Krawalle bei Russland gegen England: ARD und ZDF beschweren sich bei Uefa wegen eingeschränkter Bilder
Wir sehen was, was du nicht siehst: Krawalle und Flitzer bei der Fußball-EM. ARD und ZDF wollen ihre bisherigen Kamera-Einsatzpläne überprüfen.
Die deutschen TV-Sender haben sich bei der UEFA über die eingeschränkte Bildauswahl von der Fußball-Europameisterschaft beschwert. „Wir haben gemeinsam mit der ARD Kontakt mit der UEFA aufgenommen und unsere Erwartungshaltung klar dargestellt“, sagte ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz der Deutschen Presse-Agentur am Montag in Paris. Die deutschen Sender erhalten die Live-Bilder von den Spielen in Frankreich über den europäischen Fußballverband. Dieser zensiert aber die Bilder und zeigt keine Hooligans und Flitzer im Stadion.
ZDF und auch ARD müssten davon ausgehen und auch erwarten, dass vom Host Broadcaster alle relevanten und die Öffentlichkeit interessierenden Situationen im Stadion bildlich angeboten werden. Entweder als Livebild oder als Aufzeichnung, sagte Gruschwitz dem Tagesspiegel. Und dies beschränke sich ausdrücklich nicht auf das reine Spielgeschehen.
Mit eigenen Livekameras ist das ZDF nur bei deutschen Spielen vertreten, bei anderen Spielen kommen nicht livefähige Kameras zum Beispiel für Interviews zum Einsatz. Auch der Flitzer bei der Partie Kroatien gegen die Türkei am Sonntag war in der ARD kaum zu sehen, weil die UEFA es so wollte und nur bestimmte Kameraperspektiven zeigte.
"Wir sind gerade nach den Vorkommnissen nach dem Spiel England- Russland gemeinsam mit der ARD in einem direkten Kontakt mit der UEFA und haben unsere Erwartungen klar formuliert. ARD und ZDF werden darüberhinaus ihre bisherigen Kamera- Einsatzpläne überprüfen."
„Wenn das so sein sollte, wäre das natürlich eine Art Zensur“
Die UEFA-Vorgabe, bei der Europameisterschaft Bilder von Randalen auf den Tribünen nicht im TV-Weltbild zu zeigen, hält der Münchner Medienwissenschaftler Michael Schaffrath für Zensur. Ein Sprecher der Europäischen Fußball-Union hatte am Wochenende gesagt, dass Live-Szenen von Ausschreitungen nicht gesendet werden, um einen Nachahmungseffekt zu verhindern. „Wenn das so sein sollte, wäre das natürlich eine Art Zensur“, sagte Schaffrath der dpa. Die UEFA weist den Zensur-Vorwurf zurück. Bei der Partie England gegen Russland am Samstag waren heftige Randale im Stadion von Marseille nicht live zu sehen.
Der Professor der TU München deutete zugleich Verständnis für die Entscheidung der UEFA an. „Die Problematik des Nachahmens ist nicht von der Hand zu weisen“, sagte Schaffrath. Die Hooligan-Gewalt sei nicht für jeden befremdlich. „Auf den einen wirkt das abschreckend, auf den anderen motivierend. Das ist in der Gesellschaft so. Es gibt leider auch Menschen, die das motiviert. Sie wollen vor einem großen Publikum eine Bühne finden, die sie sonst im Leben nicht haben.“
Er könne sich vorstellen, dass man mit den Bildern, die eine große Macht haben, ein Stück weit sensibel umgehen muss. Ganz verhindern könne man sie aber ohnehin nicht. „Ich hatte schon den Eindruck, dass die Bilder der Ausschreitungen England gegen Russland auf den Tribünen zumindest in Ansätzen beziehungsweise in der Nachberichterstattung, etwa in den ,Tagesthemen', zu sehen waren.“