zum Hauptinhalt
Moderatorin Anne Will hatte zum Klimatalk geladen.
© NDR/Wolfgang Borrs

Klimadebatte mit Kevin Kühnert: Anne Will vergibt eine wichtige Chance

Anne Will wollte mit ihren Gästen über eine CO2-Steuer sprechen. Aber erst mal redeten sich Kevin Kühnert und Michael Kretschmer gegenseitig über den Haufen.

Die Regierungskoalition aus Union und SPD muss schon morgen beendet werden. War doch erstaunlich, ja befremdlich, was sich Juso-Bundesvorsitzender Kevin Kühnert und der CDU-Ministerpräsident von Sachsen, Michael Kretschmer, in der Talkrunde von "Anne Will" gegenseitig an den Kopf warfen. Kretschmer würde nur "Leerformeln" von sich geben, war eine der Kühnertschen Invektiven, "Sie bringen die Leute auf", behauptete Kretschmer Richtung Kühnert. Beide saßen auf der Stuhlkante.

Ein Thema hatte die Talkshow auch: "Streit um CO2-Steuer - wer zahlt für den Klimaschutz?" Ist es da überhaupt richtig, Kevin Kühnert einzuladen? Ist der Juso-Chef Experte für alles? Ist er bestimmt nicht, aber er ist aktuell die heißeste Mediennummer. Nach dieser Logik konnte die Will-Redaktion auf eine Einladung nicht verzichten - und prompt ging die Moderatorin das "Zeit"-Interview noch einmal durch, in dem Kühnert vom "demokratischen Sozialismus" bis hin zur BMW-Kollektivierung ausholte. Vom Klima findet sich da kein einzig Wort. Mal sehen, wie lange die Kühnert-Tournee in Talks und sonstigen Medien noch anhält.

Expertin und Volkes Stimme

Zugleich hat Kühnert das Potenzial, jede Gesprächsrunde auf Touren zu bringen. Wenige der vergangenen "Anne Will"-Ausgaben hatten so ein Temperament. Die Klimarettung geht zwar alle an, aber die Wege dahin sind eben höchst unterschiedlich. Der Juso-Chef und die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock halten eine CO2-Steuer für das brauchbarste Vehikel, um in der Bevölkerung eine Verhaltensänderung herbeizuführen. Michael Kretschmer will davon nichts wissen, er möchte eine Schritt-für-Schritt-Politik wie beim Kohleausstieg, technische Innovationen - und "mehr Vernunft" in der Debatte.

Kevin Kühnert, Bundesvorsitzender der Jusos, bei Anne Will
Kevin Kühnert, Bundesvorsitzender der Jusos, bei Anne Will
© dpa/NDR/Wolfgang Borrs

Diese hätte eigentlich Maja Göpel liefern müssen. Sie hat eine sagenhafte Aufgabe: Sie ist Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen/WBGU. Eine wahrhafte Expertin, ganz ohne Zweifel, aber eben eine Expertin, die wahrscheinlich nur vor und für Experten spricht. Anne Will hätte bei Göpels Beiträgen eindeutig auf mehr Verständlichkeit dringen müssen. Tat sie aber nicht, schade, eine vertane Chance.

Volkes Stimme hatte auch einen Vertreter schicken dürfen: Ioannis Sakkaros, der Gelbwesten-Proteste gegen Fahrverbote in Stuttgart organisiert. Nicht immer fest in den Fakten, ließ der Porsche-Mitarbeiter seiner Skepsis gegenüber einer CO2-Steuer freien Lauf.

Ungeschickte Dramaturgie

Die Will-Truppe hat den Erklärungsbedarf beim Thema eindeutig unterschätzt, sie hätte die notwendigen Einspielfilme geschickter einsetzen müssen. Der erste diente nur dazu, die Angst vor einer möglichen Klimakatastrophe zu illustrieren, ein weiterer Einspielfilm mit der Aufrechnung, welcher Haushalt bei einer CO2-Steuer verlieren und gewinnen wird, kam zu spät. Und die letzte Zahl in der Sendung wonach nur 34 Prozent der Deutschen für eine derartige Steuer sind, hätte manche der vorgebrachten Positionen ganz anders geerdet.

Diese teils ungeschickte Dramaturgie hat den Wert der sehr lebhaften wie interessanten 60 Minuten nur gemindert. Klima und Schutz desselben sind ein Thema, das mitten in der Bevölkerung angekommen ist und deswegen wieder und wieder Talkthema werden sollte.

Und Kühnert und Kretschmer? Sind beide nicht an der großen Koalition beteiligt.

Zur Startseite