Neue Regeln für das Internet: Das bedeutet der EU-Urheber-Kompromiss
Die EU hat sich auf neue Regeln für das Internet geeinigt, inklusive Leistungsschutzrecht und Upload-Filter. Was die Reform des Urheberrechts konkret bedeuten kann.
Die EU passt das Urheberrecht an das Internetzeitalter an. Nach langen Verhandlungen haben sich das Europaparlament und die Mitgliedstaaten am Mittwochabend auf die Reform geeignet. Die bisherigen Regeln waren 20 Jahre alt. Dadurch waren Geschäftsmodelle, die das Internet digitalen Plattformen bietet, nicht abgedeckt. Der Kompromiss bleibt hoch umstritten.
Was wurde beschlossen?
Im Grunde wurde ein digitales Copyright beschlossen. Das Ziel ist, dass digitale Plattformen wie Google oder Facebook künftig den Urhebern, also Journalisten, Künstlern, Musikern und Filmern, Geld dafür bezahlen, wenn sie auf ihren Seiten über einen gewissen Umfang hinaus deren Inhalte verwenden.
Was sind die zentralen Neuerungen?
Suchmaschinen sollen für das Anzeigen von Artikel-Ausschnitten künftig Geld an die Verlage zahlen. Konkret dürfen Suchmaschinen wie Google nicht mehr ohne weiteres kleine Artikel-Ausschnitte – so genannten Snippets – in ihren Suchergebnissen oder bei Google News anzeigen. Vielmehr sollen sie die Verlage um Erlaubnis bitten und gegebenenfalls dafür zahlen.
Was ändert sich bei Musik und Videos im Internet?
Plattformen wie Youtube müssen alles ihnen Mögliche tun, um Urheberrechtsverletzungen zu verhindern. Geschützte Werke müssen lizenziert werden, bevor sie auf den Plattformen landen – oder dürfen nicht hochgeladen werden. Das könnte mangels Lizensierungsmöglichkeit auch Auswirkungen auf von Nutzern selbst erstellte Videos haben.
Wie geht das technisch?
Die Plattformen müssen eine Software installieren, die dafür sorgt, dass nur solche lizensierten Werke hochgeladen werden. Diese Software ist seit über zehn Jahren am Markt. Kritiker bezeichnen diese Software als „Upload“-Filter, durch die Zensur im Internet drohe. So könnten die Filter auch legale Inhalte wie Parodien oder Zitate blockieren – und so die freie Meinungsäußerung einschränken.
Darf der Nutzer Artikel noch „teilen“?
Das Teilen von Ausschnitten aus Artikeln ist auch in Zukunft nicht verboten. Es kommt auch keine Verlinkungssteuer, wie manche Kritiker behauptet haben. Erlaubt ist weiterhin das Hochladen geschützter kreativer Werke, um Auszüge zu zitieren, Kritik zu üben, sie für Karikaturen oder Parodien zu benutzen.
Müssen alle Plattformen zahlen und haften?
Nein, nicht-kommerzielle Anbieter wie etwa Online-Enzyklopädien wie Wikipedia oder Open-Source-Softwareplattformen wie GitHub sind außen vor. Zudem sollen kleine und junge Anbieter von den Regelungen ausgenommen werden: Plattformen, die weniger als zehn Millionen Euro Umsatz im Jahr machen und weniger als fünf Millionen Nutzer im Monat haben oder jünger sind als drei Jahre, unterliegen nicht den neuen Regeln.
Wer sind die Gewinner der Reform?
Die Gewinner könnten Verlage sein, die Tageszeitungen und Wochenzeitungen herausbringen. Künftig müssen Plattformen wie Google den Verlegern Gebühren zahlen, wenn sie mehr als reine Links zu Artikeln zeigen, zum Beispiel ganze Überschriften oder längere Textanläufe. Google und Co. dürfen künftig nur noch wenige Schlüsselwörter aus einem Zeitungsartikel bringen. Profitieren werden allerdings vor allem große Verlage.
Was ist mit den Journalisten?
Es ist vorgesehen, dass die Journalisten als Verfasser etwas von den Gebühren bekommen. Wie das funktionieren soll, dafür macht die EU aber keine Vorgaben. Profitieren sollen zudem Musiker, Video-Künstler und andere Kreative, zu deren Arbeiten digitale Plattformen wie etwa Youtube den Zugang verschaffen. Die Plattformen müssen zahlen, wenn auf die Werke ohne Entgelt oder ohne Zustimmung des Autors zugegriffen werden kann. Entsprechend haben die Branchenverbände der deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverleger sowie die Gema als Gesellschaft der Musikrechteverwerter den Kompromiss begrüßt.
Können die Verlage die neuen Rechte auch durchsetzen?
Die Einführung des deutschen Leistungsschutzrecht 2013 hat für die Verlage nicht zu den erhofften Ergebnissen geführt. Es ist somit nicht ausgeschlossen, dass es auch mit dieser EU-Entscheidung eine Art Erpressungs-Potenzial für Google gibt, nach dem Motto: Wenn Ihr Verlage bezahlt werden wollt, fliegt Ihr komplett raus? Das sei durchaus möglich, sagt ein Sprecher des deutschen Zeitungsverlegerverbandes. „In Zeitungsanzeigen, die Google vor einigen Wochen in Deutschland geschaltet hat, hat das Unternehmen genau damit gedroht. Das wäre ein eklatanter Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung.“ Sollte Google tatsächlich damit drohen, Verlage nicht länger bei Google News zu führen, oder deren Texte entfernen, könnte das allerdings ein Missbrauchsverfahren nach EU-Wettbewerbsrecht nach sich ziehen.
Wer sind die Verlierer?
Die großen digitalen Plattformen wie Google News, Youtube, Facebook, Twitter und Co. Bislang verdient zum Beispiel die Google-Tochter Youtube Milliarden mit Werbung, die zusammen mit Musikstücken gefragter Künstler abgespielt wird. Dafür arrangiert Youtube Pakete mit bis zu 50 Liedern des Interpreten. Die Musiker sollen künftig stärker an den Erlösen beteiligt werden. Ähnliches gilt für journalistische Erzeugnisse. Sollte Google damit das Interesse verlieren, auf Zeitungsartikel hinzuweisen, gäbe es eine Lücke, in die Zeitungshäuser und neue Unternehmen hineinstoßen könnten. Die IT-Branchenverbände Bitkom sowie Eco äußerten sich ablehnend.
Kann die Reform noch scheitern?
Ja, es wurde nur ein Kompromiss auf informeller Ebene gefunden. Beide Co-Gesetzgeber, das EU-Parlament und die 28 Mitgliedstaaten im Rat, müssen zustimmen. Normalerweise brennt dabei nichts an. Hier gibt es aber doch das Risiko, dass es im Parlament eine Mehrheit gegen die Reform gibt. Die Abstimmungen im Parlament sind immer extrem knapp ausgegangen. Die Gegner der Reform mobilisieren bereits für Demonstrationen. Es ist nicht vorherzusagen, wie die Abstimmung im Parlament, die in den nächsten Wochen stattfinden wird, ausgeht.
Was sagt Google dazu?
Google will die neue Richtlinie nach eigenen Angaben im Detail analysieren und dann über die nächsten Schritte entscheiden. Das werde aber „einige Zeit dauern“.
Markus Grabitz
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