Programmreform beim RBB: Die nächste Stufe
Mehr Multimedia & Aktuelles, Late-Night-Talk: Der RBB will weiter vom Quotenende weg kommen. Vor allem die Info-Sendungen um 21 Uhr 45 erhalten einen neuen Look.
Mit der Langeweile ist es ja so eine Sache. Für Schriftsteller-Flaneure wie Marcel Proust oder Peter Handke kann erzwungenes Nichtstun eine höchst kreative Angelegenheit sein. Für den Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), seine Intendantin Patricia Schlesinger und seine TV-Zuschauer ist das nicht so, da gilt seit geraumer Zeit der Werbe-Claim: „Bloß nicht langweilen“. Seit Start der RBB-Programmreform 2017 hängt dieser Spruch an den Litfaßsäulen dieser Stadt, um das leicht erneuerte Fernsehprogramm des seit Jahren als schnarchnasig empfundenen Hauptstadtsenders auch imagemäßig aufzupolieren. Nun soll es beim RBB noch spannender werden, Stufe zwei der Programmreform erfolgen.
Wichtigste Veränderungen: eine Art tägliches Late-Night-Format mit Jörg Thadeusz, eine Aufwertung der Kulturschiene sowie, vor allem, ein medienübergreifendes Veränderungsprojekt, das die öffentlich-rechtliche Nachrichtenkompetenz des RBB unterstreichen soll.
Konkret heißt das: Die Fernseh-, Radio- und Online-Nachrichten des RBB sollen vom 1. September an den einheitlichen Absender „RBB24“ tragen. Das betrifft insbesondere die Sendung um 21 Uhr 45. „RBB aktuell“ und auch alle bisherigen „RBB aktuell“-Sendungen am Nachmittag heißen zukünftig „RBB 24“ „ Wir machen so unabhängig vom Medium immer sofort klar: Hier sendet der RBB, hier gibt es Informationen in öffentlich-rechtlicher Qualität und nach öffentlich-rechtlichen Maßstäben“, sagt Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus dem Tagesspiegel.
"Brandenburg aktuell" und die „Abendschau“ um 19 Uhr 30 hingegen, die im September 60 Jahre alt wird, bleiben, titelmäßig zumindest, unverändert. Die Zuschauer einer der quotenstärksten Sendungen des RBB überhaupt wird man damit also nicht verschrecken. Zu welchen Irritationen die Änderungen von fest etablierten Sendernamen- oder Formattiteln führen können, hat man zuletzt bei der Umbenennung der einzelnen Sender der Deutschlandradio-Gruppe gesehen.
Neue Namen allein und ein neues übergreifendes Logo machen keine inhaltliche Auffrischung. Stichwort: Wiederholungsquote. Bisher wurden beim RBB in den späten Infosendungen Beiträge aus den Hauptnachrichtensendungen um 19 Uhr 30 nochmals aufgetischt. „Es werden um 21 Uhr 45“, so Schulte-Kellinghaus, „keine Beiträge mehr aus der ,Abendschau' und ,Brandenburg aktuell' wiederholt, wir wollen frische oder aktualisierte Stücke. Das Budget der Sendung um 21 Uhr 45 wird erhöht. Insgesamt haben wir eine Million Euro mehr in unser Kerngeschäft, die Nachrichten, gesteckt, die das gesamte Angebot aufwerten, als zweite Stufe der Programmreform, die sich, nach den Veränderungen in der Primetime, insbesondere um den späten Abend kümmert“.
Das RBB Fernsehen lebt auch um 23 Uhr 30
Über allem steht das neue Logo „RBB 24“. Es wird quasi in die Köpfe der Zuschauer gehämmert. Die online erfundene Marke soll, so der Programmdirektor, „auch in der TV-Präsenz unsere Multimedialität unterstreichen“. In allen anderen Wellen des Hauptstadtsenders sollen die Nachrichtenausgaben ab September mit einem Hinweis auf RBB24 enden. Die Aufbereitung der Nachrichten für das jeweilige Programm oder die jeweilige Region würden davon unberührt bleiben. Klar soll sein: Keine Einheitsnachrichten, keine Einheitsredaktion, sondern maßgeschneiderte Nachrichtenangebote für alle Ausspielwege, keine Änderungen an der Produktion.
Bloß nicht langweilen – dieser Anspruch gilt nicht nur für die Informations- sondern auch für die Unterhaltungsschiene. Hier bekommt RBB-Allzweckwaffe Jörg Thadeusz dienstags bis donnerstags ab 23 Uhr 30 eine weitere Chance, eine Art Late-Night-Talk aus Berlin, Gespräche mit Menschen, die an dem Tag die Nachrichten bestimmt haben. Ein erneuter Versuch, das etwas brachliegende Talk-Element des RBB zu erleben, wenn auch zu später Stunde. Schulte-Kellinghaus: „Wir zeigen damit: Das RBB Fernsehen lebt auch um 23 Uhr 30.“ Am Samstag, 18 Uhr 30, wird „RBB Kultur – Das Magazin“ fest verortet, moderiert von Franziska Hessberger. Das bislang dort gelaufene Format „RBB Reporter“ geht auf den Sonntag, 22 Uhr, montags ab 21 Uhr bekommt Sascha Hingst eine neue Quizsendung, „Jede Antwort zählt“.
Mehr aktuelle Information, ein bisschen späte Unterhaltung, zwei, drei Formate, ein Quizformat – das liest sich jetzt nicht wie eine weitere TV-Revolution. Mit der Intendanten Patricia Schlesinger, seit Juli 2016 im Amt, kam Aufbruchstimmung ins Haus, ein Kulturwechsel. Der RBB ist im Quotenranking der Regionalsender mit 5,9 Prozent Marktanteil allerdings immer noch Vorletzter. Nur der Hessische Rundfunk hat weniger Erfolg. Das Jahr 2017 wurde auch schon mit 5,9 Prozent abgeschlossen, eine leichte Steigerung nach 5,5 Prozent im Jahr zuvor. Die Fußball-WM, so ein RBB-Sprecher, habe zu saisonalen Einbußen geführt. Es ginge im Prinzip weiter aufwärts.
Das kann man mit den Zahlen so sehen, muss man aber nicht. Programmdirektor Schulte-Kellinghaus, auch schon seit März 2017 im Amt – gekommen, um das maue RBB-Programm umzukrempeln – muss jetzt liefern. So ist die Stimmung, so ist die Erwartungshaltung, im Haus und außerhalb des RBB.