Polit-Drama "Der Rücktritt": Der letzte Akt der Wulffs
Vor zwei Jahren zog Christian Wulff die Konsequenzen. Der TV-Sender Sat 1 zeigt nun mit "Der Rücktritt" den ersten Film über den tiefen Fall des Präsidentenpaares.
„Es klingt, als müssten wir uns rechtfertigen“, sagt Bettina Wulff, und ihr Mann Christian, der Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, antwortet: „Da machen wir uns nur verdächtig“. Das Präsidentenpaar befindet sich in Katar, doch die Fragen der deutschen Journalisten nach dem Privatkredit für das Wulff’sche Haus in Großburgwedel werden immer drängender. Es ist der Anfang vom Ende der Präsidentschaft von Christian Wulff und zugleich der Ausgangspunkt des TV-Dokudramas „Der Rücktritt“ über die letzten 68 Amtstage des zehnten Staatsoberhauptes der Bundesrepublik.
Der kurze Wortwechsel in dem Film, den ARD und ZDF nicht haben wollten und der nun an diesem Dienstag bei Sat 1 läuft, sagt viel über die Grundhaltung der Protagonisten. Christian Wulff wird von Kai Wiesinger als großer Zauderer dargestellt. Ein Politiker, der nicht mehr handelt, sondern nur noch reagiert. Ein Mann, der von Tag zu Tag schrumpft, bis er am 17. Februar 2012 die befreienden Worte des Rücktritts ausspricht. Seine Ehefrau Bettina, im Film verkörpert von Anja Kling, wird leicht überhöht als Kämpferin gezeigt. Immer wieder wird sie Christian Wulff in den folgenden 90 Minuten dazu auffordern, den Kontrahenten die Stirn zu bieten. Doch es ist nicht an ihr, die Entscheidungen zu treffen.
Bettina Wulff will sich den Film "mit Freuden" ansehen
Die Ex-Ehefrau des Ex-Bundespräsidenten hat gesagt, sie werde sich den Film mit Freuden ansehen – auch wenn Bettina Wulff einschränkt, dass das fiktionale Doku-Drama im Zweifel nicht viel mit der Realität zu tun haben werde. Es ist kaum möglich, das Gegenteil zu beweisen, denn Regisseur Thomas Schadt, ein ausgewiesener Experte für Politikerporträts („Der Mann aus der Pfalz“), hat den Film als Eingeschlossenen-Drama konzipiert. Er zeigt, was sich im Schloss Bellevue hinter verschlossenen Türen zugetragen haben könnte. Produzent Nico Hofmann verbürgt sich dafür, dass sich sämtliche Äußerungen belegen lassen. Ein Teil der Fakten beruht auf dem Buch „Affäre Wulff“ der beiden „Bild“-Journalisten Martin Heidemanns (im Film mit bohrendem Blick: Thorsten Merten) und Nikolaus Harbusch. Zudem war der „Spiegel“-Mann Jan Fleischhauer Schadt beim Schreiben des Drehbuchs behilflich.
Abgekapselt von der Außenwelt, bereuen die Film-Wulffs nicht mehr die eigentlichen Ursachen für die absehbare Katastrophe, sondern nur noch die Fehler, die bei dem Versuch begangen wurden, die Angelegenheit unter den Teppich zu kehren. Einer davon war der Anruf bei „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann auf dessen Mailbox. Veröffentlicht wurde die Nachricht nie offiziell, doch dass mit Wulffs Kriegserklärung der Rubikon überschritten wurde, war nicht mehr zu leugnen. „Ich habe dir gesagt, du sollst ihn anrufen, aber nicht, dass du ihm auf die Box sprechen sollst“, wird sich Wulff dafür eine weitere Belehrung seiner Frau Bettina einfangen.
Das Schloss Bellevue wird zur Trutzburg im Tiergarten
Doch die Wulffs sitzen nicht allein in ihrer Trutzburg im Berliner Tiergarten. Es gehört zu den erhellenden Aspekten des Filmes, wie die beinahe unbedingte Loyalität geschildert wird, die der innere Kreis dem angeschlagenen Bundespräsidenten bis zum bitteren Ende entgegenbringt. Da ist zum einen Olaf Gaeseker (Holger Kunkel), der langjährige Weggefährte, ja Freund des Politikers. Als es eng wird, lässt Wulff ihn fallen. Auf die Träne, die sich Glaesecker danach aus dem Auge drückt, hätte der Schadt allerdings verzichten können. Ganz und gar der integre Leiter des Präsidialamtes ist Lothar Hagebölling (René Schoenenberger). Kein Wort der Kritik wird über seine Lippen kommen. Auch nicht über die von Valerie Niehaus, die Wulffs Sprecherin darstellt. Ihr Name wird nicht genannt. Sie gehört zu denen, die bei Produzent Hofmann intervenierten oder mit juristischen Schritten drohten, sollten sie in dem TV-Drama vorkommen. Die Rolle der murrenden Opposition übernimmt einzig der Protokollchef.
Sat 1 hat mit der Satire über Aufstieg und Fall des CSU-Politikers Karl-Theodor zu Guttenberg gezeigt, wie man sich einem solchen Thema publikumswirksam nähern kann. Der Fall Wulff hingegen konnte nur nüchtern-dokumentarisch umgesetzt werden. Das ist Thomas Schadt beeindruckend gelungen. Die Schauspieler bleiben als Akteure erkennbar. Der Druck, der auf den realen Personen lastete, ist dennoch in jeder Minute spürbar. „Der Rücktritt“ vermittelt keine neuen Fakten, aber einen weiteren Blick auf die Geschehnisse vor nunmehr zwei Jahren.
Der Zeitpunkt der Ausstrahlung hätte nicht besser gewählt werden können. Am Donnerstag wird das Urteil im Prozess gegen Wulff erwartet.
„Der Rücktritt“, Dienstag, 20 Uhr 15, Dokumentation „Der Fall Christian Wulff“, 22 Uhr 15, beide Sat 1