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Monopoly mal anders.  Uwe Mundlos (Albrecht Schuch), Beate Zschäpe (Anna Maria Mühe, li.) und Uwe Böhnhardt (Sebastian Urzendowsky, re.) .
© SWR/Stephan Rabold

Filme zu Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe: Die NSU-Morde in der ARD

„Man muss bei denen schon das Menschliche suchen." Das Erste versucht sich an einer Aufarbeitung der NSU-Morde – mit Anna-Maria Mühe und gleich in drei Teilen.

Das mit der Pressefreiheit ist so eine Sache. Natürlich ist sie dem Grundgesetz hoch und heilig, aber noch höher und heiliger ist das Persönlichkeitsrecht. Niemand kann es Beate Zschäpe nehmen, da spielt es keine Rolle, dass ihre Übereinstimmung mit dem Grundgesetz mutmaßlich doch sehr überschaubar ist.

Eben deswegen haben sie bei der ARD doch bis zuletzt ein bisschen gezittert um ihr Projekt „Mitten in Deutschland: NSU“. Drei Filme, die sich aus verschiedenen Perspektiven dem Thema NSU widmen. Die beiden Uwes, Böhnhardt und Mundlos, sind tot. Aber Beate Zschäpe ist noch da, ihr wird gerade in München der Prozess gemacht, ihre Anwälte sind sehr agil. Deswegen war es schon sehr mutig vom deutschen Fernsehen, in diese juristische Auseinandersetzung hinein zu senden, und das ganz und gar nicht zurückhaltend.

Was das juristische Problem betrifft: Alles steht und fällt mit dem ersten Film, er heißt „Heute ist nicht alle Tage“. Im zweiten Teil geht es um die Opfer, im dritten um die Ermittlungen, nur im ersten treten die drei mutmaßlichen Rechtsterroristen persönlich auf. Anna-Maria Mühe als Beate Zschäpe, Sebastian Urzendowsky als Uwe Böhnhardt und Albrecht Schuch als Uwe Mundlos. Die Furcht, Zschäpes Anwälte könnten per einstweiliger Verfügung dazwischengrätschen, muss groß gewesen sein. Vorab-Vorführungen gab es unter konspirativen Bedingungen, die Schauspieler bekamen für den Fall von Anfragen Sprechblasen zugewiesen.

Schon der Titel ist provokativ. „Heute ist nicht alle Tage“ ist ein Zitat aus der Zeichentrick-Serie „Rosaroter Panther“. Ein harmloser Kinderspaß, der heute keiner mehr ist, seitdem sich der NSU auf den sogenannten Paulchen-Panther-Videos an seinen Morden ergötzte. „Heute ist nicht alle Tage, ich komm’ wieder Kinder, keine Frage.“

Die fiktionale Darstellung von Zeitgeschichte ist immer ein Balanceakt. Im konkreten Fall fördert er als Erkenntnisgewinn zutage, „dass der NSU nicht ein losgelöstes Phänomen von drei Durchgeknallten war, sondern Teil einer Gesellschaft, in der es einen gut gedüngten rassistischen Nährboden gab, der sich sehr schwer tat mit Integration“.

„Ich muss diesen Weg in den Osten einfach gehen"

So sagt es der Regisseur Christian Schwochow. Er wurde auf Rügen geboren, wuchs in Leipzig und in Ost-Berlin auf, machte sein Abitur in Hannover und ist drei Jahre jünger als Beate Zschäpe. Schwochow hat „Der Turm“ gedreht und „Bornholmer Straße“, Filme mit DDR-Bezug. „Ich muss diesen Weg in den Osten einfach gehen. Das klingt vermessen, aber ich glaube, ich bin einer der wenigen Regisseure, der versucht, bei diesem Thema zu einem Erkenntnisgewinn beizutragen. Der Film geht auch zurück auf die Zeit nach der Wende, als im Osten Anarchie herrschte. Die kleinen Kinder waren geschützt, die Eltern haben gekämpft, aber die Teenager waren eine verlorene Truppe.“

So wie Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos. Es gibt im ersten Teil der NSU-Trilogie Szenen, die verstören werden. Böhnhardt und Mundlos in braunen Uniformen in der Gedenkstätte Buchenwald, mit erhobenem rechten Arm vorm Lagertor. Oder wie die drei am Tisch sitzen und „Pogromly“ spielen, ein mutmaßlich von Zschäpe entwickeltes Gegenstück zu Monopoly. Böhnhardt liest eine Ereigniskarte vor: „Du hast auf ein Judengrab gekackt. Leider hast du dir eine Infektion zugezogen, zahle tausend Reichsmark an die Reichskrankenkasse.“

Das gesamte ARD-Projekt hat um die zehn Millionen Euro verschlungen. Ist es das wert? Unbedingt! Alle drei Filme zeigen auf überragende Weise, was Fernsehen zu leisten vermag. Das sind drei mal 90 Minuten, die das Publikum nicht schonen, die den Blick darauf lenken, was in diesem Land passiert. In Szene gesetzt wird das von herausragenden Schauspielern. Wer hätte sich vorstellen können, dass Sebastian Urzendowsky, der zierliche Christian aus dem „Turm“, den Psychopathen Uwe Böhnhardt spielen könnte? Oder Anna-Maria Mühe, der Vamp aus „Was nützt die Liebe in Gedanken“, die eiskalte Beate Zschäpe?

Beide machen ihren Job auf beklemmende Weise großartig. Urzendowsky als tumber, doch verletzlicher Nazi-Schläger. Mühe als frustriert-desillusioniertes Mädchen der Post-DDR, das an den entscheidenden Kreuzungen des Lebens immer falsch abbiegt. Dazu kommt Albrecht Schuch als verängstigend intellektueller Uwe Mundlos. Alle beantworten sie mit ihrem Spiel eindrucksvoll die Frage, ob man sich diesem Trio auch empathisch nähern darf. „Man muss bei denen schon das Menschliche suchen“, sagt Sebastian Urzendowsky. „Sonst nimmt man die Darstellung nicht ernst.“

„Die Täter – Heute ist nicht alle Tage“: Mittwoch, 20 Uhr 15. „Die Opfer – Vergesst mich nicht“, Montag, 20 Uhr 15. „Die Ermittler – Nur für den Dienstgebrauch“, Mittwoch, 6. April, 20 Uhr 15. Alles ARD.

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