Neuer ZDF-Staatsvertrag: Die Politik regiert weiter mit
Bestimmte gesellschaftliche Gruppen werden vernachlässigt, die Staatskanzleien behalten ihre Macht: Kritiker glauben, dass auch nach der Novelle des ZDF-Staatsvertrags die Kontrollgremien des Senders nicht "staatsfern" genug sind.
Die Kritik am neuen ZDF-Staatsvertrag reißt nicht ab. Dessen Novelle war notwendig geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil im März 2014 eine Reduzierung von Regierungsvertretern und weiteren Politikern in den ZDF-Gremien auf ein Drittel gefordert hatte. Die Staatsferne des eigentlich staatsfernen öffentlich-rechtlichen Rundfunks soll so gestärkt werden. Ob das mit dem neuen ZDF-Staatsvertrag passiert, ist strittig. Jedenfalls für die Ständige Publikumskonferenz der öffentlich rechtlichen Medien e.V., die sich zur vorgelegten Novelle kritisch äußert. Möglich, dass wegen dieser wie anderer Stellungnahmen der Vertrag noch korrigiert wird, ehe er am 1. Januar 2016 in Kraft treten soll. Der Fernsehrat soll dann von jetzt 77 auf 60 Mitglieder verkleinert werden, der Verwaltungsrat von 14 auf zwölf.
Wichtige gesellschaftliche Gruppen würden in den Gremien vernachlässigt
Maren Müller ist Vorsitzende der Ständigen Publikumskonferenz. In ihrer Stellungnahme, die dem Tagesspiegel vorliegt, führt sie aus, dass „der neue Entwurf des Rundfunkstaatsvertrages leider keine signifikanten Änderungen in Richtung der grundgesetzlichen Vorgaben eines staatsfernen Rundfunks vorsieht“. Ihr Verein schließe sich in weiten Teilen der abweichenden Meinung von Verfassungsrichter Andreas Paulus zum Spruch des Gerichts an, „der die Nichterfüllung des Versprechens eines staatsfernen Rundfunks und Fernsehens konstatiert“.
Demnach sei eine Drittelquote, welche staatliche und „staatsnahe“ Vertreter umfasst, für die Gewährleistung der Vielfalt im ZDF nicht ausreichend. Die weitgehende Freiheit der Aufsichtsgremien von Vertretern des Staates sei aber erforderlich, um die Kontrollorgane des ZDF von staatlichem Einfluss zu emanzipieren. Zudem, so schreibt Müller weiter, würden relevante gesellschaftliche Gruppierungen in den Gremien weiterhin nicht angemessen berücksichtigt. So bringe die Reduzierung der Sitze für Parteien und gewählte Volksvertreter eine gravierende Benachteiligung der Opposition mit sich. „Die Ausgrenzung des parlamentarischen Bereichs und insbesondere der parlamentarischen Opposition widerspricht in eklatantem Maße den demokratischen Grundprinzipien der Bundesrepublik Deutschland“, argumentiert Müller. Auch fehle Sitz und Stimme für folgende Gruppierungen: die Konfessionslosen, das Publikum, Vertreter von jeder im Bundestag vertretenen Partei, Menschenrechtsorganisationen, Deutsche Kinder- und Jugendstiftung, Lesben-und Schwulenverband, ein Vertreter des freien Zusammenschlusses von StudentInnenschaften.
Auch die Grünen haben sich zu Wort gemeldet. Tabea Rößner, Sprecherin für Medienpolitik, nannte den Entwurf zum ZDF-Staatsvertrag „enttäuschend“. Die Ministerpräsidenten würden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts auf niedrigstem Niveau umsetzen. „Gerade was die Besetzung der Staatsbank angeht, kann von Vielfalt noch lange nicht die Rede sein. Anstatt den Einfluss der Regierungsvertreter zurückzudrängen, wurde auf Kosten der Parteien, insbesondere der kleineren, der Einfluss der Regierungsvertreter zementiert.“
Die Staatskanzleien üben zu viel Einfluss aus, sagt Grünen-Sprecherin Rößner
Für Rößner ist das eigentliche Ziel, „das ZDF von einem übermäßigen Staatseinfluss zu befreien“, damit verfehlt. Die Staatskanzleien behielten das Zepter in der Hand, der Sender wird weiterhin unter ihrer Anleitung durch zwei große politische Lager geführt. Dieses Ergebnis sei umso weniger verständlich, als dass die wesentlichen Kritikpunkte seit Monaten klar auf dem Tisch liegen. Die öffentliche Debatte scheine an den Senats- und Staatskanzleien komplett vorbeigegangen zu sein.
„Es bleibt zu hoffen“, erklärte Rößner, dass „auch die schriftlichen Stellungnahmen in der Anhörung jetzt nicht verpuffen. Die Rundfunkkomission sollte die zahlreichen Einwürfe ernst nehmen und sich öffentlich damit auseinandersetzen.“ Sonst werde der Eindruck erweckt, die Anhörung habe nur pro forma stattgefunden. Das wäre ein fatales Signal an die Beitragszahler.