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Ganz neue Töne: Fußball meets Schlager - den Fans gefiel das Minikonzert von Helene Fischer nicht.
© Arne Dedert/dpa
Update

Fußballfans gegen Schlagerkonzert: Chöre gegen Fischer

Der Auftritt von Superstar Helene Fischer in der Pokalfinal-Halbzeit wird zum Pfeifkonzert der Fußballfans - das sich vor allem gegen den DFB richtet, dessen Funktionäre gerne mehr Rummel möchten.

So einig waren sich die Zuschauer im Berliner Olympiastadion wohl noch nie. Der Gegner war plötzlich nicht mehr die andere Mannschaft, sondern die Frau, die in der Halbzeitpause des DFB-Pokal-Finales Borussia Dortmund gegen Eintracht Frankfurt für Stimmung sorgen sollte: 75.000 Menschen gegen Helene Fischer!

Zumindest wirkte es angesichts des Lärms so, der aufkam, als die Schlagersängerin die Bühne betrat. Sowohl die Anhänger von Eintracht Frankfurt als auch die Fans von Borussia Dortmund pfiffen Helene Fischer am Samstagabend während der Show dermaßen laut aus, dass von ihrer Musik im Stadion praktisch nichts mehr zu hören war. Das irritierte nicht nur die erfolgsverwöhnte Sängerin, sondern auch Millionen Zuschauer vor den Bildschirmen.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hatte sich das anders vorgestellt. Helene Fischer – das war doch die Frau, die 2014 noch alle verzückt hatte, als sie mit der Nationalmannschaft vor dem Brandenburger Tor den WM-Sieg feierte und alle atemlos zurückließ. Wahrscheinlich sind die Verantwortlichen beim DFB davon ausgegangen, dass sich die Stimmung von damals einfach so ins Jahr 2017 übertragen lässt. Jedenfalls scheint es so, als habe der DFB nicht sonderlich lange überlegt, ob es überhaupt eine gute Idee sei, Helene Fischer 20 Minuten lang singen zu lassen – mitten in einem Fußballspiel. Erst am vergangenen Dienstag hatte der Verband bekanntgegeben, dass die Sängerin auftreten soll. Was der DFB sich dabei genau gedacht hatte, wurde auch am Sonntag nach dem Spiel immer noch nicht recht klar. Nur so viel teilte man mit: „Wir analysieren nach jedem Pokalfinale die Abläufe, das werden auch in diesem Jahr tun. Danach entscheiden wir, was wir beibehalten oder verändern.“

Der DFB hätte gerne ein bisschen mehr Super-Bowl-Feeling - die Fans eher nicht

Dabei hatte der DFB Großes vor. In der amerikanischen Football-Liga NFL sind solche Show-Auftritte eines bekannten Musikers seit Jahren üblich. Dort schalten viele Menschen beim Super Bowl sogar nur ein, um die Auftritte von Stars wie Lady Gaga, Beyoncé oder den Rolling Stones zu verfolgen. Das Medley, das Helene Fischer zum Besten gab, kam nicht gut an. Nach dem Ende des Auftritts schwoll das Pfeifkonzert zu einem lauten Crescendo an, während Fischer „Dankeschön, Berlin!“ rief.

Frau muss kein Fußballfan sein oder überhaupt etwas von Fußball verstehen, um zu wissen, dass das nicht gut gehen konnte. Es reicht völlig aus, Fans zu kennen, was die Verantwortlichen anscheinend nicht tun.

schreibt NutzerIn Pat7

Lag es nur daran, dass Helene Fischer erklärter BVB-Fan sein soll? In den Sozialen Netzwerken gab es unterschiedliche Reaktionen auf das Fiasko im Stadion. Manche Fans betonten, ein Fischer-Konzert passe einfach nicht zu einem Fußballspiel. Andere wiederum verteidigten die Würde der Künstlerin.

Die ARD hat extra die Nachrichten gekürzt - und dann den Ton weggeregelt?

Der Auftritt war umso irritierender, weil am Fernsehbildschirm der Eindruck entstand, dass die ARD, die eigens die sowieso schon schmale „Tagesschau“-Sendung verkürzt hatte, um Fischers Minikonzert live zu übertragen, den Ton herunter geregelt hätte – offenbar, um den Zuschauern an den Fernsehern die Reaktion des Berliner Publikums zu ersparen.

Dem widersprach ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky: „Wir haben keine Außenmikrofone runtergeregelt, das Signal kam aus dem Weltbild, aber es ist völlig normal, dass bei einem Musikact das Mikrofon der Musiker lauter zu hören ist, als die Umgebungsgeräusche.“ Außerdem musste die ARD auch nicht vom DFB gezwungen werden, Helene Fischer zu übertragen, sagte Balkausky. „Wir halten sie für eine der beliebtesten Künstlerinnen in Deutschland und haben selbst entschieden, ihren Auftritt zu übertragen.“

Wenn ich zum Fußball gehe, dann will ich in der Halbzeit aufs Klo, Bier holen, mich über das Spiel unterhalten […]. Wenn ich eine singende Frau sehen will, dann kaufe ich mir dafür eine Eintrittskarte.

schreibt NutzerIn klauskuenstler

Auch rein quotentechnisch verlief das Finale relativ mau. Bei sommerlichen Temperaturen hat das Finale alleine im Ersten zwar rund zehn Millionen Zuschauer vor den Fernseher gelockt. Genau genommen sahen 9,82 Millionen Fans, wie sich Borussia Dortmund mit 2:1 gegen Eintracht Frankfurt durchsetzte. Der Marktanteil lag im Ersten bei 39 Prozent. Dennoch, für Pokal-Verhältnisse war es ein eher schwacher Abend, es war das erste Mal seit 2011, dass ein Finale im Free-TV die zweistellige Millionen-Hürde verpasste. Als die Dortmunder vor einem Jahr im Endspiel den Bayern unterlagen, hatten deutlich mehr als 13 Millionen Zuschauer eingeschaltet. Damals lag der Marktanteil bei fast 50 Prozent – und das ohne größere Show-Auftritte in der Halbzeitpause.

