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Geschredderte Vögel. Auf einer Offshore-Anlage in der Nordsee sucht Hauptkommissar Stedefreund nach Hinweisen zum Verschwinden des Umweltaktivisten und findet tote Tiere.
© Radio Bremen

Geschredderte Vögel im Windpark: Der Bremer "Tatort" im Fakten-Check

Zugvögel, die von Windrädern geschreddert werden, Naturschützer, die auf einem Auge blind sind, Glaubwürdigkeits-Diskussionen auf Twitter: Was ist dran am "Tatort" aus Bremen?

Vorweg, diese Twitter-Kommentare bildeten die Ausnahme zum "Tatort" am Sonntagabend:

Dabei war das doch zumindest mal ein überraschendes Thema: Dieser Krimi ließ die Energiewende in neuem Licht erscheinen und die Ermittler - sonst gerne kritisiert bei Twitter - ein wenig in den Hintergrund rücken. Wer wusste das schon vorher so genau wie der Umweltaktivist Paulsen (Helmut Zierl), der hier gleich am Anfang auf der Nordsee verschwindet: Windkraft auf hoher See führt zu einem massiven Vogelsterben.

Millionen von Singvögeln überqueren die Nordsee im Frühjahr und Herbst. Im Gegensatz zu Seevögeln kennen sie sich dort nicht aus. Bei Wind und Regen schaffen sie die lange Strecke nur mit letzter Kraft. Und wenn sie dann bei vollkommener Dunkelheit die Positionslichter der Windräder sehen, steuern sie darauf zu und werden zu tausenden geschreddert wie im "Tatort" an den Windrädern dieses undurchsichtigen Unternehmers Lars Overbeck (Thomas Heinze).

Das Problem werde von Naturschützern oft verdrängt, weil sie auf das Thema Klimakatastrophe fixiert sind. Außerdem akzeptieren einige große Naturschutzorganisationen hohe Geldzahlungen von Windparkbetreibern, wenn sie auf eine Klage wegen Verstoßes gegen die deutsche oder europäische Naturschutzgesetzgebung verzichten, sagt Autor Wilfried Huismann.

Dem widerspricht die Windenergie-Agentur, das Netzwerk der Windenergiebranche in der Nordwest-Region: "Die Offshorewind-Branche hat und wird keine Umwelt- oder Naturschutzverbände bestechen." Und was die Gefahr für die Vögel betrifft: "Unter guten Wetterbedingungen ziehen die meisten Vögel nachts Höhen höher als die Windkraftanlage, so dass eine Gefährdung durch die rund 150 m hohen Anlagen unwahrscheinlich ist.

Die Offshore-Räder bringen erhebliche Risiken für die Meeresumwelt mit sich, sagt wiederum Kim Cornelius Detloff, Leiter Meeresschutz beim Naturschutzbund Deutschland NABU. "Wir beschäftigen uns sehr intensiv mit den Ausbauplänen und Einzelprojekten. Und auch wenn wir anerkennen, dass die Windkraft auf See ihren Teil zum Gelingen der Energiewende leisten muss, gehen Windparks eben nicht überall, und haben wir heute genehmigte Parks in Gebieten, die nach EU-Umweltrecht doch eher den bedrohten Arten vorbehalten sind." Ein negatives Beispiel sei der Park Butendiek.

Die Windräder bilden unnatürliche Hindernisse für See- und Zugvögel. Während beobachtet werden kann, dass die Vögel bei guten Wetterbedingungen ausweichen können, gibt es alarmierende Massenkollisionen von Zugvögeln bei schlechtem Wetter, Nacht, Wind, Regen. Im Jahr 2010 kollidierten an einem einzelnen Messmast in der Nordsee in einer Schlechtwetternacht 88 Vögel. Wie viele ins Meer fielen, blieb unbekannt. Das Schreckensszenario, so Detloff, wären solche Bedingungen zur Hauptvogelzugzeit von August bis Ende November, wenn sich Hunderte Turbinen drehen. Man arbeite aktuell an Radarerfassungen und Abschaltautomatiken, auch daran, wie Licht auf Vögel in der Nacht wirkt.

Autor Huismann hatte gelesen, dass einer der Gründerväter des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland), Ennoch zu Guttenberg, ausgetreten war, weil sein Naturschutzbund 2003 eine Klage gegen den Bau des Windparks Nordergründe zurückgezogen hat – und zwar gegen die Zahlung von 800 000 Euro für ein Naturschutzprojekt. Zu Guttenberg warf dem BUND Verrat an der Natur und „Käuflichkeit“ vor.

Starker Tobak und Hintergrund für den "Tatort", was die Twitterer in seiner Umsetzung aber kaum überzeugte.

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Der Interessenskonflikt zwischen Energieverbänden und Umweltkonzernen interessierte den Krimi-Fan beim Twittern nicht wirklich.

Bleibt die ernüchternde Erkenntnis, dass auch die erneuerbaren Energien schlimme Folgen für die Natur haben können. Bioenergie aus Pflanzen wie Mais oder Soja führt zu einer drastischen Verarmung von Flora und Fauna und vernichtet Regenwälder in Südamerika, Windkraft auf hoher See zu einem massiven Vogelsterben. Trauen könne man dabei wenigen, sagt nicht nur der Autor Huisman. Klageverzicht bei Umwelt-Vergehen wie in diesem "Tatort" angesprochen, das sei kein Einzelfall, sondern gängiges Geschäftsmodell. Auch mit Ornithologen und Gutachern haben die Autoren gesprochen. Sie haben ihnen die Gefährdung der Zugvögel durch Windräder im Meer bestätigt und auch erklärt, warum sie sich dazu öffentlich nicht äußern. Der Markt mit den gut bezahlten Auftragsgutachten durch Windparkbetreiber blühe und gibt vielen Biologen Lohn und Brot.

Markus Ehrenberg

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