Zukunft der TV-Serie, Serie mit TV-Zukunft: Club der Visionäre
„Blochin“, „Deutschland 83“: Innovative Serien hatten es 2015 nicht leicht. Wie geht es damit weiter?
„Weinberg“, „Club der roten Bänder“, „Blochin“, „Deutschland 83“ – das Jahr 2015 brachte viele spannende, innovative Serienprojekte. Nicht immer standen dabei Qualität und Quantität oder auch Erwartungshaltung und Realität in einem ausgewogenen Verhältnis. Eine der spannenden Branchenfragen für 2016 ist die, ob die Programmmacher gerade im linearen Fernsehen so mutig bleiben, was neue Inhalte, kraftvolles, horizontales Erzählen und Programmierungen betrifft, und was für Lehren aus den Tops von Flops in 2015 gezogen werden.
Beispiel „Deutschland 83“. Im Ausland und bei der Kritik hat RTL mit der im November und Dezember an vier aufeinanderfolgenden Donnerstagen ausgestrahlten Serie Punkte gesammelt, beim Publikum nicht. 1,72 Millionen Zuschauer sahen die vorletzte Folge der Serie, bei der letzten Runde waren noch 1,63 Millionen dabei. Das ergab bei den jüngeren Zuschauern im Alter bis 49 Jahre einen Marktanteil von 8,1 Prozent, bei den Zusehern insgesamt einen Anteil von 5,3 Prozent. Die Serie ist, nach branchenüblichen Maßstäben, ein Flop.
"Club der roten Bänder" funktionierte
Anders als die Krankenhaus-Serie „Club der roten Bänder“ bei Vox. Mit 2,49 Millionen Zuschauern und 13,8 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen war „Club der roten Bänder“ 2015 die erfolgreichste neue TV-Serie in der klassischen Werbezielgruppe. Eine Serie, die schonungslos von Krebs und Magersucht erzählt, die nur jugendliche Hauptfiguren hat und eine ihrer Hauptfiguren in der ersten Staffel sterben lässt. Ein Beweis dafür, dass deutsche Zuschauer für neuartige Stoffe und horizontal erzählte Geschichten zu begeistern sind. Der Lohn: Der „Club der roten Bänder“ wird fortgesetzt.
Das lässt sich für „Deutschland 83“ noch nicht behaupten. Hinsichtlich einer zweiten Staffel, die sich von Plot und Protagonisten her aufdrängt, möchte sich der Fiction-Chef von RTL, Philipp Steffens, auch nicht aus dem Fenster lehnen. „Die letzten Quoten sind noch nicht vollständig ausgewertet. Wir haben großartige Auslandserlöse, aber weniger Erfolg bei unserem Publikum. Wir müssen schauen, was wir machen und wie wir es machen.“ Ähnlich ungewiss ist eine Fortsetzung von „Blochin“, der düstere ZDF-Thriller-Mehrteiler mit Jürgen Vogel von Matthias Glasner, für den das Zweite erstmals ein ganzes Primetime-Wochenende freigeräumt hatte, um neuen Sehgewohnheiten eines jüngeren Publikums entgegenzukommen. Die Reichweite von 3,31 Millionen Zuschauern, die „Blochin“ mit der linearen Ausstrahlung erzielte, war nicht schlecht – mit jedem herkömmlichen Samstagskrimi erzielt das ZDF allerdings die doppelte Quote. „Wir lassen neue ,Blochin’-Bücher entwickeln“, sagte ein ZDF-Sprecher dem Tagesspiegel. „Natürlich weil wir uns über den Erfolg gefreut haben und davon überzeugt sind, dass die Serie ihr Publikum gefunden hat. Wenn die Bücher vorliegen, entscheiden wir, wie wir weitermachen.“
Serien nicht nach der Quote bewerten
Eine feste Zusicherung für eine zweite Staffel klingt anders. Vielleicht hilft der stete Blick auf Quoten und Reichweitenmaximierung nicht weiter. Stattdessen mehr Vertrauen in die Vision starker Autoren und Creatoren. Für den Vertrieb FremantleMedia International ist „Deutschland 83“ eines der bestverkauften fiktionalen Programme deutscher Herkunft. Ab Januar läuft es in der Primetime von Channel 4 in Großbritannien und Canal+ in Frankreich. Kreative, Programmmacher, Zuschauer, Kritiker dürften fortan nicht nur auf die Quote schielen, wenn es darum geht, den Erfolg einer Serie zu bewerten. Das gilt für den ZDF-Dreiteiler „Ku'damm 56“ (Ausstrahlungstermin offen), die historische Krimiserie „Babylon Berlin“ (Drehstart im Frühjahr) von Tom Tykwer, produziert von ARD und Sky, wie ab Mitte Januar für die ARD-Miniserie „Die Stadt und die Macht“, eine Mischung aus Politthriller und Familiendrama mit Anna Loos als Berliner Bürgermeisterkandidatin. Markus Ehrenberg
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