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In einer fremden Welt: Der Streamingdienst Netflix hat die Abenteuer des Entdeckers Marco Polo (Lorenzo Richelmy, r.) für 90 Millionen Dollar als Serie verfilmt.
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Netflix-Serie "Marco Polo": Auf Brüder, rauft Brüder

Intrigen, Schlachten, Szenen aus dem Harem des Kublai Khans: Mit „Marco Polo“ nimmt Netflix den Kampf gegen „Game of Thrones“ auf.

Mit seinen Feinden kennt Kublai Khan kein Erbarmen, diese Lektion lernt Marco Polo bereits vor seinem ersten Zusammentreffen mit dem mongolischen Herrscher. Der junge Entdecker ist mit Vater und Onkel von Venedig in die Mongolei aufgebrochen. Sie haben die stürmische See, vereiste Gebirgspässe und die Taklamakan, die zweitgrößte Sandwüste der Erde, überlebt, bevor der Tross durch ein verbranntes chinesisches Dorf reitet, vorbei an den Leichen der auf Pfählen aufgespießten Bewohner. „Das war das Werk des barbarischen Teufel-Königs“, erzählt eine alte Frau, bevor Pfeile von Soldaten des Khans den Kopf eines christlichen Priesters durchbohren, So beginnt die zehnteilige Serie „Marco Polo“, die an diesem Freitag exklusiv beim Online-Streamingdienst Netflix zeitgleich in allen Ländern startet, in denen der Abodienst vertreten ist.

Für Netflix ist „Marco Polo“ die erste Serie mit einem historischen Stoff. International hat die Internetplattform bislang vor allem mit der Serie „House of Cards“ mit Kevin Spacey auf sich aufmerksam gemacht. In Deutschland ist der von Reed Hastings gegründete Anbieter, der weltweit über 50 Millionen Abonnenten zählt, seit Mitte September aktiv.

„Marco Polo“ erinnert nicht von ungefähr an die erfolgreiche HBO-Serie „Game of Thrones“. Die Bedeutung der beiden Produktionen ist für die Anbieter gewaltig: HBO will im kommenden Jahr mit Beginn der nächsten Staffel von „Game of Thrones“ ebenfalls einen Streamingdienst eröffnen. Die Erwartungen von Netflix an „Marco Polo“ sind ebenfalls außerordentlich groß. Firmenchef Reed Hastings soll für die erste Staffel 90 Millionen Dollar lockergemacht haben. Nur bei „Game of Thrones“ sind die Staffeln noch teurer.

Marco Polo entführt in die Weite der Steppe und die Pracht der Paläste

Aber auch inhaltlich gibt es Parallelen zwischen den Produktionen. Beide spielen in einer archaischen Zeit, in der Reiter in stolzen Rüstungen und mit breiten Klingen das Sagen haben – wenngleich es sich bei Marco Polo und Kublai Khan um reale historische Personen handelt und nicht um fiktive Figuren wie in der Saga von George R. R. Martin. Während „Game of Thrones“ in einer mitunter mystischen Fantasiewelt angesiedelt ist, entführt „Marco Polo“ die Zuschauer in die ferne Welt des mittelalterlichen Asiens, in die Weite der Steppe, aber auch in die Pracht chinesischer Paläste.

„Marco Polo“ erzählt von Abenteuern in einer Welt, die auch heute noch viele Menschen gerade einmal dem Namen nach kennen und in der Männer wie Kublai Khan über Reiche herrschten, die noch immer alles in den Schatten stellen. Damit Marco Polo in dieser Welt überleben kann, wird er in die Künste von Kampf und Kalligrafie eingeführt. Er lernt Sprachen und Gebräuche und wird Zeuge von Rivalitäten und Intrigen. Wichtige Entscheidungen werden Mann gegen Mann, Bruder gegen Bruder getroffen. Doch der Khan, den Netflix auf seinem goldenen Thron präsentiert, setzt genauso auf Ratgeber und Experten. Und die Szenen aus den Harems des Khans müssen keinen Vergleich mit „Game of Thrones“ scheuen. An betörend schönen Frauen und nackter Haut herrscht in beiden Serien keinen Mangel.

Hinter der Netflix-Serie steht John Fusco als Produzent und Autor, der unter anderem die Drehbücher zu „Hidalgo“ und „Forbidden Kingdom“ geschrieben hat. Fusco bereiste zur Vorbereitung die Mongolei, in der Serie will er die Tagebücher des Venezianers mit anderen geschichtlichen Texten verbinden. Die Dreharbeiten fanden in Venedig, Kasachstan und Malaysia statt. Für die Schlachtszenen waren bis zu 300 Darsteller im Einsatz. Die Rolle des jungen Entdeckers hat der international bislang weitgehend unbekannte italienische Schauspieler Lorenzo Richelmy übernommen.

Marco Polos Schilderungen sind unter Historikern umstritten

Wie in der Realität kommt Marco Polo auch in der Serie eine Fähigkeit zupass: Er sei ein Maler, der mit Worten Bilder erschafft, sagen die Mongolen über ihn. Der Khan schätzt den „Christen“ wegen seiner Beobachtungsgabe und der lebhaften Schilderungen und macht ihn zu seinem Kundschafter. Tatsächlich waren die Schilderungen des echten Marco Polo so detailliert, dass europäische Geografen seine Entfernungsangaben zur Erstellung ihrer Karten nutzten. Zugleich gab es immer Zweifel an seinen Schilderungen, nicht zuletzt, weil er kein Wort über die Chinesische Mauer verlor. Als Marco Polo auf dem Sterbebett aufgefordert wurde, seinen „Lügengeschichten“ zu seinem Seelenheil zu widerrufen, soll er jedoch gesagt haben: „Ich habe nicht die Hälfte dessen erzählt, was ich gesehen habe.“ Egal wie, es ist ein Wunder, dass seine Geschichte nicht schon öfter verfilmt wurde. Die vierteilige Miniserie, die 1982 im TV ausgestrahlt wurde, hatte immerhin zwei Emmys gewonnen.

„Marco Polo“, zehn Folgen, Netflix, ab Freitag

Kurt Sagatz

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