MEDIA Lab: Bevormundung vom Mainstream
Uwe Krüger spürt in seinem neuen Buch „Mainstream“ der Frage nach, „warum wir den Medien nicht mehr trauen“.
Öffentliche Aufmerksamkeit lässt sich in Geld oder Macht ummünzen, für Nachrichten und Journalismus nimmt die Zahlungsbereitschaft rapide ab. Auf diese Weise haben sich in den USA in den vergangenen 30 Jahren die Ausgaben für PR-Apparate verfünffacht, viele Redaktionen sind dagegen nur noch halb so groß.
Damit einher geht, dass sich Copy- Paste-„Journalismus“ ausbreitet. So verfällt schleichend die Glaubwürdigkeit des Journalismus. Uwe Krüger (Universität Leipzig) spürt in seinem neuen Buch „Mainstream“ der Frage nach, „warum wir den Medien nicht mehr trauen“. Den Schwarz-Weiß-Malereien von der „Lügenpresse“ setzt er differenzierte Erklärungen entgegen.
Unter den Medienmachern habe sich über Jahre hinweg ein rot-grüner Scheinkonsens etabliert, in den sich auch die journalistischen Parteigänger der Merkel-CDU integriert hätten. Die Stichworte: „Multikulturalität und Vielfalt, Weltoffenheit und Toleranz, Gleichstellung und Minderheitenschutz, Antidiskriminierung und Gender Mainstreaming“. Zugleich werde abgelehnt und bekämpft, „was in diesem Sinne nicht ‚politisch korrekt‘“ sei. Dabei gehe „häufig die Differenzierung zwischen den relativ wenigen Rechtsextremen und den relativ vielen Rechten“ verloren.
Zu viele Journalisten seien von den Elite-Netzwerken kooptiert. So habe sich bei den Bürgern eine „Enttäuschungswut“ über die Medien angestaut, weil diese „mehr Anpasser als Aufpasser“ zu sein schienen. Krüger arbeitet heraus, wie die pädagogisch-paternalistische Haltung vieler Journalisten in „gefühlte Bevormundung“ des Publikums und in Trotz umschlagen kann. Es fehle „ein Grundvertrauen in die Mündigkeit“ der Rezipienten.
Zu kurz kommen in der Analyse allerdings die Propagandaoffensiven der Gegenseite. Von Putin bis hin zu Pegida ist die neue Rechte ja mit allen Wassern gewaschen. Die Art und Weise, wie sie die fast schon berechenbaren Reflexe der Mainstream-Medien nutzt – jüngstes Beispiel: Gauland und Boateng – sowie inzwischen auch Teile der sozialen Netzwerke kontrolliert, sollte uns in Alarmbereitschaft versetzen.
Stephan Russ-Mohl