Änderung des Pressekodex gefordert: CSU: Herkunft von Tätern grundsätzlich nennen
Während der Presserat noch darüber berät, in welchen Fällen die Herkunft von Tätern genannt werden darf, fordert CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer eine Pflicht zur Nennung der Herkunft.
In seiner Festrede zum 60-jährigen Bestehen des Deutschen Presserates vor anderthalb Wochen hatte Bundespräsident Joachim Gauck die Medien aufgefordert, sich und ihre Arbeit permanent zu überprüfen und möglichst sensibel und fair zu berichten, um die Vertrauenskrise zu beenden. "Verstand und Scharfsinn, Offenheit und Vorurteilslosigkeit", nannte der Bundespräsident als Gebot der Stunde. Die CSU hat diese Wort offensichtlich überhört: CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer fordert in der "Welt", die Medien sollten grundsätzlich die Herkunft von Tätern nennen.
Damit dies möglich sei, soll nach Ansicht der Christsozialen der Pressekodex geändert werden. Über eine Änderung wird im Presserat tatsächlich diskutiert. Allerdings geht es in den Gesprächen nicht um eine Pflicht zur Nennung der Herkunft, sondern darum, in welchen Fällen dies nach dem Pressekodex erlaubt sein soll. Derzeit heißt es in Ziffer 12.1 des Pressekodex: "In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht." Dies wird ausdrücklich damit begründet, dass "die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte". Die "Sächsische Zeitung" geht inzwischen einen anderen Weg und nennt grundsätzlich die Herkunft von Tätern, um den "Lügenpresse"-Vorwurf zu entkräften.
"Aus Selbstregulierung heraushalten"
Als "wenig dienlich" und "nicht sinnvoll" bezeichnete Lutz Tillmanns, der Geschäftsführer des Presserates, die Forderung des CSU-Politikers. Eine Pflicht, die Herkunft von Tätern grundsätzlich zu nennen, werde dem Anliegen der Pressekodex-Ziffer - Diskriminierung vermeiden - nicht gerecht und gehe vielmehr in die gegenteilige Richtung. Die Forderung gehe zudem weit über das hinaus, was von der "Sächsischen Zeitung" auf freiwilliger Basis praktiziert werde. In eine ähnliche Richtung geht die Kritik des Deutschen Journalisten-Verbandes an der CSU-Forderung. „Damit wären haltlosen Spekulationen und diffamierender Hetze Tür und Tor geöffnet“, sagte DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall und forderte, dass sich "Politiker gleich welcher Couleur aus der Selbstregulierung der Medien heraushalten".
Der Presserat hat bei seiner letzten Plenumssitzung im März, an der 14 journalistische Vertreter und 14 aus dem Verlagsbereich einmal jährlich teilnehmen, beschlossen, den Wortlaut der umstrittenen Passage beizubehalten. Wegen der anhaltenden Unsicherheit in dieser Frage war man im Presserat übereingekommen, einen Leitfaden zum praktischen Umgang mit der Thematik zu veröffentlichen. Was allerdings bislang nicht geschehen ist. Tillmanns rechnet damit, dass Ziffer 12.1 des Pressekodex darum auch bei der nächsten Plenumssitzung im März 2017 erneut auf die Tagesordnung kommt.
Sachbezug in Freiburg strittig
Der CSU-Generalsekretär hat seinen Vorstoß damit begründet, dass "seriöse Medien heute alle bekannten Fakten veröffentlichen müssen, um damit auch wilden Spekulationen Einhalt zu gebieten". "Ich finde: Die Herkunft der Täter und Opfer muss grundsätzlich genannt werden", sagte Scheuer. Hintergrund des Vorstoßes ist einerseits der Mord an einer 19-jährigen Studentin in Freiburg. In dem Fall wurde ein minderjähriger Flüchtling als dringend tatverdächtig verhaftet. Zudem jähren sich zu Silvester die sexuellen Übergriffe von Köln. Während bei Köln von vielen Medien ein Sachbezug zwischen den Taten und der Herkunft gesehen wird, ist dies im Freiburger Fall strittig. Nicht so für CSU-Generalsekretär Scheuer. "Ich finde, das war gerade nach der Silvesternacht von Köln und auch in Freiburg der Fall, und die meisten Medien haben das durchaus auch so gesehen", sagte er der "Welt".
Für eine Änderung des Pressekodex spricht nach seiner Ansicht auch, dass diese journalistischen Leitlinien den Einfluss der sozialen Medien nicht ausreichend berücksichtigen: "Seit es soziale Medien gibt, lässt sich ohnehin nichts mehr zurückhalten. Die Demokratie braucht aber glaubwürdige Medien - gerade in Zeiten von Social Media, wo auch schnell viele unseriöse Informationen kursieren." Diesem Druck will sich der Presserat allerdings nicht beugen. "Wir wollen und wir müssen uns von der Kommunikation in den sozialen Netzwerken unterscheiden", sagt Presserats-Geschäftsführer Lutz Tillmanns.
Minderheiten vor Stigmatisierung schützen
Uwe Vetterick, Chefredakteur der "Sächsischen Zeitung" will Scheuers Vorschlag selbst nicht kommentieren. Es sei nie Absicht der Zeitung gewesen, sich an dieser politischen und ideologischen Diskussion zu beteiligen. Ziel der Entscheidung, die Herkunft von Tätern zu nennen, sei immer gewesen, ein realistisches Bild von Flüchtlingen in Sachsen zu zeichnen. Mit der Herkunftsnennung wolle man "Minderheiten vor Stigmatisierung schützen", so Vetterick, der seine Zeitung in grundsätzlicher Übereinstimmung mit der Antidiskriminierungsrichtlinie des Pressekodex sieht. "Wir haben außerdem nie behauptet, dass dies auch in Stuttgart, Neukölln oder Hamburg funktioniert", erklärt der Chefredakteur und betont, dass die "Sächsische Zeitung" den Presserat völlig respektiert und im Beschwerdefall jede Entscheidung akzeptieren werde.
Zu Freiburg sind beim Presserat bislang zwanzig Beschwerden eingegangen. Die Kritik richte sich einerseits an Medien, die Angaben zur Herkunft der mutmaßlichen Täter gemacht und berichtet hatten, dass es sich bei ihnen um einen Flüchtling beziehungsweise einen Asylbewerber handele. Es habe aber auch Beschwerden gegeben, die gerade kritisierten, dass solche Informationen weggelassen worden seien, sagte Tillmanns zu dpa. „Die Beschwerdeausschüsse werden darüber aber erst im neuen Jahr entscheiden.“