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Auf Spurensuche in Göttingen. Die Ermittler Anais Schmitz (Florence Kasumba, l.) und Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) sind sich anfangs nicht sympathisch.
© NDR/Christine Schroeder

"Tatort" aus Göttingen: Charlotte Lindholm – strafversetzt in die Provinz

Maria Furtwängler bekommt als Charlotte Lindholm eine neue Kollegin: Florence Kasumba ist die erste dunkelhäutige „Tatort“-Kommissarin.

Dortmund soll wohl bald raus, Wuppertal will rein, hat sich jedenfalls laut Oberbürgermeister Andreas Mucke offiziell bei WDR-Intendant Tom Buhrow darum beworben, und Göttingen ist jetzt auch schon drin – im begehrten Pool der „Tatort“-Städte. Aber eigentlich müssen wir ja über Florence Kasumba reden, die erste dunkelhäutige „Tatort“-Kommissarin. Am Sonntag ermittelt die in Uganda geborene 42-jährige Schauspielerin an der Seite von LKA-Frau Charlotte Lindholm alias Maria Furtwängler, die als Konsequenz ihres letzten, misslungenen Einsatzes aus Hannover in die niedersächsische Provinz strafversetzt wurde. Auch in Göttingen soll’s ja Mörder geben.

Und was für welche. Doch der Reihe nach. Müssen wir wirklich über die erste dunkelhäutige „Tatort“-Kommissarin reden? Laut NDR sollte die Hautfarbe der neuen Kollegin Anais Schmitz gar nicht im Mittelpunkt stehen (das will schon die Namenswahl andeuten: Schmitz). Vielmehr sollte das als ganz selbstverständlich rüberkommen. Kasumba selber, sagt sie im dpa-Interview, sei mit dem „Tatort“ aufgewachsen. „Sonntagabends wurde das bei uns geguckt. Inzwischen war ich in einigen Episoden zu Gast und mag auch die Arbeit mit den Kollegen. Da habe ich mich dann umgeguckt und mir gedacht, da könnte man doch ein bisschen Farbe reinbringen.“

Sie finde es eher interessant zu sehen, wie diese Figur Anais agiert, teils ganz schön aggressiv und schlagkräftig. „Viele meinen vielleicht, sie sei untypisch, Frauen seien doch weicher. Aber wer behauptet das? Wir sprechen hier ja auch von Frauen, die bei der Kriminalpolizei arbeiten.“ Da bringe sie nicht die Wärme mit, wie wenn sie zur Kita gehen würde. Da müsse sie eine gewisse Härte mitbringen, um überhaupt ernst genommen zu werden.

Für die Lindholm bleibt dieser Flirt ein Versprechen

Ein guter Ansatz, der in der ersten Lindholm/Schmitz-Ausgabe öfters mal nach hinten losgeht. Es dreht sich um einen Missbrauchsfall an einem minderjährigen Mädchen aus einer Arbeiterfamilie. Im Bemühen, der Besetzung etwas Beiläufiges zu geben, überzieht Regisseurin Franziska Buch (die auch zusammen mit Jan Braren und Stefan Dähnert das Buch geschrieben hat) gelegentlich.

Beim Kennenlernen am Tatort – in der abbruchreifen, verdreckten Umkleidekabine eines Schulsportplatzes wird entdeckt, dass hier eine Frau unter mysteriösen Umständen entbunden hat, vieles deutet auf ein Verbrechen hin – verwechselt Lindholm die Göttinger Ermittlerin mit der Putzfrau, weil die in einem Kittel und mit Eimerchen herumsteht und vielleicht auch, weil sie nicht hellhäutig ist. Autsch.

Das geht so weiter. Viele Reibungspunkte zwischen Charlotte Lindholm und ihrer neuen Kollegin, die sich in ihrer Arbeit ähnlich dominant wie sie verhält. Lindholm sagt a, Schmitz sagt z, zwischendrin noch der hübsche Pathologe Nick Schmitz (aha, daher der Name!), dem beide anfangs schöne Augen machen. Für die Lindholm bleibt dieser Flirt ein Versprechen – die neue Kollegin und Kollege Schmitz (Daniel Donskoy) sind überraschenderweise verheiratet.

Irgendwann nervt das Gezicke. Irgendwann ist es auch gar nicht mehr die Frage, was es bedeutet, die erste dunkelhäutige „Tatort“-Kommissarin zu sein und damit der Traditions-Krimi-Reihe vielleicht mehr Diversität zu verleihen, sondern ob dieser Krimifall wirklich funktioniert, ob er nicht von den Streitereien unter den dominanten Ermittlerinnen erdrückt wird.

Er funktioniert. Nicht, weil der Bösewicht, der das Mädchen missbraucht und geschwängert hat trotz diverser Ablenkungsmanöver nach Drehbuchschablone leicht zu erraten ist. Sondern vor allem, weil man wissen will, ob das verschwundene Neugeborene nach diesem gräulichen Fund am Tatort noch lebt. Ein Wettlauf mit der Zeit. Und weil Lilly Barshy die Verzweiflung und Erschütterung des Opfers, der 15-jährigen Julia, mit einer bestürzenden, Fernsehpreis-reifen Intensität spielt. Einige Szenen in diesem „Tatort“ gehen an die Nieren. Am Ende hat man dann doch fast vergessen, dass da was war mit der Hautfarbe der neuen Kollegin von Charlotte Lindholm in deren 27. Fall. Ein gutes Zeichen. Schmitz und Lindholm kommen wieder. Vielleicht auch aus Göttingen.

„Tatort: Das verschwundene Kind“, Sonntag, ARD, 20 Uhr 15

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