Wider die Invasion: Ab Mai kostet Venedig Eintritt
Jeden Tag kommen durchschnittlich 90.000 Touristen nach Venedig. Mit Eintrittspreisen will die Stadt den Ansturm eindämmen. Funktioniert das?
„La Serenissima“, die Heitere, wie Venedig auch genannt wird, ist schon lange nicht mehr heiter: Die Lagunenstadt an der Adria mit ihren Kanälen und unzähligen Kulturgütern ist seit Jahren Schauplatz einer Invasion: Im vergangenen Jahr haben 33 Millionen Touristen die Stadt besucht, also durchschnittlich 90.000 am Tag. Das sind fast doppelt so viele wie Venedig Einwohner zählt: In der Stadt leben noch etwas mehr als 50.000 Menschen. An einzelnen Tagen in der Hochsaison – wie etwa während des gerade stattfindenden Karnevals – zählt man 150.000 Touristen pro Tag.
Für die Einheimischen ist das nicht lustig – und letztlich nicht einmal für die Touristen selber. Die Stadtbehörden diskutieren deshalb schon lange über Möglichkeiten, den Ansturm etwas einzudämmen – und nun glaubt Bürgermeister Luigi Brugnaro, eine Lösung gefunden zu haben: Im Mai, also kurz vor Beginn der Hochsaison, soll eine neue Abgabe für Tagestouristen in der Höhe von drei Euro eingeführt werden. Die Maßnahme ist in der vergangenen Woche vom Stadtparlament nach einer zehnstündigen Diskussion abgesegnet worden. Die Steuer soll auf die Fahrscheine der Transportmittel draufgeschlagen werden, mit denen die Touristen nach Venedig gelangen.
In den kommenden zwei Jahren soll das „Eintrittsgeld“ schrittweise und nach Gästekategorien abgestuft auf 5 bis 10 Euro angehoben werden. Die meisten Venezianer glauben freilich nicht, dass die Steuer die Zahl der Gäste senken wird: „Glauben Sie wirklich, dass Touristen, die sich von Straßenhändlern ein Ramsch-Souvenir für 20 Euro andrehen lassen oder für einen Campari auf der Piazza San Marco 30 Euro bezahlen, sich von einer einmaligen Abgabe von drei Euro abschrecken lassen?" fragt ein Rentner, der seit seiner Geburt in der historischen Altstadt von Venedig lebt und der Nachts vom ewigen Gerumpel der Rollkoffer um den Schlaf gebracht wird.
Ein Eintrittsgeld für Tagestouristen hatten in den vergangenen Jahren unter anderem schon die Inselbehörden von Ischia und Capri eingeführt – auf den Tickets der Schiffe, die die Gäste hinbringen. In Ischia werden seit 2011 zwei Euro fällig, in Capri 2,50 Euro. Die Bremswirkung auf die Zahl der Touristen liegt in beiden Fällen unter der Wahrnehmungsgrenze. Im Grunde genommen handelt es sich auch in Venedig um nichts anderes als eine simple Kurtaxe für Tagestouristen, die am gleichen Tag wieder abreisen. Diejenigen Gäste, die in Venedig in einem Hotel, einer Pension oder einem der unzähligen Airbnb-Unterkünfte absteigen, zahlen schon seit Jahren eine Kurtaxe von fünf Euro und sind von der neuen Steuer befreit.
Das Eintrittsgeld war ein Wahlversprechen Brugnaros gewesen, der 2015 auf einer Mitte-Rechts-Liste zum Bürgermeister gewählt worden war. Der Unternehmer, der aus den wenigen verbliebenen Schulen Venedigs die Lehrmittel mit Gender-Aufklärung verbannen wollte und der von seinen Kritikern als „Lagunen-Trump“ verspottet wird, hat sich noch nie als Kritiker des Massentourismus hervorgetan, im Gegenteil: „Ich vermag nichts Negatives darin zu erkennen, wenn unsere Hotels und Restaurants voll sind“, pflegt Brugnaro zu sagen, wenn es um Beschränkungen für den Tourismus geht. Der Verdacht steht im Raum, dass er die neue Gebühr in erster Linie eingeführt hat, um Kasse zu machen – und um sich vor wirksamen Maßnahmen zu drücken.
Obergrenze für Touristen im Gespräch
Entsprechende Vorschläge und Forderungen gibt es zuhauf. Der Gouverneur der Region Veneto, Luca Zaia, verlangt schon lange die Einführung einer Obergrenze für Touristen und eine Reservierungspflicht. Die Bürgerinitiative „No Grandi Navi“, die von der in Rom regierenden Fünf-Sterne-Protestbewegung unterstützt wird, will die großen Kreuzfahrtschiffe, die heute bis vor die Piazza San Marco fahren, aus der Lagune verbannen. Dies würde der Stadt und ihrer Luft eine echte Erleichterung verschaffen. Anwohner-Komitees wiederum fordern eine drastische Beschränkung und strenge Reglementierung der Airbnb-Unterkünfte, die nicht nur die Zahl der Gästebetten in Venedig haben explodieren lassen, sondern auch die Wohnungspreise und Mieten für die Einheimischen.
Doch von solchen Forderungen will Bürgermeister Brugnaro nichts wissen. Wahrscheinlich deshalb, weil diese Maßnahmen die Zahl der Touristen tatsächlich senken würde, im Unterschied zu seinem Eintrittsgeld.
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