Nico Hofmann: Kein Mitleid mit Christian Wulff
Im Film "Der Rücktritt" werden die letzten Amtstage von Ex-Bundespräsident Christian Wulff aufgearbeitet. Für Mitleid mit dem gefallenen Politiker hat Produzent Nico Hofmann kein Verständnis.
Herr Hofmann, der Film „Der Rücktritt“ über die letzten Dienstwochen des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff und seiner damaligen Frau Bettina, den Sat 1 Ende Februar ausstrahlen will, ist so gut wie fertig. Womit hatten ARD und ZDF es eigentlich begründet, dass sie den Film nicht haben wollten?
Bei politischen Themen gibt es offenbar eine starke Hemmschwelle. Das habe ich schon beim Guttenberg-Film „Der Minister“ gemerkt. Die Sender wissen, worauf sie sich einlassen, es könnten Klagen in die Wege geleitet werden. Ich vermute zudem, dass die Zurückhaltung mit dem Hintergrundbetriebssystem der öffentlich-rechtlichen Sender, also auch mit den politischen Fronten im Rundfunkrat zu tun hat. Man muss schon mit starkem Konzept auftreten, um im Sender überhaupt eine Diskussion über einen solchen Film anzufangen.
Wie weit sind Sie mit dem „Rücktritt“ gekommen?
In einer Absage hieß es, der Prozess gegen Christian Wulff sei noch nicht beendet. Die Sorge war, dass man mit dem Film in ein laufendes Verfahren eingreifen würde. Aber genau das hat den Regisseur Thomas Schadt gar nicht interessiert. Wir haben uns für den Film genau auf die 68 Tage vom Bekanntwerden des Privatkredits bis zum Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten fokussiert.
Richtig ist aber auch, dass wenige politische Filme so aktuell sind.
Wir haben uns mit der Fertigstellung unheimlich Mühe gegeben. Unser Ziel ist es, genau dieses Nadelöhr zwischen dem möglichen Prozessende und der nachträglichen Betrachtung der Causa Wulff zu treffen. Der Film selbst ist ja ein Teil dieser Betrachtung, somit können sie ihn schwerlich in einem Jahr senden. Ich wäre am liebsten noch schneller fertig geworden, denn es ist ein Rennen mit der Zeit.
Für den Film spielt der Prozess doch aber gar keine Rolle.
Das stimmt. Ich hatte eher Befürchtungen, dass es zum Prozessende kommt, und die Presse eine Gesamtbilanz zieht. Das würde ich aber gerne mit dem Film begleiten. Am liebsten wäre es uns natürlich, der Film wäre einer der Kommentare zur Gesamtbilanz.
Mit welchen anderen Produktionen lässt sich „Der Rücktritt“ vergleichen?
So wie der Fall Wulff ohne Vergleich ist, gibt es auch keinen Vergleich mit einem anderen Film. Es passiert äußerst selten, dass ein Präsident eines Landes so schnell in eine solche moralische Fallhöhe gerät und am Ende nur noch zurücktreten kann. Ich habe das vor zwei Jahren ohne jede Häme oder jeden Zynismus mit großem Interesse verfolgt, es ging mir auch menschlich nahe. Allerdings: Ich fand die Recherchetätigkeit der Presse nicht nur berechtigt, sondern zwingend. Das versuchen wir jetzt mit dem Film zu zeigen, der ja auch aus drei Ebenen besteht: einer privaten, einer politischen und einer medialen.
Dazu passt, dass der Film wie eine Dokumentation mit szenischen Einspielern aufgebaut ist.
Das hatte zugleich den Vorteil, dass wir den Film schneller bearbeiten konnten. Die Grundlage ist das klug recherchierte Buch „Affäre Wulff“ von Martin Heidemanns und Nikolaus Harbusch. Durch die Arbeit des „Spiegel“-Journalisten Jan Fleischhauer wurde das Drehbuch für den Film noch einmal verfeinert. Das Ergebnis dieser Recherchen konnten wir somit kongenial in diesen Film einfließen lassen. Die Arbeit am Drehbuch selbst hat darum gar nicht so lange gedauert, weil die Vorlagen präzise dokumentiert waren.
