„Wir sind Verbündete“: ARD-Vorsitzende geht auf Verleger zu
ARD-Vorsitzende Karola Wille möchte mit den Verlegern gegen die Wirkmacht der Internetkonzerne antreten. Doch ist das bereits die ARD-Linie?
Der Streit zwischen den Verlegern und den öffentlich-rechtlichen Sendern um die Online-Aktivitäten verwandelt sich mehr und mehr in Friedensverhandlungen. In der vergangenen Woche hatte Tom Buhrow, Intendant des Westdeutschen Rundfunk (WDR), angekündigt, dass sein Sender im Internet ab sofort einen Schwerpunkt auf Video- sowie Audioformate legen werde. Zu jedem Thema auf der Startseite gebe es künftig Video- und Audio-Beiträge, die wesentlichen nachrichtlichen Fakten würden textlich nur noch knapp zusammengefasst. „Wir setzen online deutlich stärker auf unseren Kernauftrag“, sagte Buhrow.
Jetzt hat Karola Wille, die scheidende ARD-Vorsitzende und Intendantin des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) nachgezogen. Bei einer medienpolitischen Rede in Berlin betonte sie, „die teilweise dramatischen Umsatzrückgänge im Zeitungswesen bedeuten in der Tat eine Gefahr für den demokratischen Diskurs unseres Gemeinwesens.“ Tatsächlich sei öffentlich-rechtliche Rundfunk mit den Verlegern publizistisch und gesellschaftspolitisch in einer „Verantwortungsgemeinschaft“.
Beide Seiten seien natürliche Verbündete und sollten und müssen hier gemeinsam Verantwortung übernehmen und deshalb die gemeinsamen Interessen in den Mittelpunkt stellen. Aber, und das betonte die ARD-Vorsitzende sehr deutlich, „Der Grund für die teilweise erdrutschartigen Veränderungen sind nicht wir“. Die Gründe dafür seien in einer Änderung im Nutzungsverhalten der Bürger begründet, die das Internet in immer größerem Ausmaß zur Rezeption von Medieninhalten nutzen. Dies bekämen auch die Sender zu spüren.
Der Feind meines Feindes
Wenn sich in der Perspektive der ARD-Vorsitzenden nicht Rundfunk und Presse zu bekriegen hätten – wer dann? Wille verfährt nach dem Grundsatz „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“. Gemeint sind die US-Technologiegiganten, die auch Zeitungsverlegerpräsident Mathias Döpfner als veritable Gefahrenherde für die Publizistik erkannt hat.
Das tatsächliche Problem sei allerdings noch viel größer, es betreffe den Kern des Geschäftsmodells Onlinewerbung. Für Wille haben soziale Netzwerke Werbung perfektioniert. Aus Werbung als „Kunst der Verführung“ sei Werbung als „Wissenschaft der Manipulation“ geworden. Soziale Netzwerke schleusen in Willes Wahrnehmung mittlerweile Werbung wie normale Nachrichten in den Datenstrom ihrer Nutzer ein. Auf Facebook sähen Anzeigen wie Inhalte aus und Inhalte wie Anzeigen. Verstörend viele Nutzer seien nicht mehr in der Lage, hier den Unterschied zu erkennen. Dies gelte gleichermaßen für Google wie für Facebook.
„Die globalen Plattformen haben mit ihrer unerbittlichen Netzwerklogik, die ohne publizistische Grundwerte Inhalte als Köder für Konsumenten auswerfen, eine bisher nie gekannte Wirkmacht erreicht“, sagte Wille und zog daraus den Schluss: „Hier aber müssen wir gemeinsam, Verleger, Publizisten und öffentlich-rechtliche Redaktionen eine Antwort finden.“ Die Ansätze müssten dort gesucht werden, wo es um die Aufrechterhaltung des Qualitätsjournalismus gehe. „Hier brauchen wir eine strategische Partnerschaft“, forderte Wille. „Wir sollten meines Erachtens die Verleger dort unterstützen, wo es um die wirtschaftlichen Grundlagen für Qualitätsjournalismus geht.“ Dazu gehöre das Leistungsschutzrecht auf nationaler und europäischer Ebene.
Eine Position, die Zeitungsverlegerchef Mathias Döpfner durchaus gefallen könnte. Ob sie aber auch bei anderen ARD-Intendanten Beifall findet? Die Wille-Linie ist noch keineswegs ARD-Linie, selbst wenn aus einigen Häusern bereits Unterstützung signalisiert wurde. ARD steht auch für: Alle Reden Durcheinander. Joachim Huber