"Abendshow" im RBB: Death Valley
100 Tage „Abendshow“ oder wie der RBB immer noch sein Berlin-Gefühl sucht. Da hilft auch keine Kapitalismus-Kritik.
„Mal ehrlich, stimmt mit Ihnen was nicht? Sie wollen immer kaufen, kaufen, kaufen? Sie fühlen sich sogar wohl in den vielen Berliner Shoppingmalls?“ Mit Fragen wie diesen haben Marco Seiffert und Britta Steffenhagen, die Moderatoren der RBB-Sendung „Abendshow“, ihre Zuschauer stets provokant im Blick. Die Frage ist nur, wie wohl sich die Zuschauer bei diesem neuen TV-Unterhaltungsformat fühlen, der „Abendshow“, die der bis dato notorisch ununterhaltsame Rundfunk Berlin-Brandenburg seit fast 100 Tagen im Programm hat.
Die Quoten der ersten drei Monate sind nicht berauschend. Der Marktanteil der zwölf Ausgaben lag bei 5,4 Prozent, der Senderschnitt im November liegt bei 5,9 Prozent. Auch wenn das auf dem Sendeplatz eine Steigerung um 0,3 Prozentpunkte ist – da müsste mehr drin sein.
Vielleicht liegt es an den Themen, der Mischung. Manchmal ist es zu viel durcheinander, manchmal ist es über 45 Minuten fast zu monothematisch. Wie am vergangenen Donnerstag, als Seiffert/Steffenhagen angesichts eines weiteren Einkaufszentrums in der Region (Berlin steht da mit Shoppingmalls schon weit vorn unter deutschen Großstädten) eine Dreiviertelstunde lang Kapitalismus-Kritik betrieben, zusammen mit dem Soziologen Harald Welzer, final unterstützt von Comedian Sarah Bosetti. Dazu Straßenumfragen.
Für heute ist neben Produzentin Regina Ziegler Comedian Gotti Gottschild geladen. Comedians und Straßenumfragen haben wir allüberall im Fernsehen. Vielleicht liegt es an der Form, die sich irgendwo zwischen „heute-show“, „stern tv“, „Neo Magazin Royale“, „extra 3“ und „Abendschau“ vorstellen lässt. Alles gute Referenzen, in der Kombination wirkt das sehr bemüht. Dabei hat probono.tv/Friedrich Küppersbusch, der das Format mit entwickelt hat, gezeigt, wie sich Zuschauererwartungen unterhaltsam unterwandern und gleichzeitig wecken lassen, zum Beispiel mit dem fein-frechen Polit-Talk „So! Muncu!“ (n-tv).
„Stadtteil Siemensstadt wird unbenannt in Death Valley“
Wenn Britta Steffenhagen über Siemens-Chef Joe Kaeser angesichts der Massenentlassungen in Ostdeutschland lästert („Stadtteil Siemensstadt wird unbenannt in Death Valley“), klingt das anders als bei Serdar Somuncu, was man auch an der verhaltenen Reaktion des Publikums merkt. Da hilft dann auch kein DJ Karla Kenya im RBB-Studio. Die „Abendschau“ im RBB? Da muss ich mich meistens immer noch fremdschämen, sagt mancher potenzielle (jüngere) Zuschauer, den der Sender doch so gerne erreichen möchte.
Es bleibt schwierig, ein Berlin-Gefühl zu treffen, die Themen der Metropole, irgendwo zwischen Ahrensfelde, Spandau und Zehlendorf, dazu die Regierungs-Mitte. Überraschend, schräg, kantig sollte es sein, wurde zum Start der „Abendshow“ Anfang September verkündet. Es muss doch möglich sein, in dieser hippen Stadt ein hippes Magazin auf die Beine zu stellen. Wie schwierig das ist, zeigte sich bereits im Frühjahr, als Wunsch-Moderatorin Linda Zervakis dem RBB absprang, Ersatz im eigenen Hause gesucht werden musste.
„Die ,Abendshow‘ ist seit dem ersten Tag ein Wagnis“, sagt RBB-Intendantin Patricia Schlesinger, „wir präsentieren eine völlig neue Mischung aus Unterhaltung, Information und Satire. Ich freue mich, wie stabil jetzt schon das Zuschauerinteresse ist, vor allem in Berlin. Insgesamt gibt es sicher noch Luft nach oben, aber wir haben uns fest vorgenommen, der Sendung und dem Moderatoren-Duo ausreichend Zeit zur Entwicklung zu geben.“
Gewiss, Marco Seiffert, bekannt aus der Morgenschiene der erfolgreichen RBB-Hörfunkwelle Radio Eins, und Britta Steffenhagen, Schauspielerin und ebenfalls für Radio Eins unterwegs, sind ein gutes Moderatorenteam. Prinzip Gegensätzlichkeit, er sachlich-leise, sie eher flippig-laut. Nur das mit der Selbstironie, das kriegen sie noch nicht so recht hin. Vielleicht erwartet man das bei dem Sender gar nicht. Unterhaltungsmäßig war ja beinahe Stunde null. „Abendshow“ must go on. Wie sagte Marco Seiffert in Anspielung auf Christian Lindners Bonmot zum Scheitern der Jamaica-Gespräche zuletzt: Es sei besser, falsch zu moderieren, als nicht zu moderieren.
„Abendshow“, Donnerstag, RBB, 20 Uhr 15