MEDIA Lab: Alles Rezo oder was?
Nach Rezo: Marlis Prinzing fordert eine zentrale Instanz für Digitalthemen und Quasi-Fernsehkanäle wie Youtube
Das offenkundige Problem der Youtube-Videos von Rezo sowie insgesamt 70 Youtubern ist weder an Wahlen gebunden noch an eine Partei oder an ein Thema. Es betrifft uns alle und spiegelt das durch Netzkanäle enorm gewachsene Macht- und Einflusspotenzial Einzelner auf viele wider.
Die Medienforschung kennt seit langem den „Two-Step-Flow“, der besagt, dass Meinungsführer eine wesentliche Kraft darstellen, um öffentliche Meinung zu beeinflussen. Das kann auch ein „Multi-Step-Flow“ sein, wie die Youtuber-Videos zeigen. Und ihr Erfolg bestätigt, was die Kommunikationswissenschaft „Uses and Gratifications“ nennt: Die Wirkung wächst, wenn das Publikum von den Informationen etwas hat und sich für das Thema interessiert – hier das Klimathema.
Ist Rezo ein Journalist?
Viele Fragen sind offen: Äußert Rezo nur seine Meinung? Ober betreibt er eine PR-Kampagne, für die er den „Fridays for Future“-Effekt in seiner Zielgruppe nutzt, um seinen Marktwert zu steigern? Oder macht er, wie Springer-Chef Mathias Döpfner glaubt, Journalismus, obwohl Rezo diesen Anspruch selber nicht erhebt? Und obgleich der Pressekodex von Journalisten verlangt, offenzulegen, wenn sie als Journalisten auftreten – und Journalismus kontinuierliche Beobachtung und Recherche umfasst?
Kernfrage ist: Wie begegnen wir dem bedrohlichen gesellschaftlichen Phänomen, das hier offenkundig wird? Wir haben einen Presserat, Werberat, PR-Rat, aber weiterhin keine vergleichbare Anlaufstelle für Digitalthemen, obwohl dies überfällig ist. Denn auch wer Rezos Aussagen zur Klimapolitik teilt, muss sich vor Augen halten, was denn wäre, wenn extremistisch orientierte Führerfiguren ihre Themen ähnlich wirkmächtig über digitale Quasi-Fernsehkanäle verbreiten, wenn abseits von Parteien und Parlamenten Polit-Influencer untereinander darum ringen, wer mehr Follower, mehr Leute hinter sich versammelt.
Marlis Prinzing