Neue Serie, alte Bekannte: Die Macht des Serien-Ablegers: Spin-off!
"Fear The Walking Dead", "Better Call Saul", "The Punisher" - warum es immer beliebter wird, eine Serie aus einem bereits erfolgreichen Format hervorgehen zulassen.
Der Mensch mag, was er kennt. Altgediente „Tatort“-Kommissare geben ein Gefühl von Heimeligkeit, selbst wenn sie als „Schimanski“ längst eigenständig sind und nicht mehr im „Tatort“-Krimi ermitteln. Wenn „CSI: Vegas“ gefallen hat, wird es „CSI: Miami“ auch tun. Und wer „Breaking Bad“ mochte, für den ist es nur ein kleiner Schritt zu „Better Call Saul“. Willkommen in der Welt der Ableger, auf Neudeutsch: Spin-offs. Niemand hat so früh und schnell verstanden wie die Medien, dass sich der Mensch Rituale wünscht. Gerne alte Bekannte sieht. „Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht“, lautet ein Sprichwort. Man könnte auch sagen: Was der Bauer nicht kennt, sieht oder liest er nicht. Auch neue Formate haben durchschlagenden Erfolg. Aber das ist schwerer zu kalkulieren.
Wer im Herbst 2015 an Berliner Haltestellen wartete, sah oft riesige Netflix-Plakate für die Marvel-Verfilmung „Daredevil“ werben. Die Serie war ein Kracher des Streaming-Portals, das übrigens ermittelt hat, die Zuschauer seien spätestens ab Folge fünf so gefesselt gewesen, dass sie die Staffel auch zu Ende guckten. Die logische Konsequenz wurde Ende April bekannt gegeben. „Daredevil“ bekommt einen Ableger: „The Punisher“. Die Zombie-Serie „The Walking Dead“ erhielt bei Amazon Prime Video den Ableger „Fear The Walking Dead“, die gerade in die zweite Staffel geht. 2013 ließ Netflix „Breaking Bad“ den Spin-off „Better Call Saul“ folgen.
Spin-offs sind aber nicht erst seit dem Aufkommen von Streaming-Riesen ein Thema. Das erste klassische Fernsehbeispiel stammt aus dem Jahr 1960, als die US-Sender ABC und CBS mit der Sitcom „The Danny Thomas Show“ Quotensiege feierten. Konsequent wurde der Ableger „The Andy Griffith Show“ entwickelt, dessen Hauptfigur der Ursprungsserie entsprungen war. Der Medienwissenschaftler Rüdiger Petersen hat für den Zeitraum zwischen 1957 und 2007 fünfzehn „Ablegerserien“ in Deutschland identifiziert. Aus der „Schwarzwaldklinik“ wurde „Hallo, Onkel Doc!“, „Unser Charly“ mutierte zu „Hallo, Robbie“, für „Alarm für Cobra 11“ wurde „Einsatz für Team 2“ erfunden. Im englischsprachigen Raum ermittelte Petersen für denselben Zeitraum 89 Serien, die mit Spin-offs bedacht wurden, manche davon sogar bis zu fünfmal. So gab es 1979 etwa kurzzeitig „Mrs. Columbo“, in dem die Ehefrau des schrulligen Peter Falk kriminaltechnisch aktiv wurde. Und „Star Trek“, ursprünglich aus dem Jahr 1966, verwursteten die Produzenten ungeniert bis 2001 weiter. Der letzte Aufguss lief unter dem Titel „Star Trek: Enterprise“.
Was im Fernsehen funktioniert, geht auch gedruckt. Nur heißt „Spin-off“ in der Welt der Zeitungen und Magazine anders. Hier spricht man von „Line Extensions“. Darunter versteht man, wenn die „Auto Bild“ plötzlich einen Ableger namens „Auto Bild Allrad Polen“ ins Regal stellt oder es nicht mehr nur die „Brigitte“, sondern auch „Brigitte Wir“ gibt.
Eine bereits bekannte Marke wird dafür genutzt, eine noch kleinere, genauer definierte Zielgruppe zu ködern, die auch schon das Ursprungsprodukt mochte. Im Fall von „Brigitte Wir“ sind das Frauen ab 60, die im Gegensatz zu jüngeren Frauen nicht mehr ständig nach brandneuen Schminktipps suchen.
Im Fall der „Auto Bild Allrad Polen“ sollten sich offensichtlich gut situierte Herren angesprochen fühlen, die auf ihren Offroad-Reifen gern durch die Masuren brettern. Die Liste ließe sich fortsetzen. Gruner + Jahrs Kassenschlager „Stern Crime“ für Fans von Geschichten über echte Verbrechen ist ein weiteres erfolgreiches Beispiel der jüngsten Vergangenheit. Der „Stern“? Sagt mir was. Mal „Stern Crime“ ausprobieren, kann ja auch nicht schaden.
Auch „Brigitte Wir“ hat dem Verlag eine neue Leserschicht erschlossen: „Mit diesem Magazin konnten wir die Anzahl der Frauen, die wir mit der Markenwelt von ,Brigitte’ erreichen, um eine wichtige Zielgruppe erweitern“, sagt Iliane Weiß, Publisher Women" bei Gruner + Jahr.
„Ich hätte da noch eine Frage ...“
Bedeutet das, dass dem Zuschauer und Leser nur noch Einheitsbrei serviert wird? Dass es den Medien-Machern an Kreativität fehlt, etwas Neues zu entwickeln? Zumindest den Magazinen kann man das nicht allen vorwerfen. Dass „Geo“ irgendwann auch mit „Geo Epoche“ punkten wollte, war nachvollziehbar. In der Medienwissenschaft gilt immer noch das ungeschriebene Gesetz: „Der beste Weg ins Regal führt über das Regal.“ Übersetzt: „Geo“ ist für tolle Fotos und Reportagen bekannt – Ähnliches erwartet der Leser auch, wenn er über „Geo Epoche“ stolpert. Überdurchschnittlich viele Magazin-Ableger sind sehr erfolgreich, die Konzentration auf eine sehr genau definierte Zielgruppe funktioniert: „Spitz ist das neue breit“, sagt dazu Gruner + Jahr-Verlagsgeschäftsführer Soheil Dastyari.
Weniger Glück haben manchmal die Fernseh-Macher mit ihren Spin-offs. Der Zuschauer ist nämlich noch unberechenbarer als der Leser – vielleicht, weil um- oder ausschalten deutlich weniger Energie kostet, als sich bewusst für eine Zeitschrift zu entscheiden. „Mrs. Columbo“, die ermittelnde Gattin des „Ich hätte da noch eine Frage ...“- Inspektors, war beim Publikum so unbeliebt, dass ihre eigene Serie nach nur 13 Folgen abgesetzt wurde. In Deutschland wurde sie nicht einmal ausgestrahlt.
Zumindest manchmal sieht der Zuschauer eben doch lieber neue Freunde als alte Bekannte.
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