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„Im Moment wissen wir nicht einmal, wo die Front verläuft.“ ZDF-Korrespondent Axel Storm und sein Team mussten Kiew am Donnerstagmorgen verlassen, nachdem in der ukrainischen Hauptstadt Explosionen und Sirenen zu hören waren.
© ZDF/Tsp

Wie verlässlich sind die Informationen aus dem Kriegsgebiet?: „Das sind alles Bilder, die wir nicht verifizieren können“

Nach dem russischen Einmarsch wird die Informationsbeschaffung aus der Ukraine immer schwieriger. So gehen die TV-Sender mit der Situation um.

Die schlimmsten Befürchtungen sind offenbar wahr geworden, sagt Mitri Sirin am Donnerstagmorgen im ARD/ZDF-Morgenmagazin. Mit der Invasion der russischen Truppen setzten zugleich Fluchtbewegungen aus den größeren Städten der Ukraine ein. ZDF-Korrespondent Axel Storm und sein Team mussten ihre Reportage in Kiew abbrechen.

Über eine wackelige Telefonverbindung aus dem Teambus auf dem Weg Richtung Westukraine berichtet Storm, wie schon nachts vom Hotel in Kiew aus Explosionen zu hören waren. Man suche nun nach einem sicheren Produktionsstandort, von wo aus man berichten und Kontakt zu den Quellen aufbauen könne, sagt Storm. „Momentan wissen wir nicht einmal, wo die Front verläuft“.

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War es zuvor schon schwierig, aus der Konfliktregion verlässliche Informationen zu erhalten, ist eine objektive Informationsbeschaffung nun noch schwieriger geworden. Bernd Rasem, der aus der Tagesschau24-Redaktion in Hamburg das Material einzuordnen versucht, erklärt am Vormittag immer wieder: „Das sind alles Bilder, die wir so bekommen und nicht verifizieren können“. Bilder vom offenbar beschossenen Luftwaffenstützpunkt in Mariupol oder Aufnahmen von Plattenbau-Häusern in Charkiw, deren Fensterscheiben zerbrochen wurden – oder von einem Raketentreffer in Kiew.

„Bitte, passen Sie auf sich auf“

„Durch die russischen Angriffe auf die Ukraine wird die Arbeit unserer Reporter:innen – wie für alle Journalist:innen vor Ort – massiv erschwert“, heißt es vom WDR, der für die ARD das Studio Moskau federführend betreibt. „Die Teams in Kiew und Moskau bilden unter diesen Umständen die neusten Entwicklungen ab und ordnen die Ereignisse ein. Dabei steht die Sicherheit unserer Kolleginnen und Kollegen an oberster Stelle. Die Lage wird fortlaufend bewertet.“

Stephan Richter, der für den privaten Nachrichtenkanal ntv aus der Ukraine berichtet, hat die Explosionen in Kiew ebenfalls gehört. Sechs bis sieben Mal habe es Raketenangriffe auf die ukrainische Hauptstadt gegeben, sagt er in einer Videoschalte auf ntv. In seinen Ausführungen über die Angriffe auf Odessa und Mariupol beruft er sich auf Behördenangaben. Die Informationen, dass russische Truppen und Hubschrauber ohne Hoheitszeichen in der Nähe von Kiew gesichtet wurden, kann er aber nur mit Bildern aus den Sozialen Medien abgleichen. Aus dem Studio in Deutschland wird Richter zum Abschluss der Schalte aufgefordert: „Bitte, passen Sie auf sich auf.“

Zu äußerster Vorsicht mahnt auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) die Korrespondenten vor Ort nach dem Beginn der Kampfhandlungen in der Ukraine. Die Medienhäuser fordert Verbandschef Frank Überall auf, ihre Berichterstatter zu schützen. Keinesfalls dürften Freie auf eigenes Risiko ins Kampfgebiet aufbrechen. „Journalistinnen und Journalisten im Kriegsgebiet sind in größter Gefahr“, erklärt Überall. Es sei nicht davon auszugehen, dass kämpfende Truppen Rücksicht auf Berichterstatter nähmen. „Verletzte oder gar getötete Journalisten dürfen nicht achselzuckend als Kollateralschäden hingenommen werden“, fordert der DJV-Vorsitzende.

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Aussagen über die konkreten Arbeitsbedingungen der Journalisten in der Konfliktregion sind zur Zeit sehr problematisch, gibt die Journalistenorganisation auf entsprechende Fragen zu bedenken. „Wir wissen ja noch nicht mal, wo gekämpft wird.“ Entsprechend könne man daher auch keine Ratschläge abgeben, wann Journalisten vor Ort bleiben oder die Region verlassen sollten. Dies seien individuelle Entscheidungen. Wie sich beim Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan gezeigt habe, mache es zudem einen Unterschied, ob es sich um festangestellte Korrespondenten ausländischer Medien oder um Ortskräfte handelt.

RT.DE - die deutsche Stimme Moskaus

Der russische Propaganda-Sender RT – ehemals Russia Today –, der trotz Verbot weiterhin sein deutschsprachiges Programm via Internet aufrecht erhält, zeigt nach dem Beginn der „Speziellen Militäroperation“ und den „Hilferufen“ aus Donezk und Luhansk Bilder von Gebäuden, die angeblich von ukrainischer Seite zerstört wurden.

T.DE-Nachrichtensprecher Stefan Pollak spricht von 5000 Toten in den beiden Gebieten. Auch auf ein Fernsehteam von RT habe es Angriffe von ukrainischer Seite gegeben. Über die Authentizität der verwendeten Bilder macht der russische Staatssender keine Angaben. Das Einzige, was RT nicht verifizieren könne, seien die Angaben des ukrainischen Präsidenten, wonach bereits 50 Ukrainer durch die russische Aggression ums Leben gekommen seien.

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