Unabhängigkeit anzweifelte: „Es ist nicht das erste Mal, dass Sie in Interviews mit Sozialdemokraten nichts anderes versuchen, als uns das Wort im Munde umzudrehen.“ Slomka replizierte: „Sie werden mir jetzt bitte nichts unterstellen. Man muss das ja nicht so sehen, aber man muss es zumindest diskutieren.“ Gabriel, schon deutlich defensiver: „Wir müssen in der Frage ja auch nicht einer Meinung sein.“ Wieder Slomka: „Ne, das ist ja auch nicht meine Meinung, sondern ich trage die Meinung von anderen an sie heran.“ Danke an Sigmar Gabriel und Ende.
Ein veritabler Zweikampf ums Rechthaben
Da hatte das Interview längst den Interview-Modus verlassen und war ein veritabler Zweikampf ums Rechthaben und den starken Wunsch geworden, den jeweils anderen (in die Ecke) zu stellen. Gabriel war nicht mehr der gelassene Vorsitzende, Slomka nicht mehr die gelassene Journalistin.
4,33 Millionen Zuschauer (Marktanteil 14,8 Prozent) verfolgten das Wortgefecht am Donnerstag, am Freitag sahen sich viele den Beitrag noch einmal in der ZDF-Mediathek und auf Youtube an.
Gabriels offensichtlicher Vorwurf, dass die Moderatorin offenbar der SPD feindlich gesonnen sei und sie aus dieser Haltung heraus in Interviews schlecht behandele, wollte und konnte der Sender nicht stehenlassen. Anne Reidt, Redaktionsleiterin „heute-journal“, sagte am Freitag: „Es ging hart zur Sache und um die Sache“. Argumentativer Schlagabtausch und Verbalgefecht seien Instrumente des politischen Journalismus. „Den Vorwurf der Parteilichkeit wies die Moderatorin entschieden und mit Recht zurück“, sagte Reidt. ZDF-Chefredakteur Peter Frey war in Sachen „Duell“ nicht zu sprechen.
Slomka selbst wies Gabriels Vorwurf der Parteilichkeit in einem „Bild“-Interview zurück: „Die Vielzahl von Interviews, die ich in den letzten zwölf Jahren geführt habe, belegen, dass dieser Vorwurf jeder Grundlage entbehrt. Ich trage keine parteipolitische Brille. Als Journalistin habe ich die Aufgabe, Politiker mit Kritik zu konfrontieren“, sagte Slomka. Auch Gabriel verteidigte seine harschen Antworten: „Man muss doch auch mal Emotionen zeigen“, sagte er am Freitag in einer Aufzeichnung für das RTL-Magazin „Sonntags live“. Wir sind ja keine kalten Fische und manche Journalisten glauben, wir Politiker seien so zum Watschenmann da.“ Das scheine etwas in Mode gekommen zu sein. Er finde das alles nicht dramatisch. „Man darf sich auch mal streiten.“
Horst Seehofer beschwert sich beim ZDF-Intendanten
CSU-Chef Horst Seehofer stellte sich hinter den SPD-Vorsitzenden und übte scharfe Kritik am ZDF. Er habe deshalb einen Brief an den ZDF-Intendanten geschrieben, sagte Seehofer am Freitag in München. Auch der bei der Bundestagswahl im September unterlegene damalige Kanzlerkandidat Peer Steinbrück nahm Gabriel in Schutz: „Ich kann mich an ein Interview im Wahlkampf mit Frau Slomka erinnern, das mir äußerste Disziplin und Höflichkeit abverlangt hat“, sagte er der „Bild“-Zeitung. „Politiker müssen sich keineswegs alles gefallen lassen. Etwas mehr Respekt im wechselseitigen Umgang täte uns allen gut.“
Slomka und Gabriel posteten den TV-Beitrag am Freitag jeweils auch auf ihren Facebookseiten. Beide bekamen Hunderte von Kommentaren. „Wie ein Sieger sieht Siggi aber nicht gerade aus“, schrieb ein Kommentator auf der Seite des SPD-Vorsitzenden. „Ich dachte gestern, ich bin in einer Satire-Sendung ... Unfassbar !! Und Sie sind Parteivorsitzender...?? Wohl vergessen, dass Sie auch die Medien brauchen ...“, echauffierte sich ein anderer Nutzer. Gabriel-Fans sahen den Politiker dagegen im Recht: „Diese Slomka ist unerträglich!!“, befand ein Nutzer, ein Anhänger beschwerte sich, dass Slomka bereits „vor der Wahl versucht hatte, Steinbrück vorzuführen“, sie habe einen „SPD-Komplex“.
Das sahen die Fans der ZDF-Moderatorin wiederum ganz anders. „So stelle ich mir kritischen Journalismus vor. Hartnäckig, aber nicht unfreundlich. Vielen Dank!“, lobte ein Kommentator. Von anderen Nutzern wurde die Moderatorin aber auch kritisiert: „Was war denn das für ein Zickenkrieg? Normalerweise schätze ich Frau Slomka sehr, hier kam es mir allerdings so vor, als würden vollkommen irrelevante Fragen aus den Fingern gesogen.“
Am Freitagnachmitag gab das ZDF dann bekannt, dass sich ZDF-Journalisten und der SPD-Chef zum exklusiven Gespräch verabredet haben. Am Montag um 19 Uhr 25 stellt sich Sigmar Gabriel den Fragen von Hauptstadtstudioleiterin Bettina Schausten und Chefredakteur Peter Frey. Möglich, dass das Format „Was nun, Herr Gabriel?“ zu einer Mischung aus Krisenbewältigung und Neuanfang geraten wird. Auch der Mitgliederentscheid soll Thema sein.