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Mobbing? Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen? Julian Reichelt, Chefredakteur "Bild Digital" und Vorsitzender der "Bild"-Chefredaktionen, steht unter Druck.
© picture alliance / Bernd von Jut

Compliance-Untersuchung gegen Julian Reichelt: Der „Bild“-Chef ist kein unantastbarer Halbgott mehr

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wehren sich: Die Affäre um „Bild“-Chefredakteur Reichelt zeigt die Klimaveränderung im Springer-Verlag. Ein Kommentar.

Kann er bleiben oder muss er gehen? Julian Reichelt, Chefredakteur der „Bild“-Gruppe, muss sich einem Compliance-Verfahren im eigenen Haus stellen. Die Vorwürfe sind gewichtig, mehrere sind es, die über die vergangenen Jahre zusammengekommen sind.

Ein halbes Dutzend Mitarbeiterinnen haben dem Medienkonzern Machtmissbrauch, die Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen berichtet, von Nötigung und Mobbing ist die Rede.

Springer geht nun zweigleisig vor, derzeit kümmert sich ein Team um Chief Compliance Officer Florian von Götz um Aufklärung, zum internen Prozess kommt die externe Prüfung durch die Anwaltskanzlei Freshfields. Nach außen wird der Vorgang beschwiegen.

An der zwiefachen Reaktion der Konzernspitze wird klar, wie ernst der Vorgang genommen wird. Das mag am Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner, "Influencerin" Friede Springer oder dem gewichtigen Partner und Anteilseigner KKR liegen: Derartige Verstöße gegen den Verhaltenskodex müssen akribisch untersucht werden.

Was bei Kai Diekmann recht war, muss bei Julian Reichelt billig sein. Reichelts Vorgänger in der machtvollsten Position bei „Bild“ hatte sich dem Vorwurf des sexuellen Übergriffs zu stellen.

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Eine Springer-interne Prüfung, für den Konzern wie für Diekmann so peinlich wie notwendig, brachte dafür keine Bestätigung, um die eigene Prüfung gerichtsfest zu bekommen, wurde die Staatsanwaltschaft Potsdam eingeschaltet. Auch deren Ermittlungen brachten kein anderes Ergebnis als Diekmanns Unschuld hervor.

Klimaveränderung bei Springer

Die aktuellen Vorgänge um Reichelt zeigen, welche Klimaveränderung es nicht nur, aber auch bei Springer gegeben hat. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schweigen nicht länger, verstecken sich nicht, sie nehmen Compliance ernst, zeigen mit dem Finger auf Vorgesetzte. Der „Bild“-Chefredakteur, ein unantastbarer Halbgott, der nach Lust und schlechter Laune Menschen demütigen kann? Das war einmal, das ist nicht mehr.

„Bild“ ist Boulevard, ein ruppiges Blatt, das die zahlreichen Rügen durch den Deutschen Presserat wegen Verstößen gegen den journalistischen Verhaltenskodex verlachen kann – das inkriminierte, möglicherweise sexuell konnotierte Fehlverhalten kann der „Bild“-Verlages nicht ignorieren.

Wer permanent Attacken auf andere fährt, die fortgesetzte Polarisierung zum Geschäftsmodell erhoben hat, der darf sich nicht wie ein Unschuldslamm gerieren. Wenn der Boulevard rechthaberisch röhrt, kann nur eigene Unfehlbarkeit das Fundament für solches Selbstverständnis sein. Sonst wird’s heuchlerisch.

Der „Bild“-Chef soll gegen die Compliance-Regeln bei Springer verstoßen haben? „Noch mehr surreale Absurdität in einem Satz geht gar nicht“, schreibt dazu einer bei Twitter. Da tönt Misstrauen, ja Verachtung heraus.

Tatsächlich muss es so sein, dass auch für das Boulevardblatt gilt: Wer mit „Bild“ rauffährt, der fährt mit der „Bild“ auch wieder runter. Springer muss sich selber ernst nehmen, bei Reichelt agieren und reagieren, wie bei Diekmann agiert und reagiert worden ist. Was die Maskenaffäre für die Union ist, das ist die Personalie für das Medienhaus Springer. Reichelt bestreitet die Vorwürfe, bei der Union gab es Rücktritte.

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