Repressionen gegen Medien in Russland: „Ausländischer Agent“
Die russische Zensurbehörde gefährdet Existenz der unabhängigen Nachrichtenplattform „Meduza“.
Es sei eine Frage von Wochen, dann müsse „Meduza“ sein Erscheinen einstellen, sagt Chefredakteur Iwan Kolpakow. „Meduza“ ist die zweitgrößte unabhängige Nachrichtenplattform Russlands, sie erreicht rund 30 Millionen Menschen. Ende April hat Roskomnadsor, die russische Zensurbehörde, die Plattform auf die Liste der „ausländischen Agenten“ gesetzt. Mit der Bezeichnung müssen sich Organisationen selbst bezichtigen, wenn sie Einkünfte von ausländischen Organisationen beziehen. Sonst nimmt sie die Zensurbehörde vom Netz. Das Medienunternehmen ist im lettischen Riga registriert. Damit hat es sich zwar der Kreml-Justiz entzogen, aber nicht der Macht des Kremls, wie sich zeigt.
Seit „Meduza“ auf der Agentenliste steht, verliere man Geld „mit höllischer Geschwindigkeit“, sagt der Chefredakteur. Anzeigen aus Russland, die Lebensgrundlage, gehen kaum noch ein. Doch nicht nur Werbekunden springen aus Angst vor Repressionen ab, auch Recherchen werden zunehmend schwerer. Die Redaktion spürt die Furcht ihrer Quellen vor juristischen Konsequenzen, wenn sie „Meduza“ Informationen geben.
Ein gewisser Alexander Ionow hat „Meduza“ bei der Zensurbehörde mit einem 20-seitigen Pamphlet angezeigt. Die russische Bürokratie, sonst nicht durch Schnelligkeit bekannt, brauchte nur drei Tage, um „Meduza“ das diffamierende Etikett anzuheften – ohne auch nur eigene Ermittlungen anzustellen.
„Meduza“ nahm Kontakt mit Ionow auf, und der ließ sich tatsächlich auf ein längeres Gespräch ein. Ihn störe die gegen díe russische Führung gerichtete „Tonalität“ der Nachrichtenplattform, erklärte Ionow. Er habe recherchiert, dass „Meduza“ Geld von litauischen Organisationen erhalten habe, was den Tatbestand „ausländischer Agent“ erfülle. Bei den Zuwendungen handelt es sich laut „Meduza“ um Anzeigengeschäfte, unter anderem mit der litauischen Tourismusagentur, die auf der Plattform um Besucher als Russland warb.
Morddrohungen gegen Journalisten
Ionow bezeichnet sich selbst als „Menschenrechtsaktivisten“. So war er vor Jahren vor der US-Botschaft mit einer Mahnwache für den libyschen Machthaber Gaddafi aufgezogen. Dem syrischen Diktator al Assad trug er bei einem Besuch in Damaskus die Ehrenmitgliedschaft der von ihm gegründeten „Antiglobalistischen Bewegung Russlands“ an.
Journalisten, die in Russland für „Meduza“ arbeiten, sind in unmittelbarer Gefahr. So hatte die Korrespondentin Lilja Japparowa den Oligarchen Jewgeni Prigoschin gebeten, zu einem Beitrag ihrer Kollegen Stellung zu nehmen. Prigoschin hat in Russland den Spitznamen „Putins Koch“, weil eines seiner Unternehmen seit Jahren das Catering für die Kreml-Empfänge macht.
Doch Prigoshins Kerngeschäft ist nach Recherchen unabhängiger Journalisten längst ein anderes: Unter anderem gilt er als Chef der berüchtigten Söldnertruppe „Wagner“. „Meduza“ hatte einen Artikel über den Einsatz der „Wagner“-Truppe in Zentralafrika vorbereitet, den Prigoshin kommentieren sollte. Er schrieb auch tatsächlich zurück. Die Plattform „openmedia“ zitiert ihn: „Ich antworte der antirussischen Journalistin, der ausländischen Agentin. Bürgerin Japparowa, in sowjetischen Zeiten gab es Volksfeinde. Die wurden erschossen. Sie gehören in diese Kategorie.“
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