Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Dänen zögern nicht
Auch Danmarks Radio muss sparen. Weniger Sender und mehr digitale Inhalte sind die Konsequenz. Ein Blick zu Deutschlands Nachbarland.
Gut ausgestattete Studios, ein imposantes Rundfunkgebäude, guter Nachrichtenjournalismus – so kennt man in Deutschland das dänische öffentlich-rechtliche Fernsehen aus der Serie „Borgen“. Dort heißt der fiktive Sender zwar „TV1“, gemeint ist aber Danmarks Radio (DR), die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt Dänemarks. Die produzierte auch „Borgen“, einen internationalen Erfolg. In der „DR Byen“, dem repräsentativen Gelände des Senders auf der Insel Amager südlich von Kopenhagen, wurden über Jahre große Produktionen geplant, insgesamt sechs Fernsehkanäle und acht Radiosender betrieben.
Nun sind die fetten Jahre vorbei. Im Lauf des Sommers stellt DR mehrere Sendungen ein, ab dem 1. Januar 2020 wird es nur noch drei Fernsehkanäle geben. Drei Radiokanäle werden abgeschaltet. Das käme einer Abschaltung etwa von ZDFneo gleich. Die Schließungen sind das Resultat einer Medienvereinbarung, die DR im Sommer 2018 mit der Konservativ-Mitte-Regierung schloss, 400 Mitarbeiter entließ der Sender schon im vergangenen Jahr. 420 Millionen Kronen sparte der Sender mit der ersten Sparrunde ein, insgesamt sollen es 770 Millionen Kronen (103 Millionen Euro) werden. Das entspricht 20 Prozent des Gesamtbudgets des Senders.
Von der zweiten Sparrunde, die erst 2022 ansteht, könnte DR nun verschont bleiben: Nach den Wahlen im Juni regieren die Sozialdemokraten mit der Unterstützung mehrerer linker Parteien. Der Parteienverband will mehrere Punkte des Medienvergleichs rückgängig machen. Die Schließungen und Entlassungen gehören aber nicht dazu. Denn in einem Punkt sind sich alte und neue Regierung einig: Das öffentlich-rechtliche Fernsehen muss sich fokussieren und verschlanken. Mehr Nachrichten und Kultur, mehr Kindersendungen, dafür weniger ausländische Serien, Unterhaltung und Lifestyle, außerdem weniger Sport. Durch die Schließung des Jazz-Senders P8 reduziert sich etwa die Spielzeit von Jazz im Radio von 8730 auf 310 Stunden im Jahr.
Viele Dänen werden eines ihrer Programme verlieren
„DR wird weniger Zuschauer und Hörer haben“, prognostiziert Henrik Søndergaard, Lektor für Medienwissenschaft an der Universität Kopenhagen. „Aber das ist eine bewusste Strategie der Politik.“ Insgesamt 1,3 von 5 Millionen Dänen werden am 1. Januar ein Programm verlieren, das sie täglich nutzen, schreibt DR in einer Mitteilung. Das hört sich dramatisch an, folgt aber einem Plan. Die Schließung des Kindersenders DR Ultra und des Senders DR3 mit Fokus auf Jugendliche und junge Erwachsene soll nicht bedeuten, dass diese Zielgruppe fallen gelassen wird – denn der Inhalt soll nicht verschwinden, sondern vermehrt auf digitalen Kanälen stattfinden. „Die Schließung dieser Kanäle hat eine Entwicklung beschleunigt, die ohnehin eingetroffen wäre“, sagt Søndergaard. Kritisch sieht er dagegen die Schließung des Kultur- und Geschichtskanals DR K: Die ältere Zielgruppe des Senders könnte beim Umzug ins Netz verloren gehen.
Was in Deutschland undenkbar wäre, trifft in Dänemark zwar auf Kritik, wird aber wahrscheinlich durchgesetzt. Denn die Dänen sind auf Kosteneffizienz bedacht, die Ausgabe öffentlicher Gelder wie Lizenzgebühren – und nach der Abschaffung der Lizenz 2022 eben Steuergelder – muss immer sorgfältig gerechtfertigt werden. Unterhaltung und Sport gibt es auch beim Streamingdienst, deswegen sollen dafür keine Gelder mehr fließen. Dänen zögern eben nicht.
Die dänische Strategie könnte ein Vorbild für die deutsche Diskussion um eine Reform der Inhalte bei den Öffentlich-Rechtlichen sein. Mit einer starken regionalen Berichterstattung durch die Landesrundfunkanstalten ist Deutschland den Dänen sogar ein Stück voraus – die Stärkung der regionalen Berichterstattung bei DR und dem öffentlich betriebenen, aber privat finanzierten Sender TV2 stand erst in den vergangenen Jahren auf der Agenda. Bei der Verschlankung der Programme zeigen die Dänen aber eine Radikalität, die in Deutschland nur schwer denkbar wäre. Der größte Teil der Sparmaßnahmen betraf die Verwaltung von DR, das Budget für Eigenproduktionen aber bleibt unangetastet. Das ist auch nötig, sagt DR-Direktorin Maria Rørbye Rønn. „Wir haben eine Zeit durchgemacht, die geprägt war von dem Wunsch, public service einzuschränken, trotz der Konkurrenz großer Technologiegiganten“, sagte sie gegenüber der Zeitung „Politiken“.
Ein zweites „Borgen“ oder eine Koproduktion wie „Broen“ könnte es also auch in Zukunft geben. Ganz unproblematisch sind diese Reformen trotzdem nicht. Unterhaltungsshows wie der Backwettbewerb „Den store bagedyst“, eine Adaption des „Big British Bake-off“, waren Publikumsrenner und banden Zuschauer an die Marke DR. Was dem Sender in die Karten spielt: Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Dänemark außer TV2 keine ernst zu nehmenden Konkurrenten aus dem Privatsektor. Die beiden Sender halten zusammen 70 Prozent Marktanteil. „Öffentlich-rechtliche Sender können auch zu groß werden und es anderen Medien erschweren, sich auf dem Markt zu behaupten“, sagt Søndergaard.
Entkopenhagenisierung der Medienlandschaft
Die sozialdemokratische Regierung ist vielen medienpolitischen Ideen der dänischen Volkspartei außerdem nicht abgeneigt. Die steht neben mehr dänisch-nationalistischen Inhalten wie der Dokureihe „Die Geschichte Dänemarks“ für die Entkopenhagenisierung der Medienlandschaft. So drängte ihr Einfluss den beliebten öffentlich-rechtlichen Radiosender Radio 24syv von seiner FM-Frequenz. Weil die Mitarbeiter nicht nach Westdänemark umziehen wollten, bewarb sich der Sender nicht um seinen alten Sendeplatz. Die Sozialdemokraten werden diesen Schritt nicht rückgängig machen, Kulturministerin Joy Mogensen schrieb aber jüngst einen Wettbewerb für einen neuen digitalen Sendeplatz aus.
Noch sammelt sich die neue Regierung, eine Überarbeitung der Medienvereinbarung ist nicht einmal begonnen. Henrik Søndergaard glaubt, dass DR sich als starke Medienmarke halten wird und eine Aufstockung des Budgets durch die Sozialdemokraten erwarten kann. Öffentlicher Druck könnte für weiteres Zurückrudern sorgen: „Die meisten Menschen werden wohl erst am 1. Januar merken, welche Konsequenzen das Sparprogramm hat“, sagt Henrik Søndergaard.
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