"Tatort" mit Maria Furtwängler: Am Ende des Regenbogens
Statt Til Schweiger ist am Sonntag Maria Furtwängler im "Tatort" zu sehen. Als Kommissarin Charlotte Lindholm sucht sie einen Mörder unter Bundeswehr-Piloten - und findet eine prominente Leiche.
Liebe „Bild“-Hasser, wie oft habt Ihr Euch Chefredakteur Kai Diekmann schon tot gewünscht? Auf jeden Fall war es immer umsonst. Diekmann ist putzmunter. Also existiert der dahingeschiedene Kai Diekmann nur in der Fiktion, im „Tatort: Spielverderber“ am Sonntag. Diekmann spielt, nein, das ist zu viel gesagt, er stellt eine Leiche in der Pathologie dar. Dass diese Leiche der Diekmann ist, das muss der Zuschauer wissen. Kommissarin Lindholm (Maria Furtwängler) verrät mit keinem Wort den Namen des Toten. Nur der Pathologe lässt sich, als er das Tuch hebt, zu dem Satz hinreißen: „Bei dem ist richtig was schiefgelaufen." Diekmanns Magen ist quasi nach außen explodiert, das sieht nach einer echten Sauerei aus.
Mehr als eine Beziehungstat
Diese kurze Sequenz ist der einzige kleine Scherz, den sich der NDR-„Tatort“ erlaubt. 88 Minuten wird Fahndungs-, besser Trauerarbeit geleistet. Die Exfrau eines Luftwaffenpiloten ist erschlagen worden, beim Techtelmechtel mit dem Mann der Soldatin Kristin Goebels (Jasmin Gerat).
Was eine reine Beziehungstat zu sein scheint, weitet sich zu einer besonderen Beziehungstat im Kosmos der Bundesluftwaffe aus. Der Krimi wird darüber nicht zur Kritik an der Bundeswehrtruppe genutzt, sondern zur Folie, warum Menschen beim Militär anders denken, anders ticken. Der eine Soldat hat Gewaltprobleme, ein anderer ist der Spielsucht verfallen.
Wenn Oberst Andreas Friedrichs (Richard van Weyden) zu Lindholm sagt, „Sie bringen Unruhe in den Stützpunkt“, dann meint er, dass die Werte wie Kameradschaft, Teamgeist, der reibungslose Ablauf der Dienstleistung in Gefahr sind. Es geht hier nicht um Kadavergehorsam, es geht um einen extremen, extrem herausfordernden Beruf, dessen Rahmenbedingungen schwer und von manchen gar nicht zu akzeptieren sind. Militärpiloten leben und arbeiten zwischen Langeweile und Lebensgefahr, der Krimi legt mit mancherlei Passage nahe, dass das Fliegen als weit weniger gefährlich empfunden wird als das Leben außerhalb der Transall und des Stützpunkts.
"Somewhere over the rainbow"
„Somewhere over the rainbow“, das ist in diesem Kontext weit mehr als der Judy-Garland-Gassenhauer. Das und die Liebe im Militärmilieu: die tote Exfrau des Bundeswehrpiloten hatte ein ausschweifendes Liebesleben, weder hatte sie sich bei den Kameraden ihres Ex noch bei den Ehemännern der Soldatinnen zurückgehalten. Das hatte sie in der Gemeinschaft isoliert. Der Ex, Jan Körner (Gerdy Zint), ist weiter eifersüchtig, aufbrausend, er findet die Tote.
Charlotte Lindholm, wie stets geplagt als alleinerziehende Mutter, bewegt sich viel auf dem Fliegerhorst, sie muss sich in dieser Umgebung behaupten, um dann doch schwach zu werden beim Kommodore, dem Richard van Weyden „Top Gun“-Präsenz verleiht.
Aber es ist nicht der schnieke Oberst und nicht die schöne Kommissarin, aus der der Krimi seine darstellerische Qualität bezieht. Es ist Gerdy Zint, der wie ein junger Armin Rohde den Film aggressiv und unruhig vorantreibt, es ist Jasmin Gerat, die als Ladungsmeisterin Kristin Goebels sich und anderen privates Glück vorgaukelt. Da ist viel Balance gefragt, ehe es kippen darf. Harmut Schoen, Autor und Regisseur, hat in die Fragilität dieser Figuren viel investiert, und hier erzielt der Film auch seine größte Rendite. Muss er auch, die Inszenierung bietet nur Krimikonfektion.
Der "Tatort" gerät zum Beauty-Contest
Maria Furtwängler hat ihre Charlotte Lindholm beim 23. Fall fest im Griff. Keine Irrungen, keine Wirrungen, die Frau ist tough, selbst ihrer strengen Mutter gegenüber: „Ich kann mir nun mal nicht aussuchen, wann Menschen umgebracht werden.“ Regisseur Schoen hat sich entschlossen, seine Krimigeschichte vor allem in Close-ups zu erzählen. Da steckt viel Zutrauen in die schauspielerischen Kapazitäten, wenn die Kamera von Andreas Doub wieder und wieder in den Gesichtern die Geschichte sucht. Bei der Furtwängler geschieht das ein bisschen zu häufig, da gerät der „Spielverderber“ zum Beauty-Contest.
Die 90 Minuten sind von einer starken filmischen Klammer geprägt. Es gibt eine souverän durchkomponierte Eröffnung, es gibt ein sehr emotionales Ende. Aber, und das ist eine Frage an die Zuschauer: Bieten die Schlussminuten nicht puren, sauren Kitsch? Somewhere over the rainbow?
- „Tatort: Spielverderber“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15
Joachim Huber