Trotzdem bestand gerade bei diesem Stoff ein hohes juristisches Risiko. Hat es denn tatsächlich Klagen gegeben?
Es hat lediglich diverse Anwaltsschreiben gegeben. Unabhängig davon wurde die gesamte Entstehung des Films von uns auch juristisch immer wieder im Detail persönlichkeitsrechtlich begutachtet, so dass ich mich in der Sache selbst immer sicher gefühlt habe, dass der Film keine Persönlichkeitsrechte verletzt. Wir haben sorgfältig recherchiertes Material und zahlreiche Hintergrundgespräche geführt, durch die der Inhalt der relevanten Szenen auch belegt werden kann. Daher glaube ich nicht, dass es zu einem Verfahren kommt.
Der Film bricht aber ohnehin über niemanden den Stab. Weder über den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff noch über seinen treuen Weggefährten Olaf Glaeseker.
Ich wünsche mir persönlich, dass alle als Menschen in ihren Ambivalenzen begreifbar werden. Thomas Schadt hat versucht, die Charakteristika der handelnden Personen so weit wie möglich zu treffen. Nur bei Kai Diekmann, den ich außerordentlich schätze, ist der Auftritt mit wenigen Sätzen so kurz geraten. Dabei ist es gerade wichtig gewesen, die Seriosität der Presse zu zeigen. Mir behagt es gar nicht, wenn Schauspieler nun betonen, wie viel Mitleid sie mit Christian Wulff oder der Rolle haben. Die Presse hat berechtigt und richtig gehandelt, das gilt für die „Bild“-Zeitung genauso wie für die „FAZ“.
Neben den juristischen Risiken gibt es finanzielle. Ist ein Film wie der „Rücktritt“ für den Produzenten lukrativ?
Diese Produktion ist komplett unkompliziert. Sie hat den ganz normalen Rahmen eines TV-Movies. Sie wird genauso abgerechnet wie jeder andere Film.
Aber ein Verkauf ins Ausland ist vermutlich ausgeschlossen?
Vermutlich ist der Stoff zu deutsch. Aber mir gefällt unsere rasche Produktionslogistik aus einem anderen Grund. Ich weiß nun, wie schnell man einen aktuellen Film fiktional produzieren kann, so wie es die BBC übrigens häufiger macht.
Was bedeutet das für künftige Projekte?
Wir hängen uns gerade stark in die Problematik der NSA-Geschichte. Unter dem Titel „Der Informant“ wird es in einem RTL-Film um einen deutschen BND-Mitarbeiter gehen, der nach einem Zwischenfall seine Arbeit nicht mehr mit sich selbst und seinem Gewissen vereinbaren kann. Und in wenigen Wochen beginnen wir mit den Dreharbeiten zum RTL-Film über die Schlecker-Frauen.
Wer könnte die deutsche Snowden-Figur darstellen?
Das wäre eine wunderbare Rolle für Wotan Wilke Möhring. Vielleicht sogar noch jünger mit Volker Bruch. Aber dazu gibt es noch keinen Cast, auch wenn das Drehbuch schon sehr weit gediehen ist. Ansonsten ist es aber nicht so, dass das Tagesgeschehen andauernd tausend Stoffe hergibt, die sich zur Verfilmung eignen.
Der Kunstbetrieb könnte interessant werden.
Für die Rechte an der Biografie des Kölner Kunstfälschers Wolfgang Beltracchi habe ich beim Rowohlt-Verlag tatsächlich schon ein Gebot abgegeben. Mein Interesse habe ich sogar schon bekundet, als der Prozess gegen Beltracchi noch lief. Aber fix ist da noch gar nichts, weil wahrscheinlich 15 Produzenten um die Rechte bieten.
Das Interview führte Kurt Sagatz.
Nico Hofmann, 54, ist Vorsitzender der Geschäftsführung von Ufa Fiction. Für Sat 1 hat er zuvor „Der Minister“ produziert. Im Kino läuft gerade seine Produktion „Der Medicus“.