Kampf-Streaming: Amazon und Watchever bereiten sich auf Netflix vor
Vor dem Deutschlandstart von Netflix im vierten Quartal bringen sich Amazon und Watchever in Stellung. Der eine Anbieter setzt auf Kampfpreise, der andere auf Eigenproduktionen.
Der nächste große Herausforderer kündigt sich an. Die US-Online-Videothek Netflix wird nach Tagesspiegel-Informationen im vierten Quartal 2014 in Deutschland antreten. Längst wird über Lizenzen verhandelt. In Ländern wie Großbritannien, Irland, Frankreich oder den Niederlanden, wohin die Europazentrale demnächst von Luxemburg wechseln wird, sind längst Erfahrungen über den europäischen Markt und seine Teilmärkte gesammelt worden. Zum Jahreswechsel hatte Netflix bereits 44 Millionen Abo-Kunden.
Der Homevideo-Markt ist heiß umkämpft. Er ist auf Wachstum ausgelegt. Noch ist der Streaming-Sektor mit ungefähr zehn Prozent Marktanteil im Vergleich mit Kauf- oder Leih-DVDs klein, aber Marktteilnehmer erwarten binnen weniger Jahre ein 50:50-Verhältnis. Für Anbieter wie Maxdome, Lovefilm, Watchever und Sky Snap gilt es, unter Hochdruck und mit Kampfpreisen Marktanteile auszubauen.
Wie groß der Erfolg mittlerweile ist, zeigt sich daran, dass die beiden größten Kabelfernseh-Konzerne in den USA, Comcast und Tim Warner Cable, zusammen „nur“ rund 30 Millionen Kunden zählen. Comcast ist über NBC Universal auch am Netflix-Rivalen Hulu beteiligt, der besonders bei Fernsehserien stark ist. Netflix kontert mit Eigenproduktionen wie der Politserie „House Of Cards“ oder der Frauenknast-Produktion „Orange Is The New Black“. Die Streaming-Branche bringt sie alle unter Druck: Produzenten und Vertreiber von DVDs, Kabel- und Satelliten-Betreiber, aber auch Fernsehsender. Weil der Konsument unabhängig von Ort und Zeit sein Lieblingsprogramm sehen kann. Viele Netflix-Abonnenten haben die 13 Folgen der zweiten „House Of Cards“-Staffel sogar gleich in einem Rutsch am Startwochenende verschlungen.
Einen Überraschungscoup landete am Freitag Amazon. Kunden des Schnelllieferdienstes Prime können künftig für 49 Euro jährlich auf 12 000 Filme und Serien von Amazons Videodienst Lovefilm zugreifen, kündigte der Konzern an. Umgerechnet vier Euro monatlich sind eine Kampfansage, mit der die Kundenbasis bis zum Deutschlandstart von Netflix verbreitert werden soll. Beim Konkurrenten Watchever, der zum französischen Vivendi-Konzern gehört, kostet der Flatrate-Monat rund neun Euro, eine Jahresflatrate gibt es dort noch nicht.
Für die bisherigen Nutzer von Prime ist die Amazon-Offerte allerdings weniger erfreulich. Das alte 29-Euro-Angebot läuft aus. Ab Ende Februar kostet der Lieferexpress dann durch die Bank 49 Euro. Nur für Bestandskosten bleibt vorerst alles beim Alten. Erst bei der Verlängerung des Vertrages wird der höhere Betrag fällig.
Unterm Strich könnte die Rechnung für Amazon aufgehen. Über den Kampfpreis macht das Unternehmen seinen Primedienst auch für Kunden interessant, die zwar in erster Linie an Flatrate-Filmen und -Serien interessiert sind, nun aber möglicherweise auch verstärkt im Amazon-Versandhandel shoppen gehen. Ähnlich verfährt der Konzern seit Jahren mit seinen E-Book-Lesegeräten und Kindle- Tablets. Die Hardware selbst ist äußerst preiswert. Da jedoch ein spezielles E-Book-Format eingesetzt wird, verdient Amazon dann an den gezwungenermaßen treuen Buchkäufern. Meldungen zufolge arbeitet Amazon an einer TV-Settop- Box, die bereits im März in den USA verfügbar sein soll.
Nicht nur Massenware, sondern auch prämierte Dokus
Watchever geht einen anderen Weg. Der Katalog wird ständig ausgebaut – nicht nur um Unterhaltungsmassenware, sondern genauso um ernsthafte Kost wie aktuell die oscarnominierte Dokumentation „The Act of Killing“. Wie Netflix setzt Watchever verstärkt auf Eigenproduktionen. Am Freitag startete bei Watchever die französische Cop-Thriller-Serie „Braquo“. Es ist ein harter Stoff um ein Pariser Polizeiteam, das mit allen legalen und vielen illegalen Mitteln agiert. Die zweite Staffel wurde in Deutschland als nicht jugendfrei eingestuft.
Mehr noch als auf den „Braquo“-Start wartet die Branche allerdings auf Details über die vor einigen Monaten avisierte erste deutsche Serie in Eigenproduktion. „Im Frühjahr werden wir bekannt geben, worum es sich genau handelt und wer dabei mitspielt“, sagte Watchever-Geschäftsführer Stefan Schulz am Freitagabend am Rande der „Braquo“-Premiere in Berlin dem Tagesspiegel. Ins Programm soll die Serie 2015 kommen.
Wie Watchever auf Amazons Preisofferte reagieren soll, werde zunächst in aller Ruhe geprüft, erklärte Schulz. „Fest steht, dass wir beim Programm keine Kompromisse machen werden“, versprach er und versuchte, der Situation etwas Gutes abzugewinnen: „Wenn der Amazon-Vorstoß den Markt belebt, so würde uns das freuen.“ Zur Zeit wächst Watchever täglich um bis zu 5000 neue Abonnenten.
Der Bedarf ist nur mit Eigenproduktionen zu decken
Das rasante Wachstum der Internet-Videotheken beruht nicht zuletzt darauf, dass sie auf einen gewaltigen Fundus von Filmen und Serien zurückgreifen können. Die laufende Neuproduktion von Kino und Fernsehen reicht jedoch auf Dauer nicht aus, um die Nachfrage des Vielseher-Publikums zu decken. Wenn die Streamingdienste es wie erwartet schaffen, in den nächsten zehn Jahren in Deutschland zehn Millionen Abonnenten zu gewinnen – derzeit sind es rund eine Million – werden sie bei den Eigenproduktionen mit den klassischen Akteuren gleichziehen müssen. An Stoffen und Produzenten mangelt es nicht.
Über den Preis allein wird man den Markt jedenfalls nicht erobern. Das weiß auch Jeff Bezos. Die US-Serie „Alpha House“ über vier Senatoren, die in einer Art WG zusammenleben, entstand in den Amazon-Studios. In der neuen Abo-Auswahl von Amazon Prime Instant Video soll sie ebenfalls abzurufen sein.