Den Sportlern ist der Zirkus peinlich - die Sängerin nimmts sportlich

Der Auftritt von in der Halbzeitpause am Samstagabend kurz vor 21 Uhr war offenbar keine so gute Idee von DFB und ARD. Ein Großteil der rund 75 000 Fußballfans im Stadion goutierte den Auftritt der Schlager-Queen mit Buh-Rufen und einem gellenden Pfeifkonzert. Das irritierte nicht nur die erfolgsverwöhnte Sängerin, sondern auch Millionen Zuschauer vor den Bildschirmen. Helene Fischer sagte nach ihrem Auftritt im ARD-„Sportschau Club“: „Ich bin kein ausgewiesener Dortmund-Fan. Ich bin ziemlich neutral, muss ich sagen. Und ich hab ganz ehrlich von ganzem Herzen beiden Mannschaften die Daumen gedrückt.“ Sie habe aber mitbekommen, „dass da eine Wette am Laufen war“. Dabei soll es darum gegangen sein, dass Frankfurter Wirte Freibier versprochen hätten, wenn ihr Auftritt von Pfiffen übertönt würde. „Und ich muss sagen: Wette gewonnen. Glückwunsch dafür, die Wirte müssen jetzt ran“. Ex-Bundesliga-Profi Ansgar Brinkmann sprang der Schlagersängerin im „Sportschau Club“ zur Seite: „Die Pfiffe galten mehr dem DFB als Helene Fischer“, sagte er.

Fußballfans wollten ein klares Zeichen setzen

Der Protest gegen die Showeinlage hatte sich angekündigt, denn schon vorher hatten die Fanszenen dazu aufgerufen, entsprechenden Protest zu äußern. Der teilt sich in zwei Fraktionen auf: Die eine stört sich an der Omnipräsenz von Helena Fischer (die neulich sogar ein „Helene-Fischer-Spezial“ im NDR-Fernsehen bekam). Die andere Fraktion ärgert sich hingegen überhaupt nicht über die Sängerin – den meisten Fans, die in ein Stadion gehen und auch die spontane, oft schroff-leidenschaftliche Atmosphäre in so einem Stadion genießen, geht der aufgekratzt-künstliche Eventcharakter bei DFB-Spielen mächtig gegen den Strich: „Das ist nicht der Super Bowl in den USA“.

Nicht ohne Grund sind selbst Länderspiele schon lange nicht mehr regelmäßig ausverkauft. Der Sportdirektor von Eintracht Frankfurt brachte es auf auf den Punkt: „Das hat beim Pokalfinale nichts zu suchen“, sagte Fredi Bobic, der nicht gerade als besonders humorarmer Typ gilt. Warum? „Weil wir Fußball spielen und die wahren Fans des Fußballs haben in der Halbzeitpause keine Lust darauf.“

Helene Fischer singt in der Halbzeitpause des Pokalfinales.
Helene Fischer singt in der Halbzeitpause des Pokalfinales.
© dpa

Dass aber nicht nur das Publikum – im Stadion – vorrangig Sport sehen und lieber sich selbst als Chor hören will, zeigt ein ähnliches Beispiel neulich aus München: In der Halbzeitpause des Spiels gegen den SC Freiburg vergnügte sich Anastacia im Bayern-Trikot auf dem Rasen – und wollte ihr Mikrofon gar nicht mehr hergeben. Der Bühnenabbau verzögerte sich. Das war selbst den Fußballern des FC Bayern München derart peinlich, dass sie der Sängerin andeuteten, doch bitte endlich zu gehen – der Wiederanpfiff verzögerte sich dennoch um zehn Minuten. Bayern-Star Arjen Robben bat bei den Freiburgern um Entschuldigung. Denn für die ging es nicht um Diskomusik, sondern um den Einzug in den Europapokal – also um Sport. Freiburgs Trainer Christian Streich fasste es nach dem Anastacia-Gag so wie jetzt Bobic nach dem Helene-Fischer-Gig in klare Worte: „Das ist genau der Punkt, wo man aufpassen muss. Es war ja ein Fußballspiel heute und das Fußballspiel war wieder von allem, was ich gesehen habe, das Tollste. Also ohne diesen Künstlern zu nahe zu treten, das ist ein Fußballstadion und wenn du dann sieben, acht Minuten warten musst. Das ist natürlich Wahnsinn.“

Immerhin: Durch den Sieg der Dortmunder im Pokalfinale rückte jetzt auch Freiburg auf einen Europapokal-Platz. Und Helene Fischer hat nicht überzogen. Immerhin.

Die Schlagersängerin, die gerade ihr neues Album heraus gebracht hat, wird den Wirbel im Olympiastadion überstehen. Und wiederkommen. Bei ihrer im September startenden neuen Tournee gibt sie am 8. Juli 2018 auch ein Konzert im Berliner Olympia-Stadion. Dann sicher ohne Pfeifkonzert.

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