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Mittendrin: Frank Elstner.
© WDR

WDR-Comedy: Böhmermann-Show könnte die TV-Unterhaltung retten

Der WDR will mehr Überraschungen im Programm. In der Show „Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von..." wird dafür Frank Elstner zu Grabe getragen.

Ein Sarg in einer Kapelle. Da drinnen: Frank Elstner. Drumherum Trauergäste, darunter WDR-Intendant Tom Buhrow und Moderatorin Bettina Böttinger. Trauerrede von einem Pastor. Da liege „eine Quelle der Inspiration“, auf jeden Fall der Erfinder von „Wetten, dass…?“ Das kann doch nicht wahr sein, denkt man. Noch ein großer Fernsehstar, der sich in diesen Tagen verabschiedet hat? Nein. Nicht wenn man weiß, dass Jan Böhmermann seine Hände mit im Spiel hat. Bei der Sarg-Szene handelt sich um den Start der WDR-Show „Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von...", die an diesem Sonntagabend erstmals im Fernsehen zu sehen sein wird.

Mit dem Wort Fernseh-Experiment sollte man ja vorsichtig sein. Die Pleite von Jörg Pilawa und seinem ja nur teilweise interaktiven „Quizduell“ im Vorabendprogramm der großen ARD ist erst ein paar Wochen her. Andererseits: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, und in dieser Hinsicht hat sich Jan Böhmermann als Moderator an der Seite von Charlotte Roche oder Olli Schulz und als Produzent mit seiner Firma BTF schon verdient und in der Branche einen Namen gemacht. Auch bei Frank Elstner, der sich für dieses Fernseh-Experiment des Westdeutschen Rundfunks in den Sarg legt. In jeder Folge von „Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von…“ beschäftigt sich das neunköpfige Ensemble mit Ereignissen im Leben eines Prominenten.

"Klimbim" und "RTL Samstag Nacht"

Das Ganze lässt sich schwer beschreiben. Nicht durchformatiertes Fernsehen, ein Mix aus (manchmal auch misslungenen) Live-Sketchen vor Publikum, Musiknummern und aufwendig produzierten Einspielfilmen. Dabei sollen laut Produktion Formen der traditionellen Variety-Show durchgespielt werden. Im Grunde eine Mischung aus „RTL Samstag Nacht“, „Das ist Ihr Leben“, jener sentimentalen Überraschungs-Porträt-Show mit Carheinz Hollmann, und „Klimbim“. Das sind nicht die schlechtesten Referenzen für gute Fernsehunterhaltung.

Mit aller Macht – der Westdeutsche Rundfunk und sein neuer Intendant Tom Buhrow machen also auf jung und frech, mit medienkritischem Beiklang. Okay, sie laufen damit auch offene Türen ein. „Walulis sieht fern“, Olli Dittrichs „Frühstücksfernsehen“ oder „Lerchenberg“ gibt’s schon ein paar Jahre. Buhrows Fernsehdirektor Jörg Schönenborn will seinen Sender nun auf jeden Fall jünger und frecher machen. Die Erfindung von „Zimmer frei!“ – auf dessen Sendeplatz diese neue Show läuft – ist lange her. Das war 1996. Und auch das neue Talk-Format mit Anke Engelke alle sechs Wochen am späten Dienstagabend braucht für gelungene Momente noch Zeit. Selbst der Radiosender 1Live hat Hörer verloren. Der WDR ist im Zugzwang.

„Ich möchte mehr Überraschungen im Programm. Und Sendungen, die man bei uns nicht unbedingt erwartet“, fordert Schönenborn in einem Prospekt des Senders ein. Dafür hat man sich nun mit Frank Elstner einen TV-Altstar ins Boot geholt. „Die bildundtonfabrik und Böhmermann sind äußerst kreativ, und das macht mich neugierig. Außerdem können wir Alten, was die Entwicklung des Bewegtbildes betrifft, vieles dazu lernen, in puncto Tempo, Schnitt und Bildsprache.“

Was man so sagt, wenn man sich geehrt fühlt. In guten Momenten erinnert die Show tatsächlich ein wenig an „Klimbim“. An den Stil des Genreklassikers (1973-1979) mit der sexy hauchenden Ingrid Steeger („Dann mach ich mir ’nen Schlitz ins Kleid und find’ es wunderbar!“). Der WDR zeigt allerdings neun frische Gesichter, mit Referenzen aus TV-Serien und Bühne, denen die Lust an dieser Arbeit ins Gesicht geschrieben ist. Eine ähnliche Ensemble-Comedy wie bei „RTL Samstag Nacht“ aus den 1990ern, die erste große Comedy-Serien-Show im deutschen Fernsehen.

Was aus der RTL-Show und ihren Protagonisten wie Olli Dittrich wurde, ist bekannt. Der Wind für Comedy hat sich gedreht. Trotzdem, vielleicht ergeht es Ercan Karacayli genauso, dessen Gesicht aus Rollen im „Tatort“ und „Polizeiruf“ in Erinnerung ist, oder Florentin Will („Comedy ist Krieg, und ich danke dem WDR, uns das Schlachtfeld für dieses Gemetzel zur Verfügung zu stellen“). Oder Laura Schwickerath. Die Absolventin der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf schwärmt: „Es ist eine Art zu arbeiten, wie ich es mir schon lange gewünscht habe.“ Während der Dreharbeiten zu „Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von…“, so Frank Elstner, hätte das Team mit Lachkrämpfen zu kämpfen gehabt.

Für den Herbst sind weitere fünf Folgen geplant. Es wird interessant zu beobachten sein, ob sich Prominente finden, die sich nicht ganz ernst nehmen und so viel Selbstironie und vielleicht auch Eitelkeit an den Tag legen wie der hier in diesen Spaß-Kulissen angenehm ungelenke Frank Elstner. Aus dem vermeintlichen Tod eines Menschen einen Scherz zu machen, ist, Zuschauer-Verjüngung hin, Unterhaltung her, allerdings auch nicht jedermanns Sache.

Der TV-Altstar ist aber wieder aus dem Sarg aufgestanden. „Hallo, herzlich Willkommen! Ich begrüße Sie zu ,Verstehen Sie Spaß?’ Leute, jetzt guckt doch nicht so bedröppelt.“ Na bitte, eine Fernseh-Sommerpause kann Spaß machen.

„Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von…“, WDR, Sonntag, 22 Uhr 15

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