"The New Pope": Die größte Show auf Erden
Auf „The Young Pope“ folgt „The New Pope“: Paolo Sorrentino lässt den Vatikan wieder tanzen.
Vergebt ihm, denn er weiß, was er tut. Paolo Sorrentino, Autor und Regisseur, lässt schon in einer der Anfangssequenzen keinen Zweifel, wohin das Vatikan-Sequel „The New Pope“ den Zuschauer führen wird: in Sorrentinos Himmel-und-Hölle-Vorstellungswelt der katholischen Kirche. „The Young Pope“, der Sexy-Kirchenfürst des Jude Law, liegt nach einem Herzinfarkt im Koma. Spektakulär gebettet in einem Flügelaltar aus Geräten und vor einem Neonkreuz. Eine Nonne wäscht ihn, und berauscht von Lenny Belardo alias Pius XIII., masturbiert sie.
Pontifikat und Profanität, das Mysterium dieses Glaubens, dieser Kirche und seiner Machtzentrale in Rom, die Ränke, die Planspiele, wie Katholizismus und Vatikan zur wirklich größten Show auf Gottes Erdboden performt werden können, das werden auch die neun neuen Folgen ausbreiten. Das kann als intellektuelles (Königs-)Drama à la Shakespeare, als Kitchen-und-Kirchen-Soap, als wahnsinnig sorgfältige Inszenierung zwischen schnellem Poster und schwerem Ölgemälde genossen werden – Sorrentino bietet zahlreiche Leckerli-Ebenen an.
Koma heißt neues Konklave
Die erste Episode des Sequels nimmt einen interessanten Umweg. Der komatöse Papst fordert ein neues Konklave heraus, gewählt wird ein Niemand namens Don Tommaso Viglietti (Marcello Romolo). Er ist die Notoption des wahrlich nicht nach Strahle-Papst aussehenden Kardinalstaatssekretärs Angelo Violello (Silvio Orlando). Violello kann sich im Konklave gegen sein Ebenbild, Kardinal Hernández (ebenfalls Orlando), nicht durchsetzen. Also Don Tommaso, also Franziskus II. Der predigt radikale Armut und Bescheidenheit, gewünschte Marionette ist er auch nicht, die Franziskaner sind seine Prätorianer. Nicht allzu lange, dann wird der neue Pontifex vergiftet – oder waren es die Gebete der Kardinäle, die ihn abberufen sehen wollten?
In der Überzeugung, dass es immer einen Stellvertreter Gottes geben muss, Pius XIII. liegt weiter im Koma, wird Sir John Brannox (John Malkovich) angefragt und gewählt. Habemus papam! Der bietet Sakrament für Seele und Geist. Und dann bewegt Pius XIII. den kleinen Finger. Was sich anbahnt, ist ein nicht nur intellektueller Zweikampf des Post-Koma-Pontifex und des aktuellen Johannes Paul III. um den rechten, den richtigen Weg der katholischen Kirche in Gestalt und Ausprägung ihres Frontmannes.
Jude Law vs. John Malkovich
Das meiste davon spielt sich fern der Öffentlichkeit ab, für das „New Pope“-Publikum ist es durchs Schlüsselloch erkenn- und nachvollziehbar. Welch ein Vergnügen ist das Schauspiel von Jude Law und John Malkovich, wobei der Rest des Ensembles wahrlich nicht abfällt. Paolo Sorrentino („La grande bellazza“) und seine Crew wollen selbst die billigen wie die Schockmomente teuer und exquisit.
„The New Pope“ ist eine so wenig durchschnittliche Serie, wie „The Young Pope“ eine war. Die Figur des Papstes wird quasi entkernt und entleert, wie sie neu aufgeladen wird. Es gibt in dieser organisierten Religion Aspekte signifikanten wie irritierenden Glaubens. Das weiß einer wie Brannox, der Mann, der Mascara trägt, der aus dem wirklichen Leben, aus seinem sonderbar wirklichen Leben in Vatikan und Führungsrolle kommt. Johannes Paul III. will Stabilität und Balance durch Kompromiss erreichen, er ist moderat, nicht der Alte-Testament-Versteher, kein Hardliner wie Pius XIII..
Die neue Staffel wird darüber und vor allem in den Dialogen zwischen den Päpsten zu einer Auseinandersetzung, wie und womit ein Pontifex seine Katholiken inspirieren, aufputschen, verärgern und abstoßen kann. Das Metaphysische, das Heilige, Hochgehobene ist so nahe wie das Menschliche, Mörderische, Physische; sexueller Missbrauch, Flüchtlingskrise, Homosexualität, die Gefahr des Terrorismus, „The New Pope“ hat seine Unterströmungen.
Ernst und Spaß
Das macht Sorrentinis Arbeit enigmatisch, sie kann mit Tiefe oder mit Spaß gesehen werden oder als wilde Kombination von beidem.
Oder als berauschtes Arbeitszeugnis eines führenden Vatikanologen. Merkwürdigste Evokationen, Explorationen, lange Pausen, die Kamera von Luca Bigazzi fällt in endlose Fluchten, geht durch unzählige Räume, verharrt in üppigen Gärten. Details werden erzählt, sich an halbnackten Frauenkörpern delektiert, das Göttliche und das Sinnliche bekommen ihre Parts. Und während John Malkovich seinen Gottesmann fragil, unsicher skizziert, zeigt Jude Law den seinen mehr denn je als Anführer, als Posterboy Gottes.
„The New Pope“, eine Produktion von Sky, HBO und Canal+, ist „The Young Pope“, Staffel II. Macht nichts, wenn das einigen nicht eingeht. Vergebt ihnen, denn sie wissen jetzt, was sie tun.
„The New Pope“, Sky Atlantic HD, immer donnerstags Doppelfolgen; auf Sky Ticket, Sky Go und Sky Q komplette Staffel abrufbar